Auf den sinkenden Bierkonsum reagieren die beiden großen Brauereien Diekirch und Bofferding unterschiedlich

Nablabs und Nolos

d'Lëtzebuerger Land vom 02.03.2018

Zwei Wochen, zwei neue Biersorten – vergangenen Mittwoch stellte Diekirch sein „0,0“ alkoholfreies Bier vor. Diesen Mittwoch enthüllte Bofferding das neue Battin Brune mit einem Alkoholgehalt von 7,2 Prozent. Obwohl die beiden neuen Luxemburger Biersorten am entgegengesetzten Ende der Skala liegen, was ihren Alkoholgehalt betrifft, sind sie eine Reaktion der Brauereien auf die gleiche Entwicklung: Es wird weniger Bier getrunken. „Du café au canapé“ nennt Arnold Blondeel, Direktor der Brauerei Diekirch, die Verlagerung. Die Verbraucher trinken weniger beim Wirt und dafür mehr zuhause. Um zwischen 3,5 und vier Prozent sei der Bierkonsum im Gaststätten- und Restaurantgewerbe vergangenes Jahr gefallen, berichtet Georges Lentz von Bofferding, dafür sei er zuhause um vier bis fünf Prozent gestiegen, wie die Brauer an den Verkaufszahlen aus dem Einzelhandel wissen. Zu einem Ausgleich führt das dennoch nicht. „In der Wirtschaft trinken die Leute mehr als daheim“, erklärt Lentz.

Wie sich die veränderten Trinkgewohnheiten in den vergangenen Jahrzehnten ausgewirkt haben, zeigen die Angaben des Statec zum lokalen Brauereigewerbe: Wurden 1975 noch 805 068 Hektoliter Bier in Luxemburg gebraut, waren es 2000 438 423 Hektoliter. Die Verkäufe fielen im gleichen Zeitraum von 787 201 auf 418 239 Hektoliter. Was die Situation für die einheimischen Brauereien darüber hinaus erschwert, sind die gestiegenen Bierimporte. „Die Hälfte des in Luxemburg verkauften Biers wird importiert“, sagt Lentz. Lediglich 44 247 Hektoliter Bier wurden 1975 nach Luxemburg importiert, während 373 953 exportiert wurden. 2000 begann das Verhältnis zwischen Im- und Export zu kippen und vergangenes Jahr wurden 307 605 Hektoliter importiert, während 130 016 exportiert wurden. „Der Trend ist ganz klar: Es gibt leichteres Bier und es gibt stärkeres Bier und dazwischen, da gibt es ein Problem“, so Lentz.

Bei AB Inbev, dem weltweit größten Brauereiunternehmen, zu dem auch Diekirch gehört, setzt man auf leichtes, beziehungsweise alkoholfreies Bier. Bis 2025 will die Gruppe 20 Prozent des Umsatzes mit so genannten Nablabs oder Nolos (non-alcoholic or low-alcoholic beers) machen. AB Inbev ist nicht der einzige große Bierkonzern, der in diese Richtung denkt. Heineken hat vergangenes Jahr mit Heineken 0.0 ebenfalls eine alkoholfreie Version einer der weltweit bekanntesten Biermarken überhaupt auf den Markt gebracht. AB Inbev setzt auf leichtere Versionen seiner lokal starken Marken. Denn wie Blondeel erklärt, gilt das konzernübergreifende Ziel jeweils für alle Märkte, in denen der Konzern aktiv ist. Damit reagiere man auf die Konsumentennachfrage, sagt Blondeel. Insgesamt hätten sich die Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher aus Sorge um die eigene Gesundheit verändert. „Das ist auch eine Frage der Generationen“, führt er aus. Besonders „Millenials“ würden sich bewusster ernähren. Dazu gehört auch ein eingeschränkter Alkoholkonsum.

Ob es auf den Erfolg jahrzehntelanger Kampagnen gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch oder zur Sensibilisierung in Bezug auf die Folgen von Übergewicht zurückzuführen ist? Oder darauf, dass die jungen Leute fast alles, was sie unternehmen mit ihren Smartphones in Bild und Video auf sozialen Netzwerken für die Ewigkeit festhalten und sich so nach einem überstandenen Kater allzeit vergegenwärtigen können, was sie angetrunken alles angestellt haben und so ständig unter Kontrolle sind? Auf jeden Fall ist das Image alkoholfreien Biers dabei, sich zu wandeln. Ein solches Bier in der Hand eines erwachsenen Mannes wäre bis vor kurzem als Hinweis auf überwundenen Alkoholismus gewertet worden. In der Hand einer Frau als Beleg für eine Schwangerschaft. Warum würde sonst jemand Bier ohne Alkohol trinken, ein Ersatzprodukt? Doch Umfragen zeigen, dass es zunehmend als eigenständiges Produkt angesehen wird, das nicht aus Verzichtsgründen getrunken wird. Das Marktforschungsinstitut Mintel veröffentlichte rechtzeitig zum Auftakt des vergangenen Oktoberfests in der Bierhauptstadt München neue Umfrageergebnisse, die zeigen, dass drei von zehn jungen Menschen finden, Bier ohne Alkohol schmecke ihnen genauso gut wie richtiges Bier. Dem Statistikdienstleister Statista zufolge tranken vergangenes Jahr mehr als zehn Millionen Deutsche im Alter von über 14 Jahren alkoholfreies Bier, fast zehn Prozent mehr als noch im Vorjahr. In Spanien, sagt Blondeel, würden bereits jetzt 20 Prozent des Umsatzes mit Nablabs erzielt und in Deutschland seien es zehn Prozent.

