Trahisons

Betrayal

d'Lëtzebuerger Land du 18.11.2004

Wie könnte man den Filmregisseur David Jones nicht verstehen. Er machte aus dem Theaterstück Betrayal im Jahre 1982 ein Kinowerk. Wie gut kann man verstehen, dass die Theaterschauspieler die Techniken des Films in dem Falle vorziehen würden. Da bedient sich doch das Theater der Erzähltricks des Films: von hinten nach vorne wird das Beziehungsspiel des Trios durchgespult, mit "Jump-Cuts", mit Rück-blenden, mit abrupt abgebrochenen Sequenzen. Doch das Stück wird nicht in einzelnen Drehs aufgenommen, die ganze Narration wird in Einem durchgespielt. So verlangt das Stück von den Schauspielern ein Wechselbad der Gefühle im Minutentakt. Von jetzt auf gleich geht's um zwei Jahre, um Monate, um ein Weilchen, um weitere zwei Jahre zurück, um sich am Ende am Anfang - damals vor sieben Jahren, als alles begann - wiederzufinden. Marja-Leena Junker hat die Schauspieler unter den besten französischsprachigen Profis des Landes ausgesucht: die wunderbare Myriam Muller in der Rolle der betrügenden und betrogenen Emma, Jules Werner spielt den Geliebten Jerry und Franck Sasonoff gibt den Ehemann der ersten und den Freund des zweiten. Das Schauspiel ist unbestritten gut, mit einigen schwachen Momenten und ebenso mit etlichen Highlights. Wenn es Film wäre, würde man sich ob des seltsam zusammengewürfelten Trios wundern: Dem jungen Jules Werner nimmt man den vierzigjährigen Erfolgsagenten genauso wenig ab wie man an das Yuppie-Paar Muller-Sasonoff glaubt. Sagen wir, das ist - wieder einmal - auf die schnell erschöpfte Anzahl von Klasseschauspielern hierzulande zurückzuführen. Viel interessanter ist die Frage, warum der Zuschauer so seltsam unbeteiligt die Geschichte der vielen Betrügereien erlebt. Dabei handelt es um das persönlichste Werk, das Harold Pinter je geschrieben hat. In der exzellenten Pinter-Biographie von Michael Billington wird mit Details erläutert, wie das Stück nach einer sieben Jahre währenden Liebesaffäre des Autors mit der Fernsehmoderatorin Joan Bakewell entstand. Als das Werk dann 1978 zur Uraufführung in London kam, ergoss die britische Presse einen Schwall von ungewohnt harschen Kritiken über den einstigen Liebling der Theaterpresse. Eine "high-class soap-opera" habe er anstelle eines Theaterstückes geschaffen, hieß es. Man nahm Pinter übel, in die Niederungen eines trivialen bürgerlichen Drei-eckspiels abgeglitten zu sein. Viel später analysierte man das Stück unter einem anderen Blickwinkel, und viele Kritiker von einst sahen neben der genialen Erzählstruktur und der charakteristischen Pinter-Sprache auch die Belange des Themas an sich in raffinierter Vielfalt dargestellt. Mittlerweile ist auch Betrayal zu einem Klassiker geworden, dessen zeitlose Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen immer wieder aktuell ist. Keine der Figuren ist wirklich Sympathieträgerin. Man versteht nur allzu gut die menschlichen Schwächen, die hier die Erzählung weitertreiben. Partei zu ergreifen, fällt jedoch schwer. Die Figur der Emma ist für Pintersche Verhältnisse eine ungemein starke Frauenfigur. Ein Schwindel führt zum weiteren Betrug, eine kleine Lüge zu einer ganzen Lügengeschichte. Und die Emma tut das ungemein kaltblütig. Während der Ehemann daneben steht - mit den Händen in den Taschen - und unberührt tut. Der Liebhaber Jerry quält sich am meisten. Letztlich hat er die Geliebte verloren, den Freund und wahrscheinlich auch die Ideale, die er einst als junger Literaturliebhaber hatte. Die Inszenierung der Marja-Leena Junker ist, den Anforderungen des Stückes gemäß, solide. Kein Firlefanz, der den Zuschauer zu sehr ablenken würde. Die französische Fassung des Textes ist ohnedies behäbiger als das zackige englische Original. Die Regisseurin hat das Squashspiel als Sinnbild des männlichen Konkurrenzkampfs in den Vordergrund gekehrt. Und anstelle etwaiger Zeittafel hat sie Paul Hoffmann als Begleiter und Leiter durch die Jahre eingeführt. Trahisons ist vor allem für das Luxemburger Theaterpublikum eine sehr willkommene Gelegenheit, eine völlig andere Pinter-Inszenierung zu erleben als Hoffmanns Asche zu Asche mit dem das Kasemattentheater diese Saison eröffnete.

Die letzten Aufführungen von Marja-Leena Junkers Inszenierung von Trahisons von Harold Pinter, in der französischen Übersetzung von Eric Kahane, mit Myriam Muller, Frank Sasonoff und Jules Werner sind am 19. und 20. November um 20 Uhr sowie am 21. November um 17.30 Uhr. Im Atelier des TNL, 166, Avenue du X Septembre. Tel: 22 28 28. www.luxembourgticket.lu.

Anne Schroeder I
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