Weshalb Erbgroßherzogin Stéphanie einst in Brüssel für einen betrügerischen Immobilienfonds arbeitete, der konservative, katholische Sparer mit Traumzinsen, der Sicherheit des Steins, großer Frömmigkeit und hochwohlgeborenen Namen köderte

Ponzi-Betrug mit Weihrauch und Adel

d'Lëtzebuerger Land vom 19.02.2016

Vergangene Woche meldete die italienische Polizei die Verhaftung des Priesters Patrizio Maria Romano Benvenuti und die Fahndung nach dessen Komplizen, Christian Ventisette. Ihnen wird laut La Dernière Heure vorgeworfen, in Belgien 283 Anleger um 34 668 117,30 Euro betrogen zu haben. Ihre Gesellschaft Kepha Invest ging nach dem traditionellen Ponzi-System vor und zahlte den alten Anlegern zuerst überhöhte Zinsen aus dem Kapital neuer Anleger aus, bis 2014 plötzlich 34 Millionen verschwunden waren. Zu den Eigenarten von Kepha Invest gehört, dass sie es auf konservative, katholische Kleinanleger abgesehen hatte und ihr Vertrauen gezielt mit viel katholischer Frömmigkeit und Namen aus dem belgischen Adel erschlich, darunter auch dem von Gräfin Stéphanie de Lannoy, der heutigen Erbgroßherzogin.

Kepha Invest versprach in ihrer Werbung eine Anlage, die „während acht Jahren bis zu sieben Prozent jährlich“ einbringen sollte. Dieser weit über dem Markt liegende Ertrag werde durch eine „geschickte Investition in den Stein“ möglich, die von der ­Kepha-Mannschaft mit sicherer Marktkenntnis und einer konsequenten Strategie geleitet werde. Und wonach sehnt sich der konservativste aller Sparer mehr als danach, sein Geld in Stein anzulegen? Denn Aktienkurse gehen auf und ab, Gold ist unberechenbar, Banken brechen zusammen und Staaten werden zahlungsunfähig, aber der Stein währt ewig. So erscheint die Immobilie als der letzte sichere Wert in einer Welt, die so unübersichtlich und gefährlich geworden ist, dass der fromme Sparer sich kaum noch von seiner überheizten Wohnung in die Pfarrkirche zwei Straßen weiter traut. Doch bei sieben Prozent Jahreszins im Vergleich zu bestenfalls drei Prozent bei der Konkurrenz wird er gierig.

Indirekte Investitionen mittels des Immobilienfonds von Kepha seien sogar von Vorteil gegenüber direkten Investitionen in Immobilien, etwa dem Erwerb eines Ertragshauses, hieß es in der Kepha-Werbung. Denn es erlaube auch Kleinsparern mit einem Startkapital ab 50 000 Euro, in Stein zu investieren. Und weil die Schuldverschreibungen über fünf Jahre liefen, könne der Anleger, der Bares brauche, flexibler über sein Geld verfügen. Anleger könnten aber auch von der langfristigen Entwicklung des Immobilienmarkts profitieren, ohne die Immobilien selbst verwalten zu müssen, das heißt sich mit Mietern, Handwerkern und Behörden herumzuplagen. So biete Kepha Invest die ideale Gelegenheit, um sich eine Anlage zu sichern und den Kindern eine Erbschaft zu hinterlassen.

Die felsenfeste Anlage in den Stein klingt schon im Namen der Gesellschaft mit: Kepha heißt auf Aramäisch, der Muttersprache Jesu Christi, „Stein“ oder „Fels“. Es ist nicht nur der Stein, als sicherste Anlageform des konservativen Sparers, sondern auch der Fels, auf dem die katholischen Sparer ihre Kirche bauen sollen, getreu dem „tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam“, das nach Matthäus (16:18) mit Goldlettern in der Kuppel des Petrusdoms im Vatikanstaat geschrieben steht.

Gleichzeitig versprach die Werbung von Kepha Invest, dass neben der geschickten Investition in den Stein auch die „von der Stiftung verteidigten Werte“ beherzigt würden. Denn Kepha Invest ist der weltliche und belgische Ableger der italienischen „Stiftung Kepha zur menschlichen und sozialen Entwicklung und internationales Bildungszentrum Kardinal Giuseppe Siri“. Giuseppe Siri war Erzbischof von Genua und Protektor des 1952 in Argentinien geborenen Patrizio Maria Romano Benvenuti, des Stiftungsgründers. Dieser ist laut Gründungsurkunde von Beruf „Kleriker“, aber der Satzung der Stiftung zufolge schwebte ihm weniger das Ideal einer gemeinnützigen Stiftung als eines Kreuzzugsordens vor.

Ziel der Stiftung, die ausschließlich der Mission der katholischen Kirche gehorchen soll, ist der Schutz des historischen, künstlerischen und kulturellen Erbes, einschließlich Erziehung, Bildung und Umweltschutz. Die Stiftung kann alle mögliche Spenden annehmen, die Spender bekommen dann, je nach Großzügigkeit, den Titel des „Wohlverdienten“, „Unterstützers“ oder „Anhängers“ verliehen. Am Sitz der Stiftung in Rom ist auch die Immobiliengesellschaft International Charity Real Estate (Icre) untergebracht. Verwalter der im April 2014 in Luxemburg gegründeten International Charity Real Estate in der hauptstädtischen Rue Bernard Haal ist der Komplize von Patrizio Maria Romano Benvenuti, der Korse Christian Ventisette, nach dem derzeit international gefahndet wird.

