Konjunkturpaket

Der liebe Mittelstand

d'Lëtzebuerger Land vom 12.03.2009

Vielleicht ist es nur ein Versehen, dass der Erwerb des Ansemburger Schlossarchivs mit dem Codex marien­dalensis für 3,1 Millionen Euro keinen Eingang in das Konjunkturpaket gefunden hat. Denn bevor die Regierung am vergangenen Freitag ihr Programm verabschiedete, waren alle Ministerien aufgerufen, sich möglichst viele Ausgaben einfallen zu lassen, um über die symbolischen Grenzen von einer Milliarde Euro und drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu kommen. Die Vergrößerung des Weinmuseums A Possen in Ehnen gehört jedenfalls durchaus zu den Zukunftsinvestitionen, mit denen die Regierung die Krisenfolgen abwenden will.

Drei Monate vor den Wahlen will die Koalition sich um keinen Preis Tatenlosigkeit gegenüber der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten vorwerfen lassen. Und damit ist sie in feiner keynesianistischer Gesellschaft. Denn auch das 787 Milliarden Dollar schwere Konjunkturpaket, das die US-Regierung vergangen Monat beschloss, enthält unter anderem zwei Millionen Dollar zur Förderung der Astronomie in Hawaii, 1,7 Millionen Dollar für eine Imkerei in Texas, 819 000 Dollar zur Erforschung des Erbguts von Welsen in Alabama und 200 000 Dollar zur Entfernung der Tätowierungen von Straßenbanden.

Obwohl 1 228 Millionen Euro, auf welche die Regierung das Volumen ihres Konjunkturpakets beziffert, ein Siebtel des gesamten Staatshaushalts für das laufende Jahr ausmachen, lieferte die Regierung bisher keinerlei Angaben über die Finanzierung dieser Ausgaben in Zeiten rückläufiger Staatseinnahmen. Während die DP vor Steuererhöhungen nach den Wah­len warnt, befürchtet die Zentralbank in ihrem diese Woche veröffentlichten Bericht, dass als Folge des Konjunkturpakets das Haushaltsloch schon dieses Jahr größer als die laut Maastrichter Vertrag zulässigen drei Prozent sein werde.

Doch bisher scheint sich niemand sonderlich dafür zu interessieren, ob das Konjunkturpaket halten kann, was es verspricht, die aufgelisteten Maßnahmen auch tatsächlich die Auswirkungen der Krise bekämpfen werden, wie es der Regierungsplan ankün­digt. Wenn ein Konjunkturpaket 3,24 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten soll, wäre es spannend zu erfahren, um wie viel Prozentpunkte es das Bruttoinlandsprodukt zu erhöhen mag.Sicher gibt es verschiedene neue Maßnahmen, um in Not geratenen Betrieben umgehend zu helfen. Ein Gesetzentwurf sieht vor, dass der Staat Betrieben, die nach dem 1. Juli 2008 in konjunkturelle Schwierigkeiten geraten sind, bis zu einer halben Million Euro in bar zuschießen oder für die Abzahlung ihrer Darlehen bis zu einem Betrag in Höhe der jährlichen Lohnsumme bürgen kann. Außerdem sollen die Maximalsätze des Delkredereamts und der Zuschüsse für mittelständische Betriebe erhöht werden. Die im Rahmengesetz für den Mittelstand vorgesehenen Zuschuss­tranchen sollen zudem ein bis zwei Jahre früher ausgezahlt werden.

Nachdem der Beschäftigungsfonds durch ein bereits von einem Monat verabschiedetes Gesetz den Unternehmeranteil der Kurzarbeitsentschädigung übernommen hat, sieht das Konjunkturpaket auch eine mögliche Verlängerung der Kurzarbeitsperioden von einem halben auf ein ganzes Jahr und eine Erhöhung der Entschädigung von 80 auf 90 Prozent vor, wenn die betroffenen Beschäftigten sich fortbilden. Wo aber über Nacht Fortbildungs­angebote für derzeit über 9 000 Kurzarbeiter hergeholt werden sollen, bleibt ein Rätsel.

