Blau-rot-grüne Koalition

Urabstimmung

d'Lëtzebuerger Land vom 29.11.2013

Am Dienstagabend wollen DP, LSAP und Grüne zeitgleich über das Programm und die Besetzung der nächsten Regierung abstimmen. Es ist ein kleines historisches Ereignis. Denn geplant ist die dritte Koalition ohne Beteiligung der Rechten seit Einführung des allgemeinen Wahlrechts vor einem Jahrhundert.

Misst man Demokratie an der Zahl der an Entscheidungen Beteiligten, dann ist die interne Demokratie bei den drei Parteien unterschiedlich ausgeprägt: Bei der DP beschließt das 45-köpfige Direktionskomitee von Parteiführung, Abgeordneten, Bezirks- und Unterorganisationsdelegierten mit absoluter und notfalls relativer Mehrheit über das Koalitionsabkommen und die liberalen Minister. Bei der LSAP entscheidet zuerst der Landeskongress über das Prinzip der Regierungsbeteiligung, danach bezeichnet auf Vorschlag der Parteileitung der aus Parteileitung, Abgeordneten, Bürgermeistern, Bezirks- und Unterorganisationsdelegierten bestehende 110-köpfige Generalrat die künftigen LSAP-Minister. Bei den Grünen ist es die Landesversammlung, an der mindestens ein Sechstel aller Parteimitglieder teilnehmen muss, die mit einer 3/5-Mehrheit über die Regierungsbeteiligung, das Koalitionsabkommen und die grünen Regierungsmitglieder entscheidet.

Ein wenig wissen alle Beteiligten noch nicht so recht, wie ihnen geschehen ist. Denn das Zustandekommen der Koalition grenzt an Zufall: Ohne den zusätzlichen LSAP-Sitz im Norden, der den Verlust eines Sitzes im Zentrum kompensiert, wären die drei Parteien nicht auf die 32 Sitze gekommen, die sie schon vor den Wahlen für die politisch kleinstmögliche Mehrheit gehalten hatten. Nach dem blitzschnellen Ausbooten der CSV wurden nun auch die Verhandlungen überraschend schnell abgeschlossen, obwohl die Verhandlungsdelegationen zuerst angekündigt hatten, sich jede Menge Zeit zu lassen, um angesichts der knappen Mehrheit ein „wasserdichtes“ Abkommen für alle Eventualitäten auszuhandeln.

Deshalb sind sich die meisten Parteidelegierten auch noch nicht sicher, ob sie am Dienstag über einen fertigen Text des Koalitionsabkommens entscheiden können oder sich wieder auf ein Resümee ihrer Verhandlungsdelegationen verlassen müssen. Manchen ist jedenfalls schon aufgefallen, dass die CSV/LSAP-Koalition 2009 die Öffentlichkeit nach jeder Verhandlungsrunde weit detailreicher über ihre Beschlüsse informierte, als die sich diesmal meist auf Allgemeinplätze beschränkenden DP, LSAP und Grünen.

Trotzdem dürfte am Dienstag bei allen Parteien die Freude über die Skepsis siegen: Bei der DP, der deutlichen Wahlsiegerin, welche unter Beteiligung prominenter Wirtschaftsführer in die Verhandlungen ging, um ihren Mitgliedern und Wählern zu zeigen, dass sie in der Regierung den Ton angibt und nicht irgendwelche rote oder grüne Spinner. Bei der LSAP, die sich noch zum Jahresbeginn damit abgefunden hatte, nach den für 2014 geplanten Kammerwahlen in der Opposition zu landen. Bei den Grünen, die endlich in eine Regierung dürfen, obwohl sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein Abgeordnetenmandat verloren haben.

Da wird am Dienstag wohl keine Parteibasis allzu lange nach einem Haar in der Suppe suchen. Und um ihre Truppen wie ein Mann hinter sich zu scharen, verbreiteten die Koalitionäre am Montag noch schnell mit Panikwörtern wie Religionsunterricht, Kirchensubvention und Te Deum etwas Kulturkampfstimmung, eine der ältesten, tiefsten und unkompliziertesten Fronten der Luxemburger Politik. Zum Glück nahm Generalvikar Erni Gillen das Angebot noch am selben Tag dankend an und entrüstete sich im Eingang der Bistumsverwaltung vor laufenden Kameras.

Romain Hilgert
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