klasseNklima Und Wohlbefinden

Mauern zwischen uns

d'Lëtzebuerger Land du 02.04.2021

Abseits von der Route, die die Hauptstadt mit der Moselgemeinde Remich verbindet, liegt der kleine Ort Trintingen. Er gehört zur Kommune Waldbredimus. Es ist Mittagspause, die Kinder spielen im Schulhof. Wären nicht die Masken, würde man meinen: Hier ist die Welt noch in Ordnung.
„Wir haben versucht, den Kleinen so viel Normalität wie möglich zu bieten“, beschreiben die Lehrerinnen Laurence Serres und Anne Weber das Leitmotiv, das ihren Unterricht seit dem Lockdown im Frühjahr 2020 prägt. Wir sitzen im Klassenzimmer des Zyklus 2.2. mit kniehohen Pulten, auf denen Griffelmappen liegen, Zwergenstühlen und bunten Zeichnungen an der Wand. „Bei uns ist Corona kaum mehr Thema“, sagt Serres. Wie an anderen Schulen teilt eine Linie den Flur der Dorfschule auf, um zu verhindern, dass die rund 120 Kinder durcheinanderlaufen. Überall stehen Spender, damit sich Groß und Klein die Hände desinfizieren. „Das ist inzwischen alles Routine“, unterstreicht Anne Weber.

Als nach den Fastnachtsferien Bildungsminister Claude Meisch angeordnet hatte, wegen der ansteckenderen britischen Variante und hoher Infektionszahlen müssten künftig auch die Kinder im Zyklus 2.2. im Klassensaal den Mund-Nasen-Schutz aufbehalten, „haben sich einige bei uns zunächst beschwert“, erinnert sich Serres. Die beiden Lehrerinnen tragen auch während des Interviews einen Mund-Nasen-Schutz. „Als wir ihnen erklärt haben, warum wir die Maske tragen, hatten sie aber Verständnis. Inzwischen gehört die Maske zum Schulalltag dazu.“

Zu Beginn der Pandemie waren auch die Lehrerinnen verunsichert: „In den ersten Monaten wusste niemand, wie ansteckend und gefährlich das Virus ist.“ Der abrupte Wechsel vom Präsenz- zum digitalen Distanzunterricht war auch eine Herausforderung. Wie würden die Eltern reagieren? Oft dazu mehrfach belastet durch Homeschooling und Homeoffice? Sind es zu viele Hausaufgaben oder sind diese zu schwer? Bald stellte sich ein Rhythmus ein. Wer kein Tablet hatte, bekam Aufgaben auf Papier für die jeweilige Woche am Schultor überreicht. Tablets wurden kurzerhand nachhause ausgeliehen. „Wir haben unsere Materialien zusammengesucht. Zum Teil waren das Einheiten aus dem Vorjahr, die wir digital aufbereitet haben.“ Was an technischem Knowhow fehlte, haben sich die beiden selbst beigebracht.

Doch obwohl sie sich um Normalität bemühen, so wie vor der Pandemie ist es nicht: „Wir unterrichten normalerweise viel in Gruppen und mit Projektarbeit. Das geht jetzt nicht mehr“, bedauert Lehrerin Anne Weber. Man sei auf den Frontalunterricht zurückgeworfen, „weil wir Abstand halten müssen. Das ist nicht so schön“. Vor der Pandemie standen Zweiertische in dem lichtdurchfluteten Klassensaal nebeneinander, jetzt sitzt jede/r einzeln an seinem Tisch. „Damit sich die Kinder wohlfühlen, haben wir sie so gestellt, dass sie ihren Freund oder Freundin links oder rechts neben sich haben“, sagt Weber.

Auch sonst versuchen die Lehrerinnen, den Bedürfnissen der Kinder so gut es geht entgegenzukommen. Im Fach Vieso (Leben und Gesellschaft), in denen Kinder altersgerecht gesellschaftlich relevante Themen aufarbeiten, reden sie regelmäßig über das Klima in der Klasse. „Wir versuchen, die Kinder dafür zu sensibilisieren, ob jemand ausgeschlossen wird“, erzählt Serres. Anlass für das regelmäßige Stimmungsthermometer war ein Kind, das sich traurig beklagt hatte, es fühle sich nicht zugehörig. „Die Schüler wirken sensibler und dünnhäutiger.“ Ob das wegen der Pandemie sei, können die beiden nicht mit Sicherheit sagen. „Wir versuchen jedenfalls, darauf einzugehen“, bekräftigt Weber. Mit dem Bilderbuch Die Mauer, in dem ein König eine Mauer um sein Reich baut, um Fremde zu vertreiben, erforschen die Schüler/innen, wie Gemeinschaft und Vielfalt stärker machen.

Jeden Freitagnachmittag schließen Serres und Weber die Woche mit einer Übung ab, bei der sich Kinder gegenseitig für ein erreichtes Ziel loben. Das kann eine tolle Zeichnung sein, eine gut gelöste Aufgabe oder eine Geste der Hilfsbereitschaft. „Die Idee, ist, dass die Woche für jedes Kind positiv endet. Damit sie mit einem guten Gefühl ins Wochenende starten“, sagt Serres. „Die Zeiten sind anstrengend genug.“.

Ines Kurschat
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