Wie den Weltraum tanzend erkunden? Zwei Tänzerinnen betreten die Bühne; eine trägt einen Raumfahrthelm wie eine Astronautin. Sie trippelt mit vorsichtig-verschreckten Schritten über unbekanntes Terrain, während die Musik sich apokalyptisch über die Szenerie legt. In Soul Scapes verschmelzen surrender Sound und Tanz von Anbeginn miteinander.
Es ist die zehnte Choreografie Tania Soubrys und ihre erste Zusammenarbeit mit Catherine Elsen. Die Idee entstand während einer Residenz in Conway Hall in London. „Indem wir uns mit unserem Seelenwesen verbinden, oder uns als Seelen erinnern, anstatt an die Gedanken oder nur an die materielle Existenz, schaffen wir Seelenlandschaften“, so Soubry. Der Titel ihrer Choreografie, Soul Scapes, kann also als Leitmotiv verstanden werden. Die daraus gewonnene Praxis – ein Kaleidoskop von Seelenzuständen – teilte sie mit Catherine Elsen; gemeinsam entdeckten sie Stimmungen und begannen Figuren zu entwerfen, wie ein Walross oder eine Sirene. Für die Choreografie über Raumerkundung im All hätten sie die Arbeiten von Ivo Dimchev (der sich mit seinen radikalen Performances an der Grenze zwischen Tanz, Theater und Kunst bewegt) inspiriert; sie habe sich zur Einstimmung aber auch Filme wie Space Odyssey und Solaris von Tarkowski angesehen.
„Good evening ladies and gentlemen and welcome to the opderschmelz space station!”, begrüßt das Tänzerpaar das Publikum im ausverkauften Saal. „Yes indeed it’s the launch of our schmelzi space-miner. As you know, we could only let you special 50 people into our centre today to witness the launch in person, but the world is watching, the cameras are on and we are live streaming…“
Im Entdecken neuer Grenzgebiete und der Nutzung von Weltraum-Ressourcen liege die Zukunft! Es fallen Zahlen in schwindelerregender Höhe, 17 Billionen Euro sei ein Metall-Asteroid wert. Das letzte Ziel? Space-colonization!
„No need to be bored on earth anymore, we offer you futuristic escapist entertainment.“ –
„But, most importantly, we are saving humanity and we are preserving a dying Earth by using the resources of space and by moving high-polluting industries like manufacturing to other planets.“ Am Ende steht ein: Let’s make it happen, das den politischen Diskurs entlarvt.
Eine der Tänzerinnen sinkt zusammen und greift nach ihrem überdimensionalen Helm. Die andere dreht sich mit bunter Perücke am Boden um die eigene Achse, um sich wiederaufzurichten. Das anfänglich scheue Betasten wird zur sinnlichen Choreografie: mehr freudig denn düster.
Der Dialog zwischen den beiden? Ein einfaches Erklären der Absichten der Weltraumexploration. „Nun, ich bin den ganzen Weg von der Erde gekommen, um Mineralien von hier zu sammeln, von diesem Asteroiden.“ – „Welche Erde? Welche Sammlung? Welche Mineralien? Sind Sie ein Teil der Erde?“ – „Ich bin ein Mensch.“ „Oh ein Mensch, davon habe ich gehört. Heißt das, Du bist von der Erde getrennt? Was ist also los? Du willst also etwas von mir?“ – „Ich bin hier, um Mineralien zurück zur Erde zu bringen – Blumen!“ „Warum?“ – „Weil ich sie brauche!“
Schwingend bewegen sich die beiden Frauen in schwarz glitzernden Kostümen zu blechernen Klängen. Irgendwann werden sich die Tänzerinnen aufeinander zu bewegen und prompt wieder auseinander gleiten. Mit ihren bunten Perücken treten sie ans Mikro und hauchen: „We are here because of you and you because of us; we are here on planet earth, a spiritual rebirth, welcome to the inner space; as we connect to grace, the theatre of human consciousness.“
Dieses Projekt will ein Bewusstsein schaffen für ein Thema, das kaum diskutiert wird. In einem an die Wand projizierten Text ist zu lesen, dass die „Magna Carta of Space“ zum ersten Mal 1961 unterzeichnet wurde und vorsah, Raum als „res communis“ zu etablieren. Jede Entscheidung über Space Exploration, Infrastruktur oder Bewohnung bedürfe einer demokratischen Partizipation. Soubrys Choreografie lässt keinen Zweifel, dass sie dem Space Mining kritisch gegenübersteht. Die polyphone eklektisch-dynamische Choreografie von knapp 40 Minuten reißt einen mit. Stand anfangs Beklemmung, so gleicht der sinnliche Abschluss eher einer Travestieshow. Kann Freude zu einem Bewusstseinswandel führen?
Soul Scapes greift das Thema Weltraumbergbau plakativ und etwas esoterisch auf. Das anschließende Publikumsgespräch gab Aufschluss über die unterschiedliche Rezeption der Zuschauer/innen. Auf die in den Raum geworfene Frage, wer für 150 000 US-Dollar zum Mars fliegen würde … oder für vier Euro, gab es kaum Reaktionen. Zur Performance fielen die Stimmen unterschiedlich aus: Philippe Schockweiler von den Grünen beschwor die Faszination der Weltraumforschung: „Es ist doch noch eines der wenigen Themen, die verknüpft sind mit Faszination und Hoffnung.“ Eine Frauenstimme warf ein: „Es gibt so viele Ressourcen und so viele Probleme in der Welt – wieso wird so viel Geld in die Erschließung des Weltraums verballert?” Während die Künstlerin Justine Blau nur ein Wort in den Raum warf: „Testosteron!“.