Die Uni steht seit drei Wochen unter der Kuratel ihres Aufsichtsrats. Erstaunlich viele finden das ganz gut so

Und dann kam die CTO

Rolf Tarrach, Rainer Klump
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 21.04.2017

Vergangene Woche klagte ein Professor der Universität Luxemburg, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, gegenüber dem Land: Nicht mal für studentische Hilfskräfte gebe es derzeit Geld. Wolle man eine solche Hilfskraft, die monatlich vielleicht 700 Euro koste, für ein paar Monate mit einem Projekt betrauen, dann sei das mit einer Odyssee durch die Verwaltung von Uni.lu verbunden, und am Ende laute die Auskunft, entscheiden könne darüber nur der Rektor.

Dass Rektor Rainer Klump schon seit März krank geschrieben ist, macht die Dinge natürlich nicht einfacher. Sie sind aber noch komplexer. Seit Anfang dieses Monats ist es nicht mehr das Rektorat, das über Geldfragen entscheidet, obwohl es laut Universitätsgesetz die „Exekutive“ der Uni ist. Geleitet wird die Uni nun von einem „Management-Team“. Das Rektorat ist darin auch vertreten. Ludwig Neyses, der Vizerektor für Forschung, führt als dienstältester Vizerektor Klumps Amt kommissarisch aus und hat Unterschriftsvollmacht. Im Management-Team aber ist er nur eine Art Sprecher des Rektorats, und mit am Tisch sitzen Betriebsprüfer von McKinsey sowie ein „Chief transition officer“. Diesen CTO, eine freischaffende Unternehmensberaterin, hat der Aufsichtsrat kurzfristig eingestellt, um bei Uni.lu nach dem Rechten sehen zu lassen. Gewissermaßen steht die Uni seit 1. April unter der Kuratel ihres Aufsichtsrats. Dessen Präsident Yves Elsen, Unternehmer und CEO der Firma Hitec, schaut immer wieder selber im Management-Team vorbei. In seinem Büro im Verwaltungstrakt der Maison du savoir in Belval ist er so oft anzutreffen, dass man sich an der Uni schon erzählt, sein Vorgänger Marc Jaeger sei in den zweieinhalb Jahren als Aufsichtsratsvorsitzender so oft in seinem Büro gewesen wie Elsen in einer Woche. Und vor allem von Geisteswissenschaftlern aus der kaum mehr als einen Steinwurf von der Verwaltung entfernten Maison des sciences humaines ist zu hören, nun hätten „die Unternehmer“ das Ruder bei Uni.lu übernommen. Neben Yves Elsen ist damit auch Aufsichtsrats-Vizepräsident Alain Kinsch gemeint, Managing Partner bei E/Y.

Doch so düster ist die Lage offenbar nicht. d’Land hat in den vergangenen zwei Wochen zahlreiche Gespräche an der Universität geführt und auch zum Teil langgediente und hochrangige Professoren interviewt. Namentlich äußern wollte sich niemand, aber viele der Interviewten halten das derzeitge Management für „nötig“ oder sogar für „gesund“. Regelmäßig trifft das Management-Team sich auch mit den Dekanen der drei Fakultäten und den Direktoren der drei interdisziplinären Forschungszentren. Ein Professor hält „diese kollektive Führung“ für „erfrischend“.

Und genau genommen hat der Universitätsrat, jenes Gremium, welches das Rektorat berät und dem neben diesem sowie den Dekanen auch Vertreter der Professorenschaft, der Forscher, des administrativ-technischen Personals und der Studenten angehören, um die Kuratel des Aufsichtsrats sogar gebeten.

