„Ass den CSV-Staat erëm do?“, fragte die LSAP-Abgeordnete Francine Closener am Freitag vergangener Woche im 100,7 kämpferisch. Da hatte das Wort berichtet, dass Thierry Hoscheit zum 15. September als Verwaltungsratspräsident der Medienaufsichtsbehörde Alia (Autorité luxembourgeoise indépendante de l’audiovisuel) zurückgetreten sei. Weil Hoscheit nicht irgendwer ist, sondern im Hauptberuf Richter und zurzeit Präsident des Obersten Gerichtshofs, schlug sein Rücktritt zusätzliche Wellen. Closener kündigte an, sich bei der delegierten Medienministerin Elisabeth Margue (CSV) in der nächsten parlamentarischen Fragestunde an die Regierung erkundigen zu wollen, ob ihr Ministerium „mehr Kontrolle“ über die Alia haben will.
Dass Hoscheit aus „Sorge um die Unabhängigkeit“ des Regulateurs zurückgetreten war, weil das Medienministerium die Prozedur zur Neubesetzung des Direktorenpostens anders handhabte als unter der vorigen Regierung, schreibt die Alia selber auf ihrer Webseite. Der aktuelle Direktor Paul Lorenz, langjähriger CLT/Ufa-Manager, ist seit 2019 im Amt. Sein Mandat läuft im September aus, ist aber verlängerbar. Dass das Ministerium den Job ausschrieb, verstand Lorenz offenbar so, dass er nicht mehr erwünscht sei. Er sehe nicht ein, „an einem beauty contest teilzunehmen“, erklärte er am 16. Mai dem Wort.
Der große Stein des Anstoßes ist aber nicht, dass der Posten ausgeschrieben wurde. Das war 2014 und 2019 auch so. Damals aber tat der Alia-Verwaltungsrat das. Diesmal setzte das Medienministerium eine Annonce auf das Staatsportal govjobs.lu. Und hatte bisher der Alia-CA die Rekrutierungsprozedur in der Hand, berief das Ministerium nun ein fünfköpfiges Auswahlkomitee ein. Darin vertreten war die Alia nicht, sondern das Medien- und das Beamtenministerium, die große Regulierungsbehörde ILR, die Wettbewerbsaufsicht und der Presserat. Am Ende erhielt der Alia-Verwaltungsrat nur die eine Kandidatur pour avis, die das Komitee als die geeignetste ausgewählt hatte.
Die auch politisch interessante Frage, wieso der Alia die Rekrutierung nicht überlassen wurde und sie nur eine Kandidatur zur Begutachtung erhielt, beantwortete Elisabeth Margue am Mittwoch nicht. Das nicht ganz klar formulierte Alia-Gesetz von 2013 schließt nicht aus, dass die Regierung bei der Rekrutierung die Fäden in der Hand hält. Allerdings ließ 2014 und 2019 der damalige Medienminister und DP-Premier Xavier Bettel dem Alia-CA freie Hand. Weil eine Regulierungsbehörde, die unabhängig sein soll, staatsfern sein muss, konnte das nicht falsch sein.
Dagegen hält Elisabeth Margue es der Einbindung des Alia-Verwaltungsrats für genug, dass er sich zu der Stellenanzeige äußern und die vom Auswahlkomitee am Ende zurückbehaltene Person zwei Mal „interviewen“ konnte. „Der ganze Prozess war eigentlich sogar schwieriger, weil der Kandidat von insgesamt zehn Personen begutachtet wurde“, sagte Margue in ihrer Antwort auf Francine Closeners question parlementaire orale. Und fügte an, der neue Direktor (oder die neue Direktorin) werde „sogar unabhängiger“ vom Alia-Verwaltungsrat sein. Das sei „nur nützlich“. Wie die Regierung sich das Funktionieren der Alia vorstelle, solle der Verwaltungsrat entscheiden, während der Direktor die Entscheidungen durch Ermittlungen vorbereiten lässt und am Ende ausführt, was der CA beschlossen hat.
Das hörte sich an, als gehe es der Regierung um Effizienz. Denn tatsächlich wirkt bei der Alia der CA auch im Tagesgeschäft mit; die nur 13 Angestellten sind einfach nicht genug. Ein wesentlich größeres Budget hatte der Alia auch die vorige Regierung nicht geben wollen. Die große Frage ist deshalb, wo die CSV-DP-Regierung mit der Alia überhaupt hinwill. Laut Koalitionsvertrag soll das 33 Jahre alte Gesetz über die elektronischen Medien reformiert werden. Die „gouvernance“ der Alia auch, wie Elisabeth Marge am Mittwoch erklärte. Für kommenden Donnerstag sagte sie zu, mit dem parlamentarischen Medienausschuss weiterzudiskutieren. Das ist nicht zu früh: Einerseits, weil der Direktorenposten noch nicht endgültig vergeben ist. Andererseits, weil es sehr sinnvoll ist, jetzt schon zu fragen, wen die Alia in Zukunft kontrollieren und regulieren soll und wie. Wie die Erfahrung der letzten Zeit in Europa lehrt, sind weitaus autoritärere Regierungsformen denkbar als der CSV-Staat, falls er „wiederkommt“. Je weiter weg vom Staat eine Medien-Regulierungsbehörde ist, desto besser.