Kammerwahlen kündigen sich an. Das merkt man an der Gründung von Splitterparteien. Sie versprechen einen neuen Wind und eine Rückkehr zur ehrlichen Politik. Sie wollen den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das versprechen seit einem Jahrhundert alle Parteien.
Vor den letzten Wahlen hatte sich ein Dutzend Splitterparteien angekündigt: Déi Liberal, En marche, Déi Konservativ, Partei fir integral Demokratie, Biergerpartei, Biergerlëscht, Demokratie, Fräi ökologesch demokratesch Partei, Sozialdemokratesch Vollekspartei, Sozialliberal Partei Lëtzebuerg und Fräi sozial Alternativ. Splitterparteien ziehen Querulanten anderer Parteien an. Deshalb hielten nur zwei bis zum Wahlsonntag durch. Gewählt wurde keine.
Diesmal geht der ehemalige CSV-Präsident Frank Engel als Erster an den Start. Die CSV-Fraktion hatte vor einem Jahr gegen ihn komplottiert. Daraufhin drohte er, seine eigene, bessere CSV zu gründen. Dann schien er aufzugeben: „Esou eppes mécht een net ouni Geld. An ech hu keent“, klagte er am 27. Oktober bei RTL.
Anders als der Staatsanwalt wollte das Gericht nicht die Schmutzarbeit für die CSV-Fraktion erledigen. Umso mehr als diese ihr Ziel erreicht hatte. Es sprach Engel von allen Beschuldigungen frei. Prompt hat er auch Geld gefunden. Auf Facebook kündigte der Unternehmer Gary Kneip am 13. Januar sein neustes Startup an, „datt ech mat dem Frank Engel a Marc Ruppert eng nei Partei op Been sëtzen“. Hätte Kneip vor fünf Jahren 17 Stimmen mehr bekommen, säße er heute für die DP im Käerjenger Gemeinderat.
Der Geschichtslehrer Marc Ruppert war 2017 als Generalsekretär der DP zurückgetreten. Er warf Präsidentin Corinne Cahen autoritäres Gehabe vor. Diese erinnerte ihn daran, dass er bei der Aufstellung der Kandidatenlisten für die Landeswahlen abgeblitzt war. Weil er bei den Gemeindewahlen in der Hauptstadt bloß Sechzehnter geworden war. Nun will er es bei den nächsten Gemeindewahlen mit einer anderen Partei versuchen.
Frank Engel hatte den rechtsliberalen Cercle Joseph Bech animiert, um der CSV die christliche Soziallehre auszutreiben. Zusammen mit Gary Kneip, Marc Ruppert und Querulanten anderer Parteien will er jetzt eine rechtsliberale Partei gründen. Und zum Emmanuel Macron der Luxemburger Politik werden.
Das Programm liegt in der Schublade. Als CSV-Präsident hatte er es vor einem Jahr an die CSV-Mitglieder verschickt, um für seine Wiederwahl zu werben. „Budgetären ‚Downsizing‘ kéint de Wee an d’Nohaltegkeet weisen“, schätzte Engel (S. 12). Er hatte seine politische Laufbahn bei den Grünen begonnen. Er versprach, „Sécherheet a Rou an de Stied a Quartieren ze retabléieren“ (S. 13). Er wollte als Ersatz für den obligatorischen Militärdienst einen freiwilligen Zivildienst einführen. Er verlangte strengere Lëtzebuergesch-Tests bei der Zuerkennung der Staatsbürgerschaft. Er wollte wieder mehr Majorzwahlsystem. Für Sozialpolitik hatte er einige Floskeln übrig. Im Programmtitel muss er bloß zwei Wörter ersetzen: „Mir, d’CSV. Mir zu Lëtzebuerg“. E Projet fir d’CSV. Fir 2023 an doriwwer eraus.
Eine rechtsliberale Partei will keine Volkspartei sein. Sie redet im Namen eines Kleinbürgertums, das Angst vor seiner eigenen Courage hat. Von Selbständigen und Beamtinnen, denen die CSV nicht mehr nützt, von DP-Wählern, die Xavier Bettel vorwerfen, den Liberalismus verraten zu haben.
Frank Engels Drohung ist keine Bedrohung. Sie ist eine Etappe im Zerfall der konservativen Volkspartei. Die größte Bedrohung für die CSV ist sie selbst. Ein Jahrzehnt nach dem Wahlfiasko bleibt ihre erste Reihe leer. In einem Vorwahljahr wird sie aus der zweiten Reihe von Leuten von früher geführt. Ihre politischen Ansichten beschränken sich auf gelegentliche Kritik an der Regierung. Die CSV will nicht mehr klerikal und nicht mehr konservativ sein. Zu ihrem Unglück ist sie auch sonst nichts mehr.