Am 30. März hatte der Universitätsrat die Budgetvorlage des Rektorats für 2017 zurückgewiesen. Das schlug Wellen in den Medien; Radio 100,7 meldete, das Rektorat sei „desavouiert“ worden. Gegenüber dem Land bezeichnet ein Ratsmitglied den Vorgang allerdings als „Sternstunde“: In der Begründung seiner Entscheidung zum Budget habe der Conseil universitaire zwar geschrieben, er sei nicht einverstanden, dass universitätsweit gespart werden solle. Im nächsten Satz jedoch habe er erklärt, an der Uni müssten die Verwaltungs- und Budgetprozesse verbessert werden. Als am 1. April der Aufsichtsrat den Budgetentwurf annahm und in einer Pressemitteilung schrieb, er habe „Kenntnis genommen“ von der Position des Universitätsrats und fordere das Rektorat auf, diese Prozesse „unverzüglich“ zu verbessern, denn „an einer in Lehre und Forschung leistungsfähigen Universität“ müsse „das Exzellenzprinzip“ auch für Verwaltung und Management gelten, lagen beide Gremien letztlich auf einer Linie. Aufsichtsratschef Elsen engagierte Madame CTO, und desavouiert wurde vor allem Rektor Rainer Klump.

Das aber hatte nicht erst an der Monatswende März/April begonnen. Der Aufsichtsrat hatte schon im Herbst vorigen Jahres einen anderen Umgang mit den Finanzen gefordert und gab im Dezember nur einem vorläufigen Budget für das erste Quartal dieses Jahres grünes Licht. Vom Rektor verlangte er, klarere Prozeduren einzuführen und nach ihnen ein Budget für die verbleibenden Monate aufzustellen. Das veranlasste Rainer Klump offenbar nicht: Der im Februar veröffentlichte externe Evaluationsbericht über die Uni hält fest, ihr fehlten klare Budgetprozesse. Dabei bestehen sie an den Fakultäten und interdisziplinären Forschungszentren bereits. An der Fakultät für Recht, Wirtschaft und Finanzen beispielsweise sind sie sogar ISO-zertifiziert. Der Aufsichtsrat wollte das über die Uni verallgemeinert haben. Der Rektor aber legte, Land-Informationen zufolge, dem Aufsichtsrat zwei Mal so gut wie denselben Budgetvorschlag ohne neue Regeln vor.

Die Budgets der Uni sind Verschlusssache. Publik macht sie nur, Jahr für Jahr vor den Sommerferien, Aktivitätsbericht und Bilanz des Vorjahres. Sie deuteten noch nie darauf hin, dass es Uni.lu an Geld fehle. Seit ihrer Gründung 2003 kam die Universität nicht nur stets aus mit ihrem Budget, sondern verbuchte Überschüsse: 2015 über sechs Millionen Euro, 2016 seien es 2,5 Millionen gewesen, verriet Hochschulminister Marc Hansen (DP) vor drei Wochen. Doch wie d’Land erfuhr, sind in der letzten Zeit Ausgaben aufgelaufen, die nicht eingeplant sind. Sie betreffen nicht nur die Gebäude in Belval, wovon schon vor Wochen öffentlich die Rede war, weil die Uni das dem Fonds Belval 2016 abgetrotzte eingeschränkte Verfügungsrecht über Räume in der Cité des sciences nun durch Beteiligung an Instandhaltungskosten bezahlen muss. Es sollen auch Verträge mit IT-Lieferanten bestehen, die für die Uni nachteilig sind, aus denen sie aber nicht mehr aussteigen kann. Und es wurde in letzter Zeit anscheinend deutlich mehr neues Personal eingestellt, als geplant war – vor allem in der Zentralverwaltung der Uni. Wie viel, ist unbekannt. Der Hochschulminister erklärte am 4. April vor der Presse launig, „wenn vergangenes Jahr 130 Leute neu eingestellt wurden und seit Anfang dieses Jahres nochmal hundert, dann braucht man natürlich mehr Büroflächen“.

