An sonnigen Nachmittagen tummeln sich auf der imposanten Museumsbaustelle des Kirchberger Fort Thüngen die Spaziergänger. Während vom Pei-Museum für zeitgenössische oder zumindest moderne Kunst so langsam die Umrisse zu erkennen sind, wartet der beinahe fertig eingerichtete Empfangsraum des Festungsmuseums im Reduit der Drei Eicheln bereits auf die Besucher.
Empfangsschalter, Bar und Getränkeaufzug im Erdgeschoss, Heizung und Musikanlage im Untergeschoss sind schon eingerichtet. Einige Schautafeln und Mo-delle klären die Besucher bereits über die Geschichte der Festung und die Bauprojekte auf. Die ersten Versammlungen und Vorträge sind ge-plant, die Klos im Untergeschloss müssen nur noch aufgesperrt werden.
Unberührt von den Diskussionen um das Pei-Museum, nahm das Festungsmuseum still und rasch Form an (siehe d'Land vom 16. Juli 1999). Der historische Bau wurde im Innern mit Metall, Glas und Beton ergänzt, um keine Stilverfälschung zu begehen, die Beleuchtung wurde in den Fußboden eingelassen oder in die Höhe gehängt, um das Eindringen in die Bausubstanz auf ein Minimum zu beschränken.
Bereits in dieser Saison wird der Empfangsraum mit Studenten besetzt, die den Touristen Auskünfte erteilen sollen. Denn der Festungs- und Schlachtfeldtourismus ist eine Boombranche. Mit 15 Millionen Besuchern kommt er in Frankreich an zweiter Stelle hinter dem Kirchen- und Klostertourismus.
Cyril Savin vom Denkmalschutzdienst wertet die Ergebnisse von Umfragen aus, die seit 1996 bei den Spaziergängern der beiden hauptstädtischen Festungsrundpfade unternommen wur--den, und schätzt, dass jeden Som-mer über 100 000 Leute den Wenzel-Pfad besichtigten. Es sind vor allem Deutsche, Luxemburger und Franzosen, während auf dem neueren Vauban-Pfad noch die vorwitzigen Lu-xem-burger in der Mehrheit sind. Die Hälfte der Befragten erklärten sogar, dass sie jährlich mehr als eine Festung besuchten.
Das Ende 2002 fertige Festungsmuseum auf Drei Eicheln soll zum Höhepunkt des vier Kilometer langen und seit 1995 vorbereiteten Vauban-Pfads werden, der vom Bockfelsen durch Paffenthal über die Drei Eicheln und zurück durch Clausen führt. Im kostenlos zugänglichen Vorraum des Reduits sollen die Spaziergänger sich auf etwa 300 Quadratmetern über die Festung in-formieren, eine Pause machen, eine Erfrischung zu sich nehmen, ein Buch kaufen oder ihr Gepäck in Schließfächern ablegen können.
Im Ostturm soll der Blick durch die acht Scharte auf die gegenüberliegende Altstadt durch ein Panoramabild ergänzt werden, das einen Rundblick über die intakte und die geschleifte Festung der Stadt simuliert. Anschließend können die Besucher das Gebäude unterirdisch durch einen in den Vauban-Pfad eingegliederten, vertieften Rück-zugsstollen verlassen. Mit klassischer Musik beschallt - "ein Mittel gegen Klaustrophobie", so Georges Calteux, der Direktor des Denkmalschutzdienstes - bekommen sie die Minen gezeigt, mit denen die Galerien zerstört werden sollten, wenn der vorrückende Feind die Befestigung untergraben wollte, oder mit denen die eigenen Anlagen für den siegenden Feind unbrauchbar gemacht werden sollten.
Vor den Drei Eicheln, wo einst eine leicht abschüssige Wiese den Blick der Sonntagsspaziergänger auf die Altstadt freigab, wurde auf 120 mal 100 Meter das Fort Obergrünewald teilweise freigelegte und wiederaufgebaut. Diese Wiederaufbauarbeiten und das leuchtend neue Mauerwerk lassen zwar Besucher aus den USA in helle Verzückung ausbrechen. Doch sie stoßen auch auf Kritiken an einer drohenden Disneyfizierung des Stadtbilds.
