Warnstreik der Eisenbahner

Taktik und Strategie

d'Lëtzebuerger Land du 15.05.2003

Der Warnstreik der Eisenbahner vor einer Woche war ein Erfolg. Er erwischte die CFL-Direktion eiskalt. Denn am Montag danach hätte es so laufen können: Der CFL-Verwaltungsrat trifft sich, und die Direktion präsentiert ihr Strategiekonzept wie vorgesehen. Es betont offensiv die Rolle der CFL im nationalen Personentrans-port. Es nimmt aber vor allem auch Bezug auf die Bersorgnis erregende Lage im Frachtverkehr, wo das Defizit wächst und wächst, und zeigt, wie die CFL sich in einem 400-Kilometer-Aktionsradius positionieren wollen - als ein kleiner, aber flexiblerer Anbieter, als große Bahnen es sind. Abgeleitet werden daraus auch Anforderungen an das Personal, Begriffe wie "Flexibilität" oder "Polyvalenz" erhalten jetzt ihre Begründung, wo sie vorher nur für Feuerwehraktionen der Direktion standen, die ihre Kosten in den Griff bekommen muss. Endlich gibt es etwas, worüber sich mit den Gewerkschaften zu streiten lohnt. Die Ankündigung, unbefristet streiken zu wollen, erscheint jetzt deutlich verfrüht. Doch es kam anders am Montag. Die Bekanntgabe des Strategiepapiers wurde auf den nächsten Monat vertagt.

Doch leider wird seit fast zwei Jahren schon immer wieder vertagt. Konnte die Bahndirektion vorher nicht ohne Grund den Gewerkschaften übertriebenes Besitzstandsdenken vorwerfen, konnte auch der Transportminister nicht ohne Grund behaupten, manche der vielen insbesondere von der FNCTTFEL erhobenen Forderungen stünden im Widerspruch zu seit Jahren geltendem EU-Recht, ist die Lage nun anders. Es sieht so aus, als hätten die Gewerkschaften das Personal am vergangenen Freitag zu Recht vor einem Management warnen müssen, das noch immer nicht weiß, wohin es die Bahn in Zukunft steuern will.

Der Erfolg ist damit taktischer Natur. Aber wie weiter? Stärker eingebunden werden möchte vor allem die FNCTTFEL in die Strategiesuche. Geht die Bahndirektion darauf ein, könnte der unbefristete Streik wahrscheinlich abgesetzt werden. Ein solches Engagement würde die Gewerkschaft allerdings binden. Dass eine Strategie, die dem Betrieb aus den roten Zahlen hilft, mit ihrer Mitwirkung rascher gefunden werden kann, ist bislang noch nicht bewiesen. Weitere Vertagungen aber verträgt die Bahn nicht.

 

Peter Feist
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