Düdelingen ist der Stolz der LSAP. Die Düdelinger ist eine der größten Lokalsektionen der Partei. Eine der letzten, die über eine absolute Mehrheit im Gemeinderat verfügt. Der Chef des Düdelinger OGBL-Büros, Tom Jungen, ist zugleich Generalsekretär der LSAP. In Düdelingen war die Linke meist etwas rechter. Ihr politisches Programm ist der Lokalpatriotismus.
Es gibt ein schönes Foto von Bürgermeister Dan Biancalana. Es zeigt den Kriminologen, wie er am 24. September 2019 als Arbeiterheld mit erhobener Faust vor dem Galvanisierungswerk steht. Zu seiner Rechten reckt Sanjeev Gupta ebenfalls die Faust.
Auch Sanjeev Gupta tritt als Arbeiterheld auf. Er ist aber kein Lokalpatriot. Er lebt zwischen London und Dubai, besitzt Anwesen in Schottland, Wales und Sidney. In Düdelingen ließ er sich als neuer Hausherr herumführen. Das Galvanisierungswerk ist der bescheidene Rest des 1882 gegründeten Eisenhütten-Actien-Vereins Düdelingen, seiner Hochöfen, Walzstraßen und seines Thomas-Stahlwerks. Ein Andenken an das „D“ am Ende von „Arbed“.
Sanjeev Gupta und Lakshmi Mittal suchen den kürzesten Weg, um aus Erz Geld zu machen. Das ist ein riskantes, zyklisches Gewerbe, das riesige Mengen fixen Kapitals verlangt. Deshalb riskieren beide am liebsten anderer Leute Kapital.
Lakshmi Mittal kaufte 2018 die italienische Stahlgruppe Ilva mit dem größten Werk Europas in Taranto. In Taranto sterben zehn bis 15 Prozent der Menschen früher als im restlichen Italien. Der Staat bescheinigte dem Besitzer der Anlagen, dass er nicht für die Massenvergiftung zu haften hat.
Der Konkurrenzkampf ist die Religion der Europäischen Union. Er zwingt zur Senkung der Kosten und Löhne. Deshalb hatte die Europäische Kommission verlangt, dass Lakshmi Mittal beim Kauf von Ilva andere Werke in Europa verkauft. Lakshmi Mittal bot unter anderen seine Düdelinger Fabrik feil. Sanjeev Gupta kaufte sie.
Nach dem Vorbild Lakshmi Mittals kauft Sanjeev Gupta seit einigen Jahren günstig Hütten in aller Welt. Gegen staatliche Zuschüsse und Bürgschaften geht beiden die Aneignung fremden Mehrwerts als Akt der Nächstenliebe durch. Sie versprechen verzweifelten Stahlarbeitern und Lokalpolitikern, Arbeitsplätze zu erhalten, modisch auch „grünen Stahl“.
Niemand wusste so recht, wo Sanjeev Gupta das Geld hernahm. Aber in Düdelingen standen die Kaufinteressenten nicht Schlange. Deshalb wollten Lakshmi Mittal, der Wirtschaftsminister und der Bürgermeister es lieber nicht so
genau wissen.
Sanjeev Guptas Liberty Steel verpfändete ihre erhofften Profite bei der Startup Greensill Capital: „Bei einigen von Arcelor-Mittal übernommenen Stahlwerken wurden künftige Einnahmen von mehreren Jahren vorgestreckt“ (F.A.Z., 23.3.21). Greensill übernahm ausstehende Kundenrechnungen. Auch von Kunden, die es gar nicht gab. Der Crédit Suisse verkaufte die Schulden als Investitionsfonds. Aber vielleicht ist Finanzialisierung an sich eine einzige Ponzi-Pyramide.
Nun ist Greensill bankrott und Sanjeev Gupta ohne Geld. Am 5. März erhielt LSAP-Wirtschaftsminister Franz Fayot einen Brief von Sanjeev Gupta. Darin habe dieser die „Probleemer vu Greensill konfirméiert“. Aber betont, dass „déi aktuell Situatioun vu Greensill keen Impakt op d’Aktivitéit vu Liberty Steel Group huet, insbesonnesch och net op hir Presenz zu Diddeleng“. Das erklärte der gut gelaunte Minister am 9. März dem Parlament. Als Geschäftsanwalt mit Erfahrung in der Liquidation von Gesellschaften weiß er es natürlich besser.
Nur zwei Tage später empfingen Franz Fayot und Arbeitsminister Dan Kersch Gewerkschaftsvertreter. Die sozialdemokratischen Minister versicherten, dass der Staat bereit sei, für Kredite zu bürgen, um den Betrieb in Düdelingen aufrechtzuerhalten. Damit Lakshmi Mittal weiter Rohbleche zur Verzinkung an Sanjeev Gupta verkaufen kann.