Gesicherte Statistiken darüber, wie viel leichtes oder alkoholfreies Bier in Luxemburg getrunken wird, gibt es nicht. Georges Lentz schätzt den Anteil alkoholfreien Biers am Umsatz insgesamt auf zwischen drei und fünf Prozent. Blondeel meint, es seien zwischen zwei und 2,5 Prozent. Blondeel sieht deshalb großes Wachstumspotenzial in diesem Bereich. Zweieinhalb Jahre hat sein Braumeister Marc Böttner am Rezept gedoktert und experimentiert. Zusammen mit dem Konzern wurde ein neuer Herstellungsprozess entwickelt und patentiert, der es ermöglichen soll, ein Getränk zu brauen, das wie Bier schmeckt, aber dennoch keinen Alkohol enthält. Denn bisher, erklärten Blondeel und Böttner vergangene Woche bei der Vorstellung des 0,0, habe man entweder den Brauprozess unterbrochen, um zu verhindern, dass bei der Gärung Alkohol entsteht. Oder normales Bier gebraut und es dann entalkoholisiert, wobei meist der „Biergeschmack“ verlorenging. Das Rezept ist den „Luxemburger“ Biergeschmacksvorlieben angepasst, also bitterer als belgisches Pils, aber nicht so bitter wie deutsches. Momentan wird es in Löwen gebraut, doch wenn die neue Diekirch-Brauerei im vierten Quartal dieses Jahres den Betrieb aufnehmen soll, werde auch das 0,0 dort hergestellt.

Goerges Lentz warnt davor, ein alkoholfreies mit einem richtigen Pils zu vergleichen. „Da werden Sie enttäuscht sein.“ In seinen Augen, ist das kein Bier, sondern ein „Malzgetränk“, da ein Bier per Definition mindestens 1,2 Prozent Alkohol enthalten müsse. Dass Bofferding mit seinem neuen Produkt Battin Brune auf ein Starkbier setzt, das man, so wird es in der Werbekampagne empfohlen, zu Gänsestopfleber, zu Brie-Käse oder zu Schokoladenkuchen trinken soll, hat mehrere Ursachen. Zum einen ist da die Verbrauchertendenz, wenn überhaupt getrunken wird, zu so genannten Bières de dégustation zu greifen. Dass dies ein Wachstumsgebiet ist, bestätigt auch Blondeel. Im Segment Spezialbiere, zu denen Diekirch Grand Cru, aber auch Leffe und andere Biere aus dem Inbev Konzern gehören, hat Diekirch im vergangenen Jahr ein Plus von 23 Prozent verzeichnet.

„Die Produktion“, wendet Lentz zudem ein, „ist kompliziert.“ Um alkoholfreies Bier herzustellen, das nicht nach süßem Malzgetränk schmecke, werde oft auf Zusatzstoffe zurückgegriffen, und solche verwende die Bofferding-Brauerei beim Brauprozess keine. Dass der Marktanteil für alkoholfreies Bier in Luxemburg bisher so klein ist, wertet Lentz als Zeichen dafür, dass kein dringender Bedarf besteht, alkoholfreies Bofferding oder Battin zu entwickeln. Lentz kann den Markteintritt des Konkurrenten aber auch deshalb gelassen sehen, weil der Munhowen-Getränkehandel, der zur Firmengruppe gehört, den Vertrieb für Clausthaler und alkoholfreies Erdinger auf Luxemburger Gebiet abdeckt. Dadurch sichert sich die Gruppe 60 Prozent am Umsatz alkoholfreien Biers, ohne selbst welches zu brauen.

Mit dieser Gewissheit im Rücken kann Bofferding auf eine andere Marketing-Strategie setzen. Während das 0,0 von Diekirch in einer brandneuen Bar in den Rives de Clausen zu aus Lautsprechern dröhnenden Bässen vorstellte und dazu Carpaccio-Häppchen servierte, wurde die Battin Brune in der Brauerei-eigenen Kneipe in Niederkerschen verköstigt, wo allerlei Brimborium des lokalen Fußballvereins die Wände ziert. Bürgermeister und Chefpatriot Michel Wolter (CSV) half die nächste Ladung Brune zu starten und erzählte am Tresen, für das Kulturjahr 2022 wünsche er sich ein großes Bier-Event. Dazu gab es (weiße) gebutterte Brote mit Aufschnitt, Schinken und Wurst mit Essiggurken.

Michèle Sinner
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