Davon will Georges Calteux nichts wissen. Er wird nicht müde zu betonen, dass die Rekonstruktionen mit dem Einverständnis der Unesco auf der Grundlage der erhaltenen Festungspläne geschehen. Zudem mache Fort Thüngen gerade 0,5 Prozent, das davor gelagerte Fort Obergrünewald 1,9 Prozent der Gesamtfläche der einst 570 000 Quadratmeter großen Festung aus.
Zumindest vermitteln solche Vergleiche einen Eindruck von den Ausdehnungen der ehemaligen Festung. Jener gewaltigen Kriegsmaschine, die bis zu Napoleons III. OPA die Stahlindustrie und der Finanzplatz des (Groß-)Herzogtums war und ihm damit auch die ungewollte staatliche Eigenständigkeit aufzwang.
Nachdem das Parlament gerade bis zur Lächerlichkeit mit Empire-Simulacra überladen worden ist, entfaltet sich jetzt auf Kirchberg eine einzigartige Topographie dessen, was Alexander Kluge den "An-griff der Gegenwart auf die übrige Zeit" nannte. Anfänglich sollte das aus Richtung der europäischen Institutionen auf die Altstadt vordringende Pei-Museum für mo-derne Kunst das gesamte Fort Thüngen besetzen. Doch eine Allianz von Denkmalschützern, Sparpolitikern und gesundem Volksempfinden konnte diesen Überraschungsan-griff der internationalen Moderne in den vorgelagerten Teil des Forts zurück-drängen und verschanzte sich erfolgreich im Reduit Drei Eicheln.
Das einst als Festungsmuseum ge-plante patriotisch-nostalgische Antidoton zum neumodisch kosmopoliten Pei-Museum soll inzwischen ein "Befestigungsmuseum" im Erdgeschoss und ein Museum der nationalen Identität im Obergeschoss werden.
Kein Festungsmuseum, denn "wir wollen keine kriegerische Sammlung von Kanonen und Fahnen", betont Georges Calteux, der auch Wert auf die Sozialgeschichte der Festungsbewohner legt. Vielmehr soll gezeigt werden, wie sich die sesshaften Menschen im Laufe der Jahrhunderte und hierzulande sowie in anderen europäischen Gegenden verteidigten, von den Gallorömern bis zum Londoner Vertrag.
Doch auch die Bezeichnung "Mu-se-um" erweist sich als leicht irreführend. Denn nach dem Nationalmuseum und dem schon relativ leer wirkenden kommunalen Geschichtsmuseum gibt es kaum noch historische Originalexponate zur Festungsgeschichte, die ein drittes Museum füllen könnten. Deshalb wird das Befestigungsmuseum vor allem Modelle und Schautafeln zeigen, so dass Museumsgestalter Philippe Simon, der das Ausstellungsprogramm inzwischen weitgehend fertig hat, das einstige Festungsmuseum nun als "centre d'interprétation de la fortification" zu definieren versucht. Die Anfertigung der Modelle, interaktiven Anzeigen und Schautafeln wird laut Georges Calteux folglich das Gros des 450 Millionen Franken schweren Etats verschlingen.
Diese Ausstellungsstücke machen auf etwa 1 400 Quadratmetern das eigentliche, kostenpflichtige Befestigungsmuseum aus, das sich an die Eingangshalle in den Türmen der Drei Eicheln anschließt.
Zuerst soll die Festung Luxemburg vorgestellt werden, um die Besucher mit den Grundelementen einer Festung bekannt zu machen. Dazu gehört ein Überblick der verschiedenen Arten von Befestigungsbauten, ihre Funktion sowie die Bewegungen der Garnisonsteile und möglichen Angreifer. Eine Chronik soll die Entwicklung der Bauarbeiten im Laufe der Jahrhunderte und vor dem Hintergrund der politischen und sozialen Geschichte, der Waffen- und Militärtechnik darstellen. Modelle und Bilder sollen auch Befestigungen anderer Regionen und Epochen illustrieren. Schließlich soll ein dritter Teil Theorie und Praxis der Befestigung gewidmet sein, Originaldokumente zum Fort der Drei Eicheln ausstellen, die bekanntesten Strategen und Architekten vorstellen, historische Pläne und Stiche zeigen. Ein Video soll den Werdegang eines Befestigungsbaus vom Reißbrett über die Bauarbeiten bis zur Inbetriebnahme zeigen und die Handwerker und Werkzeuge vorstellen.