Um Licht in die Ausgaben zu bringen, bestellte der Aufsichtsrat bei McKinsey ein Audit. Einzelheiten sind nicht bekannt, doch was darin steht, führte nach der Budgetsitzung des Aufsichtsrats zum vorläufigen Stopp für neue Ausgaben – unter anderem für studentische Hilfskräfte. Bis Ende dieses Monats sollen die Zügel aber gelockert werden. Immerhin genehmigte der Regierungsrat Uni.lu für dieses Jahr nicht nur ein Budget, das mit 224 Millionen Euro sechs Prozent beziehungsweise zwölf Millionen Euro über dem von 2016 liegt. Die Uni kann auch von über die Jahre kumulierten Überschüssen von 10,9 Millionen Euro zehren. Rein arithmetisch sind das 23,1 Millionen Euro mehr als voriges Jahr. Allerdings werden die zum einen von den ungeplanten Ausgaben aufgefressen, zum anderen durch Wünsche der Fakultäten und Forschungszentren nach mehr Geld. Von Gehältern abgesehen, können die Fakultäten seit drei Jahren nicht mehr ausgeben. Mehr Geld aus der Staatskasse ist an politisch Beschlossenes zweckgebunden: für das Logistik-Zentrum, das Institut für Zeitgeschichte sowie für den Ausbau der Allgemeinmedizinerausbildung, die noch nichts zu tun hat mit dem „Medizin-Bachelor“. Unter dem Strich muss Uni.lu deshalb doch sparen, sechs Prozent vor Gehältern sind es für dieses Jahr über die ganze Universität. Wie das gehen soll und wie man darüberhinaus noch zu klaren Budgetprozeduren gelangt, sollen die CTO und McKinsey dem Rektorat klären helfen. Bis Ende Juli soll das geschafft sein.

Rektor Rainer Klump ist für einen Kommentar nicht zu erreichen. Vergangene Woche hatte die Pressestelle der Uni mitgeteilt, nach Ostern komme er aus dem Krankenurlaub zurück. Am Dienstag hieß es, er werde erst nächste Woche erwartet. Bereits im März war Kritik an Klump auch öffentlich geworden: Es fehle ihm an Sachkenntnis und Durchsetzungsvermögen, hatte Radio 100,7 anonyme Quellen aus der Uni zitiert. d’Land hörte Aussagen, von denen die, Rainer Klump sei seit seinem Amtsantritt vor über zwei Jahren „noch immer nicht an seiner Universität angekommen“, die freundlichste ist.

Eigentlich ist das erstaunlich. Klump war immerhin Vizepräsident der Goethe-Universität Frankfurt, ehe er nach Luxemburg kam. Er ist also kaum unerfahren in Führungsdingen einer Uni. Doch die Uni Frankfurt ist mit 47 000 Studenten nicht nur viel größer als Uni.lu. 1914 gegründet, ist sie auch älter. Und sie ist eine von vielen Unis in Deutschland, während die Uni Luxemburg die einzige öffentliche Universität im Großherzogtum ist, die zum Teil mühsam aus ehemaligen Hochschul-
instituten fusioniert wurde, zum Teil hochkarätige Abteilungen mit viel Geld vom Staat aufbaute. Und sie unterliegt in dem kleinen Land, dessen Wirtschaft so schnell es geht diversifiziert werden soll, allen möglichen Ansprüchen von außen: Sie soll auf die aktuellen Bededarfe des Arbeitsmarktes und auf die vermutlich künftigen mit Fintech und „Industrie 4.0“ hin ausbilden. Sie soll den heimischen Betrieben beim Innovieren unter die Arme greifen, aber auch akademische Grundlagenforschung betreiben. Dass die Regierung dabei Einfluss nimmt, ist ein offenes Geheimnis: Durch die Vergabe von Extra-Forschungsprojekten, etwa in den Erziehungswissenschaften oder der Fintech, beeinflusst sie die Agenda der Uni, reicht aber auch Gelder aus der Staatskasse außer der Reihe über den Tisch. Eine spezielle Arbeitssituation für den Chef der Exekutive einer Uni ist das schon.