Der Präsident der Stiftung, Gründer Patrizio Maria Romano Benvenuti, erhielt „ipso iure“ den Titel des „Großmeisters der Militia Kephae, auch Militia Christi“; die gewählten Mitglieder der Stiftung „fügen sich im Geist der christlichen Ritterorden den Vorschriften des Heiligen Bernhard von Clairvaux“. Der Verwaltungsrat muss mehrheitlich aus italienischen Staatsbürgern bestehen, ihm gehören von Amts wegen der Gründer, der Erzbischof von Genua sowie ein Mitglied der Familie Benvenuti an. Nach dem Ableben des Gründers fällt der Vorsitz der Stiftung an den Erzbischof von Genua oder einen anderen Kleriker mit herausragenden Tugenden. Das Emblem der Stiftung ist ein goldenes Kreuz mit zwei Sternen und zwei Lilien in einem achteckigen Feld, Symbol der acht Seligpreisungen. Die uneigennützige Devise aus dem Lied Salomon (115:1) ist die Devise des Templerordens: „Non nobis, Domine, non nobis, sed nomini Tuo ad gloriam!“

So viel Frömmigkeit und Templerorden-Nostalgie musste das Herz konservativer katholischer Sparer erweichen. Aber als die Stiftung 2007 in Brüssel ihren Immobilienfonds Kepha Invest gründete, versuchten die unbekannten Emittenten auch noch prominente Namen ins Schaufenster zu rücken. Die Taktik ist nicht neu: Ende der Sechzigerjahre hatte Bernie Cornfelds IOS hierzulande bekannte Politiker bezahlt, um das Vertrauen von Kleinanlegern zu erschleichen und ihnen Anteile eines Investitionsfonds zu verkaufen, der sich ebenfalls als Pyramiden-Betrug herausstellen sollte.

Um das Vertrauen seiner Zielgruppe zu gewinnen, setzte Kepha Invest auf den sehr konservativen und sehr katholischen belgischen Adel. Verwalter von Kepha Invest wurde Baron Christian de Fierlant Dormer aus einer südniederländischen Familie, die 1657 vom spanischen König Philipp IV. in den Adelsstand erhoben worden war. Als die belgische Justiz gegen Kepha Invest zu ermitteln begann, erstattete Baron de Fierlant Dormer im November 2014 Anzeige gegen seine Firma und beteuerte, nichts von deren betrügerischen Geschäften gewusst zu haben. Als Zeichen seiner hehren Absichten half er, das von ihm hinterlassene 34-Millionen-Loch zu füllen, indem er Kepha Invest gebrauchte Möbel und einen alten Mercedes für insgesamt 13 000 Euro abkaufte. Doch im Laufe der Ermittlungen wurden Dokumente sichergestellt, laut denen er schon im Februar 2014 an Sitzungen teilgenommen habe, während denen über die Betrugsvorwürfe diskutiert worden war.

Ein anderer in den Ohren konservativer, katholischer Kleinanleger wohlklingender Name ist derjenige von Gräfin Stéphanie de Lannoy, der späteren Erbgroßherzogin von Luxemburg. Ihre Kusine Gräfin Véronique ist mit Baron Edouard de Fierlant Dormer verheiratet. Die flandrische Familie de Lannoy geht auf Ritter des Goldenen Vließ aus dem 13. Jahrhundert zurück.

Laut der offiziellen Biographie der Erbgroßherzogin blieb sie nach ihrem Studium „in Berlin und absolvierte ein Praktikum bei der Agence Wallonne à l’Exportation in der belgischen Botschaft. Nach Ihrer Rückkehr aus Deutschland war Sie für eine Investmentgesellschaft tätig“. Dabei handelte es sich um Kepha Invest. Nach Aussagen des Priesters Patrizio Maria Romano Benvenuti, so die italienische Presse, wurde die 26-jährige Gräfin Stéphanie von Kepha Invest wegen ihrer zahlreichen Beziehungen in der belgische Oberschicht eingestellt. 2010 und 2011 vertrat sie Kepha Invest bei zwei Werbeveranstaltungen im Brüsseler Palais Egmont, unweit der Stadtresidenz der de Lannoy.

Patrizio Maria Romano Benvenuti belastete in einem Rundumschlag während seines Verhörs sämtliche Beteiligte von Kepha Invest und behauptete, auch Erbgroßherzogin Stéphanie habe von den betrügerischen Geschäften gewusst. Dafür gibt es derzeit allerdings keinerlei Anhaltspunkte, aber wenigstens misstrauisch hätte sie oder ihre Familie werden müssen. Denn eine Investitionsgesellschaft mit unbekannten Emittenten, überhöhten Zinsen, unbekannten Anlageobjekten und dem angeblichen Segen des Vatikans ruft auf hundert Meter: „Betrug!“ So hatte 2011 auch die belgische Verbraucherschutzorganisation Tests-Achats vor Kepha Invest gewarnt: „Nous ne le répèterons jamais assez, les propositions qui offrent de trop belles conditions doivent éveiller en vous la plus grande méfiance. [...] Un manque total d’informations sur l’émetteur et, à vrai dire, tout le montage sous-jacent représente une sorte de feu rouge que l’on ne peut ignorer.“

Romain Hilgert
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