In einer seit Jahren nicht mehr gesehenen Koalition der nationalen Einheit von CSV bis KPL haben die Jugendorganisationensämtlicher Parteien mit Ausnahme der ADR diese Woche eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Darin fordern sie eineÄnderung des kommunalen und nationalen Wahlrechts, um den 42 Prozent Ausländern im Land ein größeres politisches Mitspracherecht zu geben. „Refresh Democracy“ lautet das Motto, und den frischen Mentholgeschmack soll die wohl etwasmuffigeDemokratie ausgerechnet durch Änderungen des Wahlgesetzes erhalten.
Für die Parteien und Gesetzgeber hat das Wahlgesetz einen besonderen Reiz, weil es die Spielregeln definiert, nach denen die Parteien Gesetzgeber werden. So lässt sich vielleicht erklären,weshalb das Wahlgesetz von 1924 mehr als 50 Mal geändert wurde, was einem Durchschnitt von einer Änderung alle 18 Monate entspricht. Im Jahr 2003 trat ein neues Wahlgesetz in Kraft, das ebenfalls bereits geändert wurde, und die Vorschläge desParteinachwuchses sind nur eine Reformforderung unter mehreren.Denn schon zuvor hatten mehrere Parteijugendorganisationen eine Senkung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre gefordert. Bei den Koalitionsverhandlungen vor drei Jahren hatten CSV und LSAP aber lediglich die Senkung der Altersgrenze bei den Sozialwahlen abgemacht.
Nach dem knappen Ausgang des Referendums über den europäischen Verfassungsvertrag hatten die Parteien vorübergehend beschlossen, Parlaments- und Europawahlen an getrennten Daten abzuhalten. Als sie diese Idee wieder aufgaben, machte sich die CSV stark dafür, Doppelkandidaturen zu den Parlaments- undEuropawahlen zu verhindern. Um dieses Ziel zumindest indirekt zu erreichen, brachte der CSV-Verfassungsexperte Paul-Henry Meyers vor einem Monat einen Gesetzesvorschlag ein, um das Wahlgesetz zu ändern. Er will die Kandidatenzahl auf den Europalisten von zwölf auf sechs senken und so die Zahl der Ersatzkandidatenverknappen.
Alle paar Jahre melden sich die Kritiker des Panaschierens zu Wort, die durch eine Änderung des Wahlgesetzes den Wählern die Möglichkeiten nehmen wollen, Kandidaten mehrerer Parteien zu wählen. Dadurch soll die Wahlentscheidung weniger personenbezogen ausfallen. Doch am heftigsten wehrt sichdie DP jedes Mal gegen eine Reform des Panaschierens.
Durch die wachsende Zahl von Ausländern läuft der Anteil der Wahlberechtigten an der Gesamtbevölkerung im 21. Jahrhundert Gefahr, wieder zu sinken, nachdem er im 19. Jahrhundert bis zur Einführung des allgemeinen Wahlrechts schrittweise erhöht worden war. Dass er nicht bereits drastisch gefallen ist, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Zahl der wahlberechtigten Luxemburger durch die Senkung des Wahlalters bis auf 18 Jahre und zuletzt 2004 die Heraufsetzung derAltersgrenze für den Wahlzwang auf 75 Jahre erhöht wurde. Deshalb wurden sich Chrëschtlech sozial Jugend, déi jonk Gréng, déi Lénk, Jeunesse communiste luxembourgeoise,Jeunesse démocrate et libérale und Jeunesses socialistes luxembourgeoises mit Unterstützung der Asti einig, dass die Einschränkungen des passiven Ausländerwahlrechts auf Gemeindeebene noch vor den nächsten Gemeindewahlen 2011aufgehoben werden soll. Als Luxemburg 1994 durch den Maastrichter Vertrag gezwungen wurde, das kommunaleAusländerwahlrecht einzuführen, beanspruchte es eine Ausnahmeregelung, laut der keine Ausländer Bürgermeister oder Schöffen werden dürfen. Damit sollte Rücksicht auf Überfremdungsängste bei den einheimischen Wählern genommenwerden. Doch die niedrige Wahlbeteiligung der Ausländer hatinzwischen gezeigt, wie unbegründet diese Ängste waren.
Außerdem verlangt der Parteinachwuchs, dass die als schikanös empfundene Einschreibefrist für die Wählerlisten von derzeit18 auf rund zwei Monate gesenkt wird: Letzter Einschreibetermin soll der 31. Juli vor den im Oktober abgehaltenen Gemeindewahlen sein.
Auch wenn sämtliche Parteijugendorganisationen das Prinzip unterschrieben, „die ausländischen Bürger an den Legislativwahlen zu beteiligen“, ohne auf mögliche Unterschiede beim aktiven und passiven Wahlrecht einzugehen, konnten sie keine Einigung über die Zugangsbedingungen finden. Die Meinungen gehen wohl zu weit auseinander zwischen denen, die sich möglichst großzügig geben, und jenen, welche die Verteidigung der nationalenIdentität nicht der ADR überlassen wollen. Dass die ADR-Jugend die gemeinsame Plattform nicht unterzeichnete, habe, so Pressesprecher Alain Frast auf Nachfrage, nichts mit politischen Vorbehalten zu tun, sondern damit, dass die Parteijugenderst neu aufgebaut werden müsse.
Streitpunkte blieben für die Jungpolitiker die Luxemburgischkenntnisse und die Mindestaufenthaltsdauer.Bereits beim Gesetzentwurf über die doppelte Staatsbürgerschafthatte die mit der Änderung der Landesflagge beschäftigte CSVsich dafür stark gemacht, dass die Luxemburgischkenntnisse der Antragsteller geprüft werden. Das Gesetz über die Staatsbürgerschaft beeinflusst aber auch eine etwaige Einführung des nationalen Ausländerwahlrechts: Denn es macht keinen Sinn, wenn dieselbe Aufenthaltsdauer oder eine längere zur Erlangung des Wahlrechts als zur Erlangung der Staatsbürgerschaft – geplant ist eine Erhöhung auf sieben Jahre – vorgeschrieben wird.