Und wenn Rainer Klump von seinem Vorgänger Rolf Tarrach etwas unterscheidet, dann ist es nicht nur das anscheinend sehr diplomatische Auftreten des Hessen, während Tarrach dazu neigte, zu verstehen zu geben, „ich will das und sonst nichts“. Tarrach war als Rektor in Luxemburg überaus präsent, war Mitglied in Clubs, ließ sich bei öffentlichen Anlässen sehen. Rainer Klump sah man bisher nie. „Mich hat er enttäuscht, er ist ein Flopp“, sagt ein Professor, der sich viel von dem neuen Rektor versprochen hatte. Etwa, dass er durch den Dialog mit Professoren, Wissenschaftlern und Studenten der Uni neue Wege eröffnen werde, während der eigensinnige Tarrach eher darauf bestand, der Chef zu sein. War er der Rektor der Gründerzeit, in der Goldgräberstimmung herrschte und viel Geld an die Uni floss, sollte Klump die Konsolidierung anführen. Doch die Bottom-up-Bewegung hin zur neuen Ära kam nicht zustande. Ende vergangenen Jahres stellte Klump ein „Leitbild“ für die zehn Jahre bis 2026 vor. Uni.lu sollte „unter die zehn besten jungen Hochschulen der Welt“ aufrücken. Doch in dem elf Seiten langen, auf Englisch verfassten Papier stehen nur wolkige Andeutungen von „strengths of the most international university in Europe“, einem „commitment to digitalisation“ und einer „sustainable integration into Luxembourg“. Was das konkret heißen soll, welche Ziele sich Uni.lu unterwegs setzt und mit welchem Aufwand sie diese zu erreichen gedenkt, erfährt man aus dem Papier nicht – das angeblich in einer Nacht- und Nebelaktion verfasst wurde.

Und wie zu erfahren ist, geht es im Management-Team nicht um Rainer Klumps Strategic Framework. Sondern eher darum, wie sich vermeiden lässt, dass die derzeitige Führungskrise die Glaubwürdigkeit der Uni untergräbt. Kommt Rainer Klump nächste Woche zurück, würde er nicht gleich wieder Chef der Exekutive von Uni.lu, sondern Vizerektor Neyses als Sprecher des Rektorats am Tisch mit der CTO, McKinsey und Aufsichtsratspräsident Yves Elsen ablösen.

Das ist natürlich ein gewisses Politikum. Dieses Jahr muss der nächste Vierjahresplan mit der Regierung verhandelt werden. Klappt das nicht, fehlte die Grundlage, auf der die Uni ab 1. Januar 2018 und bis Ende 2021 ihre Block Grants aus der Staatskasse beziehen kann. Bis die CTO Ende Juli ihre Arbeit einstellt, soll das Management-Team dem Hochschul- und Forschungsminister die Vorstellungen der Uni über ihre Entwicklung und die Prioritäten in den nächsten vier Jahren mitteilen. Dass der Aufsichtsrat und Unternehmensberater dabei an vorderster Stelle mitwirken, ist nicht nur ungewöhnlich, sondern vermutlich auch nicht ganz konform mit den Rollen, die das Gesetz den Akteuren der Uni zuweist.

Doch Minister Hansen nutzte den Montag zwei Tage nach der entscheidenden Budgetsitzung des Aufsichtsrats nicht nur dazu, den Gesetzentwurf vorzustellen, der das Uni-Gesetz anpassen soll, und damit politische Präsenz in einer öffentlich damals noch wenig bekannten Krisensituation zu demonstrieren. Er erklärte auch implizit sein Einverständnis mit der Kuratel für die Uni, nannte die Auseinandersetzungen über Management und Budget deren „internes“ Problem und stellte sich hinter Rainer Klump. Nur der Rektor aber weiß ganz genau, was er unternahm, um die Führung und die Finanzverwaltung der Uni zu verbessern – oder eben nicht. Und ob er dem Finanz- und Verwaltungsdirektor, der ihm untersteht und der laut Gesetz verantwortlich ist für die Ausführung des Uni-Budgets, auf die Finger sah. Nicht nur der im Januar 2014 unterzeichnete letzte Vierjahresplan verlangt, Uni.lu müsse sich eine analytische Buchführung geben. Auch die Professorenvereinigung Apul schrieb an den designierten Rektor schon als der noch in Frankfurt war, er sollte unbedingt für klare Budgetprozeduren sorgen. So dass man heute nicht gerade wenige Professoren begegnet, die hinter vorgehaltener Hand zweifeln, ob der Rektor auf seinen Posten zurückkommt.

Footnote

Peter Feist
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