Gesellschaftlicher Wandel

Orkan Xaver, wilder Wüterich

d'Lëtzebuerger Land vom 13.12.2013

Heute loben wir den gesellschaftlichen Wandel. Wir trauten unseren Ohren und Augen nicht, als bei der Vereidigung im Palast alle Regierungsmitglieder laut und deutlich dem Herrn Großherzog ins Gesicht sagten: „Je jure fidelité au peuple luxembourgeois.“ Vor lauter Erregung über die fröhlich subversive Formel verhedderte sich sogar Außenminister Jean Asselborn im Text. Dann fügte er wörtlich hinzu: „Et war e bëssen anescht, mee et ass awer gutt.“ Dem Herrn Großherzog, diesem Meister der zeremoniellen Steifheit, rasselte fast die Schminke aus dem Gesicht ob so viel unbekümmerter Verfassungsinterpretationsdivergenz. Immerhin muss man der neuen Regierung Konsequenz und politische Courage bescheinigen. Sie hat den Herrn Monarchen gleich bei ihrem Antritt an einen wesentlichen Grundsatz erinnert: Das Volk ist der Souverän. Und nur diesem Souverän ist die Regierung verpflichtet.

Früher begann die Eidesformel mit dem Satz: „Je jure fidélité au Grand-Duc.“ Eine derart widersprüchliche Formulierung konnte sich diese Regierung, die ja nachdrücklich eine umfassende Demokratisierung in Aussicht stellt, natürlich beim besten Willen nicht mehr leisten. Der Herr Großherzog verkörpert das exakte Gegenteil von Demokratie, er beruft sich auf ein okkultes Gottesgnadentum, um seine Sonderstellung außerhalb der rechtsstaatlichen Gepflogenheiten zu rechtfertigen. Damit verhöhnt er im Kern das Prinzip der demokratischen Chancengleichheit. Wenn wir die verbale Botschaft der Regierung recht verstehen, ist die Monarchie im demokratischen Staat Luxemburg nicht länger tragbar. Warum sollte die neue Koalition vor einem Popanz kuschen, der bestenfalls als surreale Kitschfigur aus der feudalen Rumpelkammer taugt? Wer auf partizipative Modelle des Zusammenlebens setzt, darf die Bürger nicht von vorneherein in bestimmten Bereichen ausschließen. Das angekündigte Vorhaben der Regierung, im Jahr 2015 ein Referendum zu veranstalten über die Abschaffung der Monarchie und die Einführung der republikanischen Staatsform, ist demnach nur folgerichtig.

Selbstverständlich soll der Herr Monarch künftig nicht arbeitslos werden, genauso wenig wie die theatralisch aufbegehrenden Katechetinnen und Katecheten. Wir schlagen vor, die abgetakelte Monarchie als potenziellen Devisenbeschaffer ins Tourismusministerium einzubinden. Man könnte eine Disneyland-Filiale im Großherzogtum ansiedeln und so der gesamten Dynastie einen lukrativen Job verschaffen. Im Stundentakt könnte die großherzogliche Familie nebst emblematischer Mickymaus auf dem bunten Sperrholzbalkon erscheinen, ganzen Bataillonen von chinesischen Touristen huldvoll zuwinken und zum Schluss vielleicht im adeligen Jägerlook wie weiland im realen Herrscherleben ein paar Styropor-Hirsche erschießen. Es würde des Jubels kein Ende sein, und die chinesischen Gäste würden mit frischem Impetus die Luxusboutiquen in der Multiplicity heimsuchen. Im hauptstädtischen Palast, genau wie in den diversen ehemaligen Schlössern der Familie, würden inzwischen Studenten wohnen, sozial schwache Familien, Künstler und andere Bedürftige.

Überhaupt besticht das Koalitionsabkommen durch brillante Kohärenz. Wer die ungerechtfertigte Vormachtstellung der katholischen Kirche brechen möchte, kann die Monarchie nicht aussparen. Sie ist sozusagen die letzte Wagenburg der religiösen Fundamentalisten. Wenn beispielsweise die Prinzen reisen, nehmen sie sich systematisch heraus, Luxemburg im Ausland als Oase der Gottesfürchtigen zu verkaufen. Sie tuscheln mit dem Papst, sie lassen sich vom Skandalbischof Tebartz-Van Elst den verschwenderischen Domschatz vorführen, sie reisen mit Erzbischof Sushimaki nach Japan zum Jubiläum einer erzkatholischen Universität. Sie repräsentieren also exklusiv die katholische Fraktion des Volkes, was dem programmatischen Bekenntnis des Premiers, Luxemburg sei ein pluralistisches Land, krass zuwiderläuft. Bis zur Durchführung des Referendums will die Regierung daher zunächst diese ungebührlichen Propagandareisen in Gottes Namen gehörig eindämmen.

In einem Arbeitspapier der Regierung gehen gleich drei verschiedene Minister auf die praktischen Klauseln dieser Reisebeschränkung ein. Die Prinzen sollen demzufolge in den Genuss einer integralen Arbeitslosenkarriere kommen, zu Schulungs- und Einsichtszwecken. Wenn sie also reisen möchten, müssen sie sich ihr Budget zunächst einmal hart erarbeiten, genau wie sehr viele Bürger, denen der Arbeitsmarkt hierzulande versperrt bleibt. Wie wir hören, soll dieser „Erlass zur Sozialisierung der Monarchie“ vor allem bei Minister Bausch wahre Stürme der Begeisterung auslösen. Der maoistische Touch der Maßnahme erinnert ihn an alte Gründerzeiten, wo die Grünen lauthals die radikale Abschaffung der Monarchie forderten. Jetzt ist es soweit, jetzt sind sie in Amt und Würden, jetzt verfügen sie über die Machtinstrumente. Ehrlich gesagt, soviel Umsturz hatten wir uns gar nicht erwartet. Man hatte uns einen gemütlichen neie Wand versprochen, jetzt bläst mit Caracho ein Orkan. Unser Glück ist kaum zu fassen.

Guy Rewenig
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