Der pfeilförmigen Vorbau des Re-duits soll auf 375 Quadratmetern dem Alltag der Garnison in der Festung gewidmet sein. Das Fort Thüngen soll in seinen verschieden, französischen, österreichischen und preußischen Bauepochen vorgestellt und in den Zusammenhang allgemeiner historischer Konstruktionselemente gestellt werden. Es folgen die Organisation und Verwaltung der Festung, der Alltag der Soldaten und Festungsbewohner. Schließlich soll das Leben in der Festung in Zeiten von Krieg und Belagerung erklärt werden.
Ursprünglich war das Erdgeschoss des 1732 errichteten Reduits mit einer mehreren Meter hohen Erdschicht bedeckt, um Bombenaufschläge abzudämpfen. Das Volumen dieser Erdschicht wird nun nachgebaut, doch soll es diesmal hohl werden, so dass das Reduit ein zusätzliches Stock-werk erhält. Es soll in der Pfeilspitze durch eine Rundtreppe und einen behindertengerechten Aufzug mit dem Erdgeschoss verbunden werden.
Der pfeilförmige Vorbau soll im Obergeschoss als Vorführsaal mit Sitzreihen und einer Projektionsleinwand eingerichtet werden und vor allem der 5,5 mal 5,4 Meter großen, vereinfachten Kopie von Boitards Festungsmodell von 1802-1807 eine neue Heimat bieten. Auch wenn dieses inzwischen ungeliebte Kind des hauptstädtischen Fremdenverkehrsamts, das gegen Gebühr und mit wechselndem Erfolg in einem Saal des Cercle in der rue du Curé zu besichtigen war, laut Philippe Simon "n'en présente ni valeur d'ancienneté, ni exactitude, ni beauté". Deshalb schlägt er vor, es mit Miniaturkameras und interaktiver Elektronik aufzurüsten, um seine Anziehungskraft zu steigern.
Das sperrige Ding soll auf einem versenkbaren Podest in der Mitte des dreieckigen Saals stehen und bei Bedarf im Boden verschwinden, damit der Saal auch für andere Versammlungen und Vorträge genutzt werden kann. Nachdem im Erdgeschoss die Bestandteile der Festung und ihre Funktionen erklärt wurden, soll im Obergeschoss als große Synthese die Geschichte der Belagerungen dokumentiert werden. Dazu gibt der Denkmalschutzdienst ein audiovisuelles Spektakel in Auftrag, das, wie in diesen Fällen üblich, die Touristen auch mit der nötigen Menge an Kanonendonner und Fanfarenstößen beeindrucken dürfte.
Neben dem verstoßenen Festungsmodell sollen im Obergeschoss des Re-duits auch noch überarbeitete Teile der Unabhängigkeitsausstellung von 1989 Unterschlupf finden. An den drei-eckigen Vorführraum grenzend soll so in den Flanken des Reduits auf 325 Quadratmetern die nationale Identität ausgestellt werden, im Geist der amtlichen De l'état à la nation-Ideologie und wohl auch des von der CSV/DP-Koalition angedrohten staatlichen Geschichtsbuchs. Den thematischen Zusammenhang mit dem Befestigungsmuseum sieht Georges Calteux darin, dass die nationale Identität sich erst mit dem Ende der "Fremdherrschaft" und der Schleifung der Festung richtig entfalten konnte.
Die Verwaltung des dem Denkmalschutzdienst unterstehenden Befestigungsmuseums soll durch ein Komitee geschehen, dem, ähnlich wie bei der Verwaltung der Burgen, eine gewisse Entscheidungsfreiheit eingeräumt wird. Im ersten Stockwerk sollen einige Büros eingerichtet werden. Dort soll auch die umfangreiche Sammlung von Plänen und Plankopien der Festung aller Epochen untergebracht werden.
Wo der Vorführsaal geplant ist, im Obergeschoss der Pfeilspitze, sollte eigentlich eine Brücke das Festungsmuseum mit dem Pei-Museum verbinden. Doch der Denkmalschutzdienst gibt die Hoffnung nicht auf, auch diesen Angriff aus dem angrenzenden Museum noch zurückschlagen zu können.