Aber ein Konjunkturpaket soll in erster Linie die Konjunktur beleben. Von den 1 228 Millionen Euro nennt die Regierung 595,67 Millionen oder die Hälfte „gezielte Maßnahmen zur Förderung der Kaufkraft“. Dabei handelt es sich allerdings um keine einzige neue oder zusätzliche Maßnahme. Viel­mehr ist es die säuberliche Auflistung der bereits zu Beginn des Jahres in Kraft getretenen Steuersenkungen, Erhöhung der Sozialtarife und der Umweltschutzzuschüsse bis zur Verschrottungsprämie für Altwagen.Alleine die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation und die Umwandlung verschiedener Steuerfreibeträge in Steuerkredite stellen einen Steuerausfall, den die Haushalte zusätzlich zur Verfügung haben, von 460 Millionen Euro dar. Dieser Betrag entspricht einem Drittel des gesamten Konjunkturpakets.Daneben wird die am 1. Januar erfolgte Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns, der Renten und des garantierten Mindesteinkommens als Konjunkturmaßnahme aufgeführt. Zusammen mit der Umwandlung der Heizkostenzulage in eine Teuerungszulage machen sie 82,69 Millionen Euro zusätzliche Kaufkraft aus. Da es sich aber weitgehend um regelmäßige, gesetzlich vorgeschriebene An­passungen handelt, scheint es doch übertrieben, sie als voluntaristische Konjunkturförderung darzustellen. Merkwürdig ist es schon, wenn auch vielleicht parteipolitisch nachvollziehbar, dass die Erhöhung des Mindestlohns um zwei Prozent im Konjunkturpaket auftaucht, nicht aber die zum selben Zeitpunkt erfolgte Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Dienst um 1,5 Prozent. Und wenn die Rückerstattung der Kfz-Steuerer­höhung an Behinderte plötzlich die Konjunktur beleben soll, gibt es keinen Grund, weshalb die Dienstleistungsschecks zur Kinderbetreuung im Konjunkturplan fehlen.

Sieht man jedoch die Kaufkraftförderung nicht bloß als Nettigkeit drei Monate vor den Wahlen an, lässt sich vielleicht sogar ökonomisch rechtfertigen, dass das Konjunkturpaket keine zusätzlichen und neuen Maßnahmen im Vergleich zu den im Dezember mit dem Staatshaushalt beschlossenen enthält. Denn in einem sehr kleinen Land, das für den Export produziert und seinen Konsum importiert, stellt sich immer die Frage nach ihrer Wirkung.Deshalb wirkt sich die Erhöhung der Kaufkraft vor allem auf den Handel aus, das heißt auf dessen Gewinn­spannen beim Verkauf importierter Produkte und weniger auf die Produktion der wenigen einheimischen Konsumgüter. Damit wird vor allem ein Sektor gefördert, der vergleichsweise wenig von der Krise betroffen ist und sogar „eine ermutigende Dynamik zeigt“, wie die Zentralbank in ihrem Bulletin berichtet. Am härtes­ten trifft die Krise die Exportindustrie, deren Produktion laut Statec vom Dienstag im letzten Vierteljahr 2008 um 16,2 Prozent gefallen ist, davon in der Stahlindustrie sogar um die Hälfte. Weil kein Privathaushalt mit wachsendem Einkommen zusätzliche Grey-Träger oder Lkw-Reifen kauft, geht das Konjunkturpaket an diesen am härtesten getroffenen Branchen fast wirkungslos vorbei.

Das statistische Amt des Wirtschaftsministeriums Statec hatte im September 2007 mit seinem makroökonomischen Simulationsmodell Modux die Auswirkungen von Steuersenkun­gen auf die Konjunktur geschätzt (Cahier économique Nummer 104). Danach führt eine Steuersenkung in Höhe eines Prozents des Bruttoinlandsprodukts zu dessen Erhöhung um ein halbes Prozent, sowie einer Vergrößerung des staatlichen Haushaltslochs um 0,7 Prozentpunkte, einer Verschlechterung der Außenhandelsbilanz um 0,8 Prozentpunkte und einer Vergrößerung der Arbeitslosigkeit um 0,1 Prozentpunkte. Um die Rezession abzuwenden, müsste das Volumen des Konjunkturpaketes also um ein Vielfaches größer sein.

Gibt der Staat denselben Betrag statt zur Kaufkraftförderung für öffentliche Investitionen aus, wächst das Bruttoinlandsprodukt im Modux um ein oder zwei Zehntelprozent mehr, während die Arbeitslosigkeit sogar leicht zurückgeht. Deshalb sieht das Konjunkturpaket zusätzliche Investitionen in Höhe von 70 Millionen Euro dieses Jahr vor, die vor allem Handwerksbetrieben zugute kommen sollen (siehe Seite 6). Mit Handel und Handwerk unterstützt das Konjunkturpaket in einer internationalen Krise des Finanzwesens und der Industrie also vor allem den lokalen Mittelstand.

Die im Konjunkturpaket aufgelisteten Direkthilfen an die Betriebe, die 197,85 Millionen oder 16 Prozent des ganzen Paktes ausmachen, wurden größtenteils aus dem im Dezember verabschiedeten Haushaltsgesetz über­nommen. Dazu zählt die ursprünglich zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit angekündigte Senkung der Körperschaftssteuer, die sich vielleicht in zwei Jahren, also nach dem Ende der Krise, in den Kassen der Betriebe bemerkbar macht, und sogar die auf Druck der Europäischen Kommission zum 1. Januar erfolgte Abschaffung der Gesellschaftssteuer. 

Romain Hilgert
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