Wer sich auf Blackout einlässt, braucht starke Nerven! Claire Thill hat sich am Genre des Horrorfilms inspiriert und einmal tief in die Mottenkiste gegriffen, so scheint es. Sie jongliert in ihrer düsteren Inszenierung mit Anspielungen an bekannte Horrorfilme wie Shining und lässt die Puppen im Kapuzinertheater tanzen. Das Resultat ist eine gruselige Show, die ein diffuses Gefühl der Beklemmung hinterlässt ...
Gelungen ist Blackout vor allem dramaturgisch. Die Bühne liegt im Dunkeln, eine bedrohliche Ansprache läutet die apokalyptische Atmosphäre des Stücks ein. Anfangs kauert eine Frau im gelben Regenmantel noch wie eine zusammengefallene Puppe in den Zuschauerreihen, dann steht sie auf einmal auf der Bühne. Neben ihr ihr Zwilling. Das Schwesternpaar wird sich etwas zuraunen, auf Japanisch murmelt Sayoko Onishi unverständliche Formeln – während Marc Baum als Wetterexperte Bernhard Bergdahl, ein Fernsehmoderator mit Hang zu schlechten Witzen („Esst auf, Kinder, sonst gibt es morgen kein gutes Wetter, haben wir den Kindern immer gesagt. Das Resultat der Klimaerwärmung: fette Kinder!“), mit ausufernden Gesten den Zuschauern seiner Sendung die Wetterlage präsentiert. Der Meteorologe Bergdahl nimmt seine Arbeit ernst. Er liebt und lebt seinen Job. „Ich war und bin ein glücklicher Mensch“, plappert er selbstgewiss vor sich hin, obwohl ihn längst eine dunkle Vorahnung beschlichen hat. Die anhaltende Hitze will nicht abnehmen. Kein Wölkchen in Sicht! Stattdessen taucht Katharina Wuest (Larisa Faber), Mitarbeiterin für meteorologische Sonderfälle (AMS), wie aus dem Nichts auf und bezirzt den schwitzenden Wetterfrosch. Doppelbödig ist ihr Geplänkel um Erderwärmung. Die Bedrohung liegt in der Luft. Auf ein Hoch folgt bekanntlich ein Tief. Und während Tiefdruck Melancholia längst im Anmarsch ist, zerstreut Wuest Bergdahls Sorgen, währenddessen sie mit einem Pflanzen-Befeuchter durch die Gegend sprüht.
Die schneidige Agentur-Dame trimmt den verstörten Meteorologen auf Optimismus, doch irgendetwas ist unheimlich an ihrem Spiel. Die Heimsuchung geschieht schleichend und subtil. An einem kleinen ausgetrockneten Blumenbeet am vorderen Bühnenrand kniet der Meteorologe mit Schweißperlen auf der Stirn in der Vorahnung der nahenden Klimakatastrophe. Der Mensch erscheint angesichts der Naturgewalt machtlos. Die Dialoge sind meist gescheit und doppelbödig. „Das ist doch kein Thea-
terspektakel über das Wetter!“ Die Ironie der Wortspiele wissen Larisa Faber und Marc Baum nuanciert zu interpretieren. Die Agentur meldet die nahende Erlösung durch das Tief Melancholia, den ersehnten Regen, während Bergdahl schwitzend von gigantischen Spinnenwesen halluziniert.
Ein Vulkan brodelt auf dem Bildschirm, Katharina Wuest fletscht die Zähne wie ein Werwolf, während das Schwestern-Duo davor warnt, dass die Zeit ablaufe. Finstere Zeiten schufen von je her Raum für Kreativität. Die apokalyptische Stimmung 1816, dem Jahr ohne Sommer, inspirierte Mary Shelley zu Frankenstein und Lord Byron zu Die Finsternis, heißt es im Stück. Claire Thill knüpft an diese Traditionen an und schöpft aus dem Fundus politischer Vorfälle der vergangenen Jahre, um dem Publikum den Spiegel vorzuhalten. Die nahende Klimakatastrophe ist in Blackout nur die große Klammer. Spätestens, wenn es auf der Bühne blitzt und donnert und den zuckenden Schwestern wie Mörderpuppen das Blut aus den Mundwinkeln rinnt und Bernhard Bergdahl mit flimmerndem Blick in den Wahnsinn abgleitet, fühlt man sich auch als Publikum heimgesucht – vorausgesetzt natürlich, man lässt sich auf das Gruselspektakel ein wie auf eine Geisterbahnfahrt. Der Butoh-Tanz Sayoko Onishis verstärkt die Beklemmung. Gruselstücke sind sicher nicht jedermanns Sache, doch auf der Ebene der Effekte hat Claire Thill mit Blackout ein kunstvolles Bühnenstück geschaffen, das beeindruckt. Faber und Baum überzeugen in ihren Rollen. Wenn die schöne Wetterfee am Ende das Zepter übernimmt, ist der Realitätsverlust perfekt!