Mit einem kleinen, feinen Lächeln im Terrorexpertengrabsteinantlitz bejahen die Terrorexperten die bangen Fragen der Moderatorinnen. Ja, damit muss man rechnen. Immerhin, etwas, mit dem man rechnen muss. Philosoph_innen werden schon um Rat gebeten. Irgendjemand muss uns ja einen Tipp geben, wie es weitergehen soll. Wenn wir schon keine Imaminnen konsultieren können und auch nicht den Kaffeesatz oder die Sterne, und es keine Sonntagspredigt gibt, höchstens die Kommentare der Tagesthementanten.
Alles gerät ja momentan im Turbo-Tempo durcheinander, landauf, landab, in Wald und Flur, in den Birnen, den Hirnen. Kontinente werden inkontinent, Weltteile neu aufgeteilt, hier zerbröselt ein Raum, dort entsteht eine Raumforderung. Dauernd ist ein Eingriff vonnöten oder eine Operation.
In den deutschen Talkshows greifen sich die Beteiligten an den Kopf, sie haben ihn leider verloren. Dann springen sie einander an die Gurgel, ein neues Verhaltensmuster in diesem Kulturraum. Wer ist schuld, die Mutter? Überall sind nämlich plötzlich Männer, überall sehen sie Männercher. Junge auch noch. Starke, ziemlich fitte. Sie schwänzen den Deutschkurs, sie sind aber auch nicht in der Moschee, und sie saufen nicht mal. Statt einer Beschäftigung, die es nicht gibt, oder einem sinnvollen Hobby gehen sie ihren Trieben nach.
Sind die Rechten Wahrsager?, fragt beklommen ein Jüngling, der eben noch mit einem „Refugee Welcome“-Schild herumzog. Ein Schweigen senkt sich über die Tafelrunde. Dann wird aber hemmungslos aufgeschrien. Grüne zetern nach Zucht und Ordnung, Schwarze sind braun, Rote schwarz, die Farbenlehre wird neu aufgestellt.
Die Politiker entdecken gerade das Volk, sie versuchen sogar intensiv, es zu verstehen, was sehr schwer ist. Die sprechen ja eine andere Sprache. Die haben auch andere Sitten und Gebräuche und andere Titten und Bäuche, sie tragen andere Trachten, in ihre Körper sind seltsame Symbole und Zeichen eingeritzt, es ist eben eine andere Kultur.
Das Volk will aber gar nix verstehen, es weiß eh alles. Es will nicht seinen Horizont erweitern, sich nicht kulturbereichern, es will auch nicht spannende Herausforderungen annehmen. Es will nicht mal ein neues Deutschland oder ein neues Europa. Es will in Hurghada in der Sonne liegen und was Süffiges schlürfen. Bisschen Sex ist auch nicht schlecht.
Die Klischees kommen auf den Tisch, sie sind eigentlich ganz gut, sie atmen noch. Der schwarze Mann kommt unter dem Bett hervor gekrochen, beziehungsweise der nordafrikanische, der wurde gerade entdeckt. So viel beten die gar nicht, sagen die Nordafrikanische-Männer-Expert_innen, aber auch das beruhigt die versammelte Angstgemeinde nicht. Angst! flimmert, flippt es neonfarben in der Hirnschale. In uns explodieren Spreng-Sätze, die kleinen Männer in uns laufen Amok, selbst in großen, starken Frauen. Warum ist es auch plötzlich so verdammt ungemütlich rundherum, es war doch eben noch relativ nett, jedenfalls wenn man so zurückdenkt. Lungerten wir nicht vor kurzem noch auf dem westöstlichen Diwan herum? Von Händlern umschwärmt streifte man durch Souks, lauschte einer Laute, Pfefferminztee, Ruinen, aber keine brandneuen. Es gab Speis und Trank, Lyrik aus dem 13. Jahrhundert, jemand zupfte an einem Instrument, jemand tanzte Bauch.
Die Welt lag einem quasi zu Füßen. Zumindest hin und wieder, wenn man aus dem Flugzeug auf das Unten schaute, das man sich geschnappt hatte, spontan, im Internet, so was von geschenkt.
Und jetzt geht hier plötzlich eine Bombe hoch, einfach so, unfair, da sprengt sich einer in die Luft, ausgerechnet an einem Ort, an den wir auch hin wollen, an dem wir aber nicht hin sein wollen.
Moselschifffahrten, muss ja nicht der Nil sein. Ardennen, Kunst in still gelegten Industriegebieten. Und in alten Alben blättern, in denen wir uns auf Stränden entblättern, den Enkeln davon erzählen. Von dem Garten Eden, der uns mal gehörte.
Wenigstens kommt es uns jetzt so vor.
Damals fanden wir das normal.