Es war einmal, viele Male, vor langer, langer Zeit. Im Gutland, einem Land, das es im Heimatkundeheft gab. Dort, auf einem Bauernhof, verbrachte ein kleines und zusehends größer werdendes Mädchen die Weihnachtsferien, und natürlich den Zillwesterabend.
Am Zillwesterabend war es sehr, sehr still, wie eigentlich an allen Abenden auf diesem Bauernhof.
Die Hühner schliefen ja schon, auch die armen Schweine in ihrem Kerker, Stall genannt, nicht mal mehr die Kühe rasselten mit ihren Ketten. Auch der brave Gaul schlief, der immer noch seinen Job hatte, der Bauer sah keinerlei Anlass, ihn gegen einen Traktor einzutauschen, wie ihn jetzt alle hatten. Für das Vieh, wie die Tiere hießen, war alles wie immer, es gab Bio Kartoffelschalen, Bio-Runkelrübenschalen, und Bio-Heu. Obschon das natürlich kein Mensch so nannte, Bio war leider noch nicht erfunden.
Das kleine Mädchen hockte auf dem Fenstersims und starrte in die Nacht, die mitten am Tag anfing. Nachbarin Ketti kam in ihrer Schürze, zum Wünschen und sowieso. Das kleine Mädchen erfuhr, dass es schon ein großes Mädchen war, dann tauschten die Bomi und Nachbarin Ketti Insider_innennews aus, begleitet von reichlich jojo und jeje. Auch Ruhmesnachrichