„I never knew the old Vienna before the war“, beginnt der Film The Third Man.„ I really got to know it in the classic period of the black market. We’d run anything if people wanted it enough. And had the money to pay.“ Später fragt ein britischer Major den Helden: „Have you ever heard of penicillin? In Vienna there hasn’t been enough penicillin to go round. So a nice trade started here...“
In Luxemburg gibt es seit Monaten mehr Leute, die gegen Covid-19 geimpft werden wollen, als Impfdosen verfügbar sind. Wenn die Nachfrage das Angebot übertrifft, steigt laut Lehrbuch der Marktpreis. Bis die Impfdosen so teuer sind, dass sich nicht mehr Leute eine Impfung leisten können, als Impfstoff verfügbar ist. Und die anderen vielleicht tot sind. Dann erreicht der Markt ein Gleichgewicht.
Ein Markt ist kein Naturgesetz, sondern eine gesellschaftliche Abmachung. Beim Ankauf von Impfstoff respektiert die Europäische Union die Marktgepflogenheiten. Für den Verkauf des Impfstoffs hat die Regierung den Markt abgesagt.
Die begrenzte Zahl von Covid-19-Impfungen bloß Porsche- und Tesla-Fahrern zu überlassen, wäre politisch schwer durchsetzbar. Vor allem ist kein Ende der sanitären und wirtschaftlichen Krise abzusehen, wenn nur Oberschichten geimpft sind. Worunter diese wiederum litten.
Deshalb setzte die Regierung den Preis und die Verteilung der Impfdosen staatlich fest: Den Einzelhandelspreis fixierte sie auf null. Die Verteilung geschieht auf persönliche Einladung, nach Altersgruppen mit einem Vorrang für Pflegepersonal und Risikopatienten.
Wenn Mangel herrscht und der Staat die Preise und Mengen wichtiger Waren bestimmt, entsteht oft „a nice trade”, ein Schwarzmarkt. Etwa in Kriegszeiten. Wurde nicht wiederholt der „Krieg gegen das Virus“ ausgerufen? Der Schwarzmarkt ist die hemmungslose Geschäftstüchtigkeit, der Liberalismus in seiner rohsten Form.
Die Hôpitaux Robert Schuman gelten als geschäftstüchtig. Generaldirektor Claude Schummer hatte sich ausgerechnet: „La question était de savoir s’il était possible d’obtenir des vaccins supplémentaires. J’ai un contact chez Pfizer. De manière informelle, j’ai demandé le 5 janvier s’il était possible de se faire livrer hors marchés publics“ (L’Essentiel, 16.3.2021). Als Kunden wären laut Rundfunkberichten zahlungskräftige Unternehmen in Betracht gekommen. Sie hätten sich von der frühzeitigen Impfung ihrer Führungsleute oder Belegschaften einen Wettbewerbsvorteil versprechen dürfen.
Der mit dem Nobelpreis belohnte Friedman-Schüler Gary Becker veröffentlichte wenige Monate vor seinem Tod den Beitrag „Cash for Kidneys: The Case for a Market for Organs“ im Wall Street Journal (18.1.2014): „[S]ufficient payment to kidney donors would increase the supply of kidneys by a large percentage, without greatly increasing the total cost of a kidney transplant.“
Aus dem „nice trade” des Krankenhausdirektors wurde nichts. Gemessen am Reputationsrisiko war der Extraprofit für die Lieferanten zu gering. „Of course a situation like that doesn’t tempt amateurs”, meint der Erzähler in The Third Man. „You know, they can’t stay the course like a professional.”
Am 10. März verpfiff die Lobby der medizinischen Kleinunternehmer ihren ehemaligen Generalsekretär. Er war zu den medizinischen Großunternehmern übergelaufen. Hämisch beglückwünschte die AMMD die „Hôpitaux Robert Schuman pour avoir actionné une démarche d’organiser des doses supplémentaires de vaccin“.
Der Generaldirektor wurde gefeuert. Wäre das Geschäft gelungen, würde er gefeiert. Denn „[l]e président du conseil d’administration était au courant. Et si j’ai parlé de 200 000 doses, ma hiérarchie avait des ambitions encore plus importantes. Peut-être 6 millions de doses.“ In Spionagefilmen erklärt der Geheimdienst seinem Agenten, dass er ihn nie gekannt hat, wenn die riskante Mission auffliegt.