Grüne

Die glücklichste Armee der Welt

d'Lëtzebuerger Land vom 07.12.2018

217 Delegierte der Grünen füllen am Dienstagabend den kleinen Saal Nic Klecker im Kulturzentrum Neumünster, wo die Partei schon 2013 ihren Einzug in die erste Regierungskoalition mit DP und LSAP gefeiert hat. Wenngleich diesmal die berauschende Wirkung einer Premiere fehlt, ist die Partystimmung kaum geringer. Parteipräsident Christian Kmiotek ruft allen noch mal in Erinnerung, wie das war am 14. Oktober: von zehn auf 15 Stimmenprozent zugelegt und von sechs auf neun Kammersitze. So gesehen, Wahlsieger. Und jetzt wieder in der Regierung, sofern der Kongress nichts dagegen hat. „Ich bin der glücklichste Parteipräsident Luxemburgs!“, berichtet Kmiotek, was wahrscheinlich gar nicht so übertrieben ist. Dass der Kongress begeistert applaudiert, deutet schon an, dass der Parteipräsident die Veranstaltung am Ende nicht unglücklicher verlassen dürfte.

Die grüne Parteispitze reklamiert für sich, dass „jede“ der 230 Seiten des Koalitionsabkommens „unser grünes Wasserzeichen trägt“, so ­Kmiotek. Doch dass Félix Braz, der grüne Verhandlungsführer in den Koalitionsgesprächen und Vizepremier in spe, jedes Kapitel des Vertrags erläutern muss, ist gar nicht nötig. Was die Delegierten elektrisiert, sind vor allem Öko-Themen. Die Nachricht, die Fuchsjagd bleibe verboten, ruft Applaus und „Yeah!“-Rufe hervor. Das Versprechen, die neu-alte Regierung werde im Rahmen von Euratom für den „definitiven Stopp“ von jeglicher öffentlicher Subventionierung der Atomenergie eintreten, lässt den Kongress jubeln. Als Félix Braz den „integralen Ausstieg“ aus der Nutzung des Herbizids Glyphosat in Luxemburg bis 2020 ankündigt und zwanzig Prozent Biolandbau bis dahin in Aussicht stellt, scheint die Begeisterung sogar noch größer.

Wer Wahlen gewonnen hat und gestärkt in eine Regierungskoalition geht, hat natürlich wenig Grund, sich infrage zu stellen. Doch kontrovers diskutiert wird auf Parteikongressen der Grünen schon lange nicht mehr. Debatten finden im Exekutivkomitee der Partei statt, auf den Kongressen trifft man sich vor allem und zelebriert den Zusammenhalt der grünen Familie. In den sozialen Netzwerken war debattiert worden, ob es eine gute Idee sei, dass François Bausch neben dem Transport- und dem Bauten-Ressort auch die für Verteidigung und Innere Sicherheit übernimmt. Hat es das überhaupt schon mal gegeben: einen grünen Verteidigungsminister, irgendwo sonst auf der Welt?

Doch die Sorge der Parteiführung, Friedensbewegte und Nato-Gegner unter den Delegierten könnten das zum Thema machen, erweist sich als unbegründet. Die Familie hält zusammen. Félix Braz spinnt die Erzählung von der Partei, die sich neuen Herausforderungen stellt und sich auch für Ressorts kompetent fühlt, „in denen die Menschen uns nicht spontan sehen“. Und sagt: „Ich wünschte, jede Armee auf dieser Welt hätte einen grünen Minister, aber den Fränz behalten wir lieber für uns!“ Das gefällt der Familie.

Doch sie will auch nicht wissen, inwieweit das Programm von Gambia 2.0 dazu beitragen werde, das Land aus der „Abhängigkeit von der Wachstumsspirale“ zu befreien – was immerhin die Kernaussage der Grünen im Wahlkampf war. Zurück in der Regierung, ist wieder Wachstumsmanagement angesagt, was auch eine Herausforderung ist, aber war es nicht François Bausch, der Landesplanungsminister und Wachstumsmanager, der zu gegebenem Zeitpunkt plötzlich fand, man müsse die Wachstumslogik grundsätzlich infrage stellen?

Egal. Heute ist Party, aber nicht Politik. Die Spritakzisen würden erhöht, schon ab nächstem Jahr und danach weiter. Der Kongress nimmt es von Félix Braz zur Kenntnis, der Klimaschutz erfordert das ja. Aber es stört auch keinen, dass Braz nur anfügt, „wir machen das natürlich nicht mit der Axt, das geht allmählich“. Der Aufstand der Gilets jaunes in Frankreich gegen die Akzisenerhöhungen dort hätte natürlich Gelegenheit sein können, etwas Sozialpolitisches zu äußern. Das Profil der Grünen dort zu schärfen, wo es schwer zu erkennen ist. Doch wenn das schon Félix Braz nicht einfällt, fällt es dem Kongress auch nicht ein. Ökologie reimt sich auf Technokratie.

Die einzige Wortmeldung des Abends kommt von Meris Sehovic, Ko-Vorsitzender der Jonk Gréng. Über seinem Lob für die Partei, die sich neuen Herausforderungen stellt, vergisst er um ein Haar, die Zustimmung der Jugendorganisation zu Koalitionsprogramm und Postenbesetzung mitzuteilen. Die jungen Grünen seien halt nicht wie die Jugendorganisationen „anderer Parteien“, ruft Christian Kmiotek in den Saal. Das Koalitionsabkommen nimmt der Kongress einstimmig an, die Postenbesetzung bei zwei Enthaltungen und zwei ungültigen Stimmen. Die Bettemburger Abgeordnete Josée ­Lorsché wird im selben Zug zur neuen Präsidentin der grünen Kammerfraktion gewählt. Damit herrscht auf den Spitzenposten, die der Kongress zu vergeben hatte, Geschlechterparität. Nun kann die Arbeit beginnen. Wenn alles klappt, wird das Bataillon auf dem Härebierg sogar zur glücklichsten Armee der Welt.

Peter Feist
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