Zwischen Landwirten und dem Umweltministerium konnten Anpassungen errungen werden

Daueraufreger Naturschutzgesetz

d'Lëtzebuerger Land du 23.08.2024

„Eis Leit dobaussen um Terrain sinn ongedëlleg, et geet deenen net séier genuch“, sagte der Präsident der Bauernzentrale Christian Wester Anfang August im RTL-Radio. CSV-Umweltminisminister Serge Wilmes müsste seinen Mitarbeitern „Feier ënner dem beschte Stéck maachen“. Im Radio 100,7 forderte er den Minister auf „eng nei Marschroute“ durchzusetzen. Unter anderem stößt sich die Gewerkschaft an den Auflagen beim Bau in der Grünzone, wie im Naturschutzgesetz festgehalten. „Die Kriterien, wie groß ein Stall und Stallfenster sein können, scheinen uns willkürlich festgelegt“, so Wester gegenüber dem Land. Seit dem Landwirtschaftstisch in diesem Frühling hat sich eine Arbeitsgruppe dreimal im Umweltministerium getroffen, um über das Thema zu diskutieren. Die Zusammenarbeit komme nur schleppend voran; das Dossier sei sehr technisch, zeigt sich der Präsident der Bauernzentrale ernüchtert.

Derzeit laufen allerdings sieben Pilotprojekte, die Aufschluss darüber geben sollen, wie die Genehmigungsprozeduren vereinfacht werden können. „Die Umsetzung des guichet unique wird aber noch Monate dauern, es müssen unter anderem noch Datenschutzrechte geklärt werden“, erläutert Christian Hahn, Präsident der Landwirtschaftskammer. Möglicherweise wird es jedoch bald zu Lockerungen bei den Genehmigungen von Weiterverarbeitungs- und Direktvermarktungsstrukturen kommen. Zwischen Landwirten und Umweltministerium sei zudem rege über die Abriss-Vorschrift von Gebäuden, in denen keine landwirtschaftliche Aktivität mehr stattfinden, diskutiert worden. „Hier könnten die Möglichkeiten, diese Gebäude anders zu nutzen, flexibler gestaltet werden“, urteilt Hahn.

Unter der blau-rot-grünen Regierung wurden 27 Prozent der Landesfläche als Naturschutzzone registriert – diese Zonen sollen das Grundwasser, die Böden und die Biodiversität schützen. Landwirte aber sehen sich in ihrem Handeln und ihrem Innovationswillen eingeschränkt. Als Oppositionspolitikerin eilte Martine Hansen (CSV) den Landwirten in ihrer Kritik zur Seite. Und als Landwirtschaftsministerin gibt sie sich weiterhin als Interessenvertreterin des Sektors. Christian Hahn sagte Ende Juli gegenüber dem Lëtzebuerger Bauer, in ihrer Funktion versuche Hansen, die Landwirte weiterhin zu unterstützen. Sie „ist auf unserer Wellenlänge“.

Vor zwei Jahren verteidigten die Grünen gegenüber dem Land das Naturschutzgesetz: Es sei recht flexibel und erlaube auch Nebenerwerbstätigen das Imkern, die Tierhaltung und den Gemüseanbau. Laut Gesetz ist es zudem möglich, einen Aussiedlerhof in einer Grünzone zu bauen, nur sieht es vor, dass auf verhältnismäßige Dimensionen zu achten ist. Genehmigungen werden zudem auf die konkreten Gegebenheiten eines Standorts abgestimmt – ein Leitfaden gibt hierbei Orientierung. Eigentlich soll dies eine individuelle Handhabung der Bauprojekte ermöglichen. Dennoch ist diese Vorgehensweise Christian Wester nicht recht: Man bedürfe eines Konsens, „der geeignet ist, der betrieblichen Komplexität und individuellen Situation eines Betriebs Rechnung zu tragen“, wie er im März während der Generalversammlung der Bauernzentrale sagte.

Rund um das Naturschutzgesetz kochen immer wieder Debatten hoch. 2006 wetterte die Bauernzentrale über die „fundamentalistischen Einstellungen“ und die „Kompromisslosigkeit“ eines Gesetzentwurfes und forderte, dass der zuständige Beamte Jean-Paul Kirpach von seiner Verantwortung entbunden wird, wie die Revue schrieb Damals ging es um den Schutz von „potenziellen Biotopen“, eine Wortwendung die auch dem Mouvement Ecologique zu weit ging. Mittlerweile verlangt das Gesetz weniger Impaktstudien, der Biotopenschutz wurde gelockert und jeder Bau wird anerkannt, dessen illegaler Status nicht innerhalb von fünf Jahren nach Fertigstellung beanstandet wurde. Das Gesetz sorgt nun für Aufregung rund um den Bau in Grünzonen. Umweltschutz ist eine Dauerfront. Hier prallen gelegentlich Partikular- und Allgemeininteressen aufeinander. Unterschiedliche Lobbyverbände mischen in der parteipolitischen Arena mit. Sie wollen Abstimmungen im Parlament beeinflussen und die Öffentlichkeit durch den Vorwurf der ‚Willkür‘ auf ihre Seite ziehen.

Nachdem Serge Wilmes (CSV) ins Umweltministerium eingezogen war, verkündete er, das Ministerium solle nun nicht mehr „als Verhinderungsministerium, sondern als Gestaltungsministerium“ betrachtet werden. Das Narrativ von umweltfreundlicher Verbotspolitik zog seine Runden. Aber sieht man sich die Anzahl an eingereichten Anträgen von September 2018 bis März 2024 an, fällt auf, dass nur 5 Prozent abgelehnt wurden. So geht es aus einer parlamentarischen Anfrage von Luc Emering (DP) und André Bauler (DP) hervor, die Umweltminister Wilmes Ende Juni beantwortete. Insgesamt wurden 19 535 Dossiers eingereicht, 7 600 betrafen landwirtschaftliche Gebäude, andere den Bau von Radwegen oder die Verlegung von Leitungen, eine genaue Auflistung nach Sektor sei aus informatischen Gründen jedoch nicht möglich, heißt es aus dem Ministerium. Für 70 Prozent der Anfragen lag zudem innerhalb von sechs Monaten eine Antwort vor – also innerhalb des vorgesehenen Prozedurenzeitraums. Dauerte es länger, lag dies zumeist daran, dass der Antragsteller bestimmte Dokumente nicht eingereicht hatte. Das klingt nicht nach Willkür.

Stéphanie Majerus
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