In einer Literatursendung stellt der Moderator einen Roman vor, dessen Protagonistin eine Pilotin ist. Der Autor ist ein Autor. Mutig, ein Mann, sagt der Moderator. Genau das gleiche hab ich auch gerade gedacht.
Mutig also, dass ein so genannter Mann einen Roman über eine so genannte Frau geschrieben hat. Hm, das ist ja an sich nichts Neues in der Literaturgeschichte. Sollen sich einige schon an dieses unbekannte Wesen, dem Mann sich prophylaktisch am besten mit Peitsche nähert, herangewagt haben. Es bedichtet, besungen, umraunt haben. Gretchen, Medea, Effi Briest, die kleine Meerjungfrau, meist war ihnen ein auswegloses Los zugedacht. Diese Schöpfungsherren waren auch noch meist weiß, die Weißenquote war im Europa des letzten Jahrtausends allerdings wirklich hoch. Sie waren öfters alt, die von ihnen heraufbeschworenen Weibsbilder eher jung.
Jetzt hat sich ein französischer Autor erdreistet, das Leben einer kleinen schwarzen oder, grübel, wie soll ich mich ausdrücken, Sklavin zu schildern. In England und Amerika wird das Jugendbuch nicht erscheinen. Wegen der kulturellen Aneignung, deren er, ein Mann, ein Weißer und ein beliebter Autor, sich schuldig gemacht habe.
Black Magic Woman! Dieser Song aus Sex und Soul und Spirit … rassistisch, antifeministisch, Hexenhorrorbilder bedienend, auch noch die von schwarzen Hexen? Aber welch farblose Frau, die zu dem Santana-Song in den Siebzigern durch die Disko fegte, wäre nicht gern auch eine solche gewesen, die Männer zu, kreisch!, Teufeln machte? In feministischen Hexenkreisen waren witches sowieso schwer in. Vielleicht in der selbstbewussten Aneignung weiblicher Dämonisierung? So wie es in den Achtzigern die Krüppelbewegung gab, die sich beschönigender Wortkosmetik verwehrte.
Black Magic Woman! Wird dieser betörende Song je noch über den Äther gehen oder bald im kollektiven Nirwana entsorgt werden, mit einem Großteil, schluck, westlicher Kultur? Entsorgt als übel machistisch-rassistisches No-Go? Oder nur noch mit Warnhinweisen und historischen Jahreszahlen garniert serviert, fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihre Therapeutin! Auf eigenes Risiko, damit nichts getriggert wird, niemand traumatisiert, kein Individuum, keine Ethnie, keine Zielgruppe, auf die schon allzu lang unreflektiert gezielt wurde?
Uns allen wird der Lernprozess gemacht, das nennt man Fortschritt. Politische Korrektheit hat uns feinfühliger gemacht. Es ist gut, empathisch zu sein, sich hinein versetzen zu können in Einzelne oder gesellschaftliche Gruppen, die bei manchen Worten zusammenzucken, die für viele von uns exotisches Dekor sind. So mit Flair und Aroma. Warum darf ich nicht Mohr sagen, im Struwwelpeter ist auch so einer, und er ist der Gute? Arm auch noch.
Ohne Empathie keine Kunst. Aber wie geht Empathie jetzt, wo sie immer häufiger als Übergriff gewertet wird? Als kulturelle Aneignung, post-koloniale Gewaltausübung. Als Vergewaltigung. Wo Beschreibung zu Zuschreibung wird und damit verwerflich. Wo nur die eine Geschichte erzählen dürfen, die selber Betroffene und somit kompetent sind. Darf ein Mensch ohne Behinderung einen Menschen mit Behinderung darstellen?
Eine junge schwarze Frau darf wahrscheinlich schon über einen grauen Greis schreiben, jetzt ist sie nämlich dran. Aber ist die Grenze erreicht, wenn ein weißer Mann über ein schwarzes Mädchen schreibt? Und muss schwarz nicht großgeschrieben werden, das nebenbei bitte guggeln ... Und warum wird weißer Mann nicht großgeschrieben? Ja, vielleicht weil er Tausende von Jahren lang sich selber großgeschrieben hat und andere klein? Und weiße Frau?
Muss ich einen Kurs belegen? Ich komme vom Kurs ab. Ich, ein Mensch, der menstruiert. Beziehungsweise menstruiert hat. Nein, ein … eine was? Hohnlachend ringt böse alte Feministin J.K. Rowling um das verpönte Weibswort, schleudert es in die Arena.
Zukunftsvisionär Matthias Horx sieht in der Post- Corona-Epoche gute Nachbarn und einen blühenden Gemüsegarten als höchste Werte. „Kann sich jemand noch an Political-Correctness-Streit erinnern? Die unendlichen Kulturkriege um … ja, um was ging es da eigentlich?“
Keine Ahnung.
Aber ganz richtig scheint er mit seiner Prophezeiung nicht zu liegen.