Heute loben wir das Jahr der Verbote. Das Schicksal der Nichtraucher ist grausam und erschütternd. Die entsprechenden Untersuchungen und Forschungen laufen auf ein schlimmes Fazit hinaus: Alle Nichtraucher sterben. In den letzten vier Jahrhunderten ist kein einziger Nichtraucher dem Tod entronnen. Natürlich sterben auch die Raucher, keine Frage. Doch zwischen Rauchern und Nichtrauchern gibt es am bitteren Ende nicht den geringsten Unterschied. Alle zerfallen zu Staub. Oder zu Asche, je nachdem. Es fragt sich also, wie die Regierung darauf kommt, das Rauchen als Ausdruck arg befristeter Geselligkeit zu verbieten.
Fortan werden in den Gaststätten also nur mehr Nichtraucher toleriert. Die politisch Korrekten werden völlig rauchfrei ihrem Ende entgegenstreben. Wo ist hier ein Fortschritt auszumachen? Der erzwungene Verzicht aufs Rauchen wird den maßlosen Alkoholkonsum befeuern, da freuen sich die Drogenhändler aus dem Flüssigkeitsbereich. Kein Raucher wird es schaffen, ausgerechnet in einer Gaststätte durch und durch tugendhaft aufzutreten. Die Gaststätte ist ja auch ein öffentliches Lasterstübchen, das ist übrigens ihre einzige Berechtigung. Wenn wir nicht mehr über die Stränge schlagen dürfen, brauchen wir keine Gaststätten mehr. Dann können wir uns gleich zu Hause verbarrikadieren und von morgens bis abends den Rosenkranz beten. Dann steht nur mehr ein einziger Punkt auf unserer Tagesordnung: gezieltes Abtöten in weiser Voraussicht. Wir brauchen dann übrigens auch keine Bekleidungsindustrie mehr. Eine einzige kollektive Tracht wird genügen: wir laufen alle in Sack und Asche durch unsere desinfizierten Wohnungen. Das passt wunderbar zum Nichtraucherstatus.
Vielleicht wird es die Gastwirte freuen, dass demnächst der Saufpegel in ihren Räumlichkeiten drastisch steigt. Alle zum Nichtrauchen verdammten Gäste werden aus Verzweiflung maßlos drauflos saufen. Anders lässt sich die Beschneidung persönlichen Genusses nicht verkraften. Ökonomisch macht der kommende Alkoholtsunami Sinn. Da rollt der Rubel, da fließt der hochprozentige Sturzbach. Europaweit gelten wir ja längst als die versoffenste Nation überhaupt. Diese Leistung können wir noch steigern. Der Rauchverzicht führt zur Alkoholübertreibung. Vielleicht werden wir ja noch Weltmeister in der obersten Trunkenboldliga. Das wäre dann ein kluges Kalkül unserer Regierung. Eine Art feuchtfröhliche Ankurbelung der Kompetitivität. Die Gaststätten werden demnächst vermutlich unser liebstes Konjunkturbarometer sein.
Die Propagandisten des Nichtrauchens sagen uns: „Raucher sterben früher.“ Früher als was? Wir kennen sehr viele kategorische Nichtraucher, die „früher“ gestorben sind. Weil sie trotz ihres extrem gesunden Lebenswandels plötzlich ins Jenseits entschwunden sind. Sie stürzen zu Tode im eigenen Treppenhaus, der Sturm schleudert ihnen einen abgerissenen Ast ins Genick, sie verenden an einer Lebensmittelvergiftung. Vielleicht war der allerletzte Gedanke all dieser frühen Todeskandidaten: „Hätte ich doch wenigstens in meinem Leben ein bisschen geraucht! Jetzt ist alles vorbei, und ich habe nicht ein einziges Mal vom Tabak genascht!“
Jetzt wollen wir mal Nägel mit Köpfen machen, liebe Regierung. Viel riskanter als das Rauchen ist das Leben selbst. Oder anders gesagt: Nichts ist lebensgefährlicher als das Leben. Alle Statistiken zeigen: das bare Leben führt unweigerlich zum Tod. Das Leben an sich ist eindeutig die globale Todesursache. Wir sollten also nicht das Rauchen verbieten, sondern das Leben. Das wäre eine höchst nachhaltige Entscheidung, ökologisch gerechtfertigt, sozialdemokratisch sinnvoll und liberal inspiriert. Wir hätten es mit der großen Gesellschaftsreform schlechthin zu tun. Die Regierung veröffentlicht einfach ein Dekret, das uns eintrichtert: Ab jetzt ist das Leben untersagt. Denn es führt schnurstracks in die Katastrophe namens Tod.
Ob wir also in unserem todgeweihten Leben rauchen oder nicht rauchen, ist vollends unerheblich. Ein Rauchverbot in den Gaststätten erinnert an den grotesken Versuch, eine Subkategorie der Lebensgefahr ungebührlich aufzublähen. Raucher sind intelligente Menschen. Sie wissen, dass sie seit ihrer Geburt am Sterben sind. Das qualifiziert sie als gelassene Philosophen. Die Zigarette oder Zigarre ist tatsächlich ein philosophisches Emblem: das Leben verglimmt, alles löst sich in Rauch auf, es bleibt nichts weiter als ein lächerliches Wölkchen blauer Dunst. Nichtraucher hingegen sind in der Regel sture Böcke. Irgendwie glauben sie an ein ewiges Leben. Sie möchten den Durchblick behalten und hassen den rauchverhangenen Horizont. Sie haben offenbar noch nie davon gehört, dass man hundertprozentig gesund sterben kann. Radikale Gesundheit provoziert regelrecht den Tod. Da ist es ja buchstäblich ein Trost, ganz bewusst ein wenig ungesund zu leben.
Jede Gaststätte ist ohnehin ein kleines, gemütliches Leichenschauhaus auf Vorrat. Warum sollten wir uns künftigen Kadavern auch noch die Freude am Rauchen nehmen? So. Das war der letzte Satz für heute. Jetzt wird geraucht.