LEITARTIKEL

Bettel an Bettel

d'Lëtzebuerger Land du 28.07.2023

Presserats-Präsident Roger Infalt hat recht: Was mit DP-Premier und Medienminister Xavier Bettel Ende voriger Woche abgemacht wurde, ist „ein großer Schritt nach vorn“. Berufsjournalist/innen sollen ein Zugangsrecht auf Informationen öffentlicher Einrichtungen erhalten. Das heißt: ein spezifisches Zugangsrecht. Vor den Wahlen 2018 hatte das Parlament das „Transparenzgesetz“ verabschiedet. Ohne Unterschiede zu machen, gibt es allen Bürger/innen ein Recht, „administrative Informationen“ zu erhalten. Von Ministerien und Verwaltungen, aber auch von Staatsrat oder Rechnungshof zum Beispiel.

Doch das kann schwierig sein. Was „administrative Informationen“ sind, ist nicht ganz klar. Die Herausgabe darf einen Monat dauern, bei Bedarf zwei. Sie kann aus diversen Gründen verweigert werden. Etwa wenn die betreffende Verwaltung meint, die nationale Sicherheit stehe auf dem Spiel, oder es gehe um „Vertrauliches“ oder um interne Verwaltungsverfahren. Beschwerden nimmt die Commission d’accès aux documents entgegen, doch die hat die Informationen selber nicht und kann schlecht einschätzen, ob eine Anfrage zu weit geht. Kann sein, am Ende bleibt nur der Gang vors Verwaltungsgericht. Was Zeit und Geld kostet.

Die Scheintransparenz ist ein Erbe des CSV-Staats. Die Diskussion um den Informationszugang ist fast 20 Jahre alt. 2004 hatten die – damals drei – Journalistengewerkschaften sie losgetreten. CSV-Premier Jean-Claude Juncker und seine Medienminister ließen sich auf die Gespräche ein, die sich, mit langen Unterbrechungen, über zwei Legislaturperioden hinzogen. Einem spezifischen Informationszugang für die Presse zustimmen wollte Juncker nie. „Transparenz für alle“ diente als Vorwand, um sie einzuschränken. Xavier Bettel sah das nicht viel anders: Für das 2018 verabschiedete Transparenzgesetz hatte er 2015 den Entwurf im Parlament eingereicht. In seinem Ansatz unterschied dieser Text sich wenig von dem, den Juncker Anfang 2013 hinterlegt hatte. Zu stark durchlüften wollte die liberale Koalition den CSV-Staat nun auch wieder nicht.

Für die Presse soll sich das nun ändern: Wird eine Information angefragt, die in einem Dokument steht, das auch Dinge enthält, die nicht kommuniziert werden sollen, würden diese Passagen unleserlich gemacht. Und die Zugangskommission bekäme die betreffenden Dokumente obligatorisch, so dass sie aufgeklärte Entscheidungen treffen und ihrem Daseinsgrund gerecht werden könnte. Vorausgesetzt natürlich, der „große Schritt“ bleibt nicht nur auf dem Papier stehen. Der Wahltermin ist nahe genug, dass im Medienministerium lediglich an einem Vorentwurf für eine Gesetzesänderung gearbeitet wird, den die nächste Regierung sich zu eigen machen kann oder nicht. Xavier Bettel hat eine Note an den nächsten formateur aufgesetzt, damit dieser dem Vorentwurf Beachtung schenkt.

Man versteht natürlich: Premier Bettel schreibt in erster Linie an formateur Bettel, wenn sich das nach den Wahlen so ergibt. Es ist dem gewieften Machtpolitiker durchaus zuzutrauen, dass er die Arbeitsgruppen-Gespräche über den Informationszugang für Journalist/innen inhaltlich und zeitlich so gestaltete, dass sich aus ihnen kein Gesetzentwurf mehr ergeben musste, sondern sich ein Wahlkampfversprechen auf einen DP-Staat ergab, der transparenter wäre als irgendeine Wiederkehr des CSV-Staats mit Luc Frieden an der Spitze. Sich selber setzt Bettel politisch freilich unter Druck: Einen Rückzieher hinter die Zusage von vergangener Woche könnte eine weitere Regierung mit ihm an der Spitze sich kaum erlauben. Die Note ist schon geschrieben und wurde vorigen Freitag vom Regierungsrat angenommen.

Die ganze Diskussion hat aber noch eine weitere Facette. Die Arbeit der Presse erleichtern zu wollen, ist das eine. Transparenz für alle Bürger/innen herzustellen, das andere. Vergessen werden darf nicht, dass die aktuelle Regelung weit weg ist von einer wie dem Freedom of Information Act, wie er in den USA für die gesamte Öffentlichkeit gilt. Meint die nächste Regierung es ernst mit der Transparenz, müsste sie auch daran gehen, sie für alle Bürger/innen zu verbessern. Angefangen mit den Zuständigkeiten der Beschwerdekommission.

Peter Feist
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