Insekten und Würmer sind für das Gleichgewicht im Ökosystem unabdingbar, gleichwohl rufen sie oft Abwehr hervor. David Porco, Biologe am Nationalmuseum für Naturgeschichte in Luxemburg-Stadt, kann sich für sie begeistern. Ein Jobwechsel seiner Frau, Biologin wie er und ebenfalls aus Frankreich, führte Porco nach Luxemburg. „Als klar war, dass wir umziehen würden, habe ich ein wissenschaftliches Projekt geschrieben, um mich in Luxemburg zu bewerben“, erzählt der Post-Doktorand, der zuvor in Montpellier am Centre d’écologie fonctionelle et évolutive und an der Uni in Rouen geforscht hat und mit seiner Begeisterung für sein Thema anzustecken vermag. Sein Forschungsschwerpunkt sind die Wirbellosen. Für seine Doktorarbeit befasste er sich mit der Evolutionsgeschichte der sechsfüßigen Springschwänze.
Porco reichte beim nationalen Forschungsfonds FNR ein dreijähriges Projekt zur Bestimmung invasiver Arten am Beispiel der Flusskrebse in Luxemburgs Gewässerläufen ein und hatte Glück: Bei der Fondation Faune et Flore des Naturmuseums und beim Umweltministerium stieß sein Projekt, das mit rund 450 700 Euro vom FNR unterstützt wird, und bei dem es sich gewissermaßen um ein Public-Public-Partnership handelt, auf Interesse. Das liegt auch an der Expertise, die Porco im genetischen Barcoding gesammelt hat.
Bei dieser Methode geht es darum, Arten mit Hilfe eines kurzen und standardisierten Genfragments zu bestimmen. Nahezu alle Tierarten besitzen in den Mitochondrien, auch als Kraftwerke der Zellen bezeichnet, das Gen für die Cytochrome Oxidase 1. Aus diesem lässt sich ohne viel Aufwand eine Region sequenzieren, die 658 Basenpaare lang ist.
Das Besondere an der Sequenz: „Bei fast allen Arten unterscheidet sie sich, während sie bei Populationen innerhalb einer Art selbst von verschiedenen Fundorten weitgehend identisch bleibt“, erklärt Porco. Sie ist daher für die Bestimmung und Unterscheidung von Arten exzellent geeignet. Diese Barcodes werden in eine Datenbank eingegeben, die wiederum für Forscherinnen und Forscher weltweit zugänglich ist. „Wir haben mittels Barcoding große Unterschiede bei Arten feststellen können, die sich morphologisch sehr ähnlich sahen“, so Porco weiter.
Entwickelt hat die Idee der kanadische Forscher und Entomologe Paul Hebert 2003 an der Universität Guelph in Ontario. David Porco war zwischen 2008 und 2010 Teil eines Teams in Heberts Labor, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Genetiksequenzen von Wirbellosen zusammenzutragen und in der Datenbank International Barcode of Life einzutragen. Anfangs wurde Heberts Vorhaben belächelt: Geschätzte zwei Millionen Arten genetisch zu bestimmen und digital zu erfassen, schien ein schier unmögliches Unterfangen. Doch weil sich das Projekt rasch herumsprach und immer mehr WissenschaftlerInnen DNAs einschickten, zählt die Technik mittlerweile, neben der traditionellen morphologischen Beschreibung, zu den Standardverfahren zur Bestimmung von Arten.
Auch am Naturmuseum kommt die Technik zum Einsatz, vorwiegend bei der Bestimmung unbekannter Arten, wo die herkömmliche Bestimmung, also die aufgrund der akribischen Beschreibung physischer Eigenschaften, an Grenzen stößt. Aus dem Herbarium des Naturkundemuseums wurden 200 Pflanzenarten in die Datenbank Barcode of Life gestellt, erzählt Guy Colling, Botaniker und Evolutionsbiologe am Naturmuseum. Eine systematische DNA-basierte Erfassung und Überprüfung der naturkundlichen Sammlung, respektive der in Luxemburg heimischen Flora und Fauna, so wie es in Deutschland im Rahmen der German Barcode of Life-Initiative geschieht, gibt es nicht, was vor allem an den begrenzten finanziellen Möglichkeiten liegt.
David Porco entwickelt die Technik weiter: „Mit dem Barcoding-Verfahren lässt sich bestimmen, welche Arten in einem Gewässer oder im Boden leben, ohne von den Organismen Proben nehmen zu müssen“, erklärt er. Über Absonderungen wie Kot, Samen, Hautzellen geben Fische oder Krebse DNA an die Umwelt ab. Daraus lässt sich ein Profil der Flora und Fauna eines Gewässers erstellen. Und daraus wiederum lassen sich Rückschlüsse auf die Wasserqualität und Biodiversität ziehen. Über ein solches Barcoding von Umweltproben erlaubt die Methode, bei geringen Kosten nachzuprüfen, wie sich zum Beispiel Fischbestände mit der Zeit verändern.
Für sein FNR-Forschungsprojekt analysiert der Biologe den Flusskrebsbestand: In Luxemburgs Gewässern kommen zwei nicht-einheimische und eine heimische Krebsarten vor. „Der Europäische Flusskrebs ist mit bis zu 20 Zentimetern von Kopf- bis Schwanzspitze der größte und gilt heute als bedroht“, erzählt Porco. Wesentliche Ursache, neben der Schadstoffbelastung etwa durch Pestizide, sei die Krebspest, die durch die Ansiedlung nordamerikanischer Flusskrebsarten eingeschleppt wurde. Sie sind ebenfalls Wirte für den Pest-Erreger, sterben aber nur im Ausnahmefall daran. Auf den Forschertagen am Wochenende stellt der Biologe seine Forschungsergebnisse zum Europäischen Flusskrebs einem größeren Publikum vor – und hat dazu eigens ein Informationsblatt entworfen.
Komplexe wissenschaftliche Prozesse und Verfahren so zu erklären, dass Kinder und Jugendliche sie verstehen, liegt dem Wissenschaftler sehr am Herzen. „Im Grunde sind die Zusammenhänge nicht so schwer zu verstehen. Je mehr die Menschen sie kennen, umso eher sehen sie vielleicht ein, weshalb der Erhalt der Biodiversität wichtig ist“, sagt Porco, der sich als Umweltaktivist bezeichnet und versucht, selbst ressourcenschonend zu leben. „Alles hängt miteinander zusammen.“ Sein Spezialgebiet, die Wirbellosen im Boden, sorgen für die Bestäubung, beseitigen Ungeziefer, halten den Nährstoff-Kreislauf in Gang und beteiligen sich bei der Filtrierung des Wassers, etwa in Bächen und Teichen. Vor fünf Jahren hatte eine Studie der Stanford-Universität für Aufsehen gesorgt, derzufolge binnen 35 Jahren im Durchschnitt 45 Prozent der Wirbellosen von der Erde verschwunden seien. Bis dahin hatte man angenommen, wirbellose Arten seien widerständiger als beispielsweise Säugetiere.
Obwohl David Porco oft am Computer sitzt, um genetische Sequenzen zu analysieren, versucht er viel in der Natur zu sein. In der Freizeit ist Porco ein begeisterter Gärtner und auch auf Reisen kann er es nicht lassen, die jeweilige Flora und Fauna ausgiebig zu studieren. „Gut, dass meine Partnerin meine Leidenschaft mit mir teilt“, sagt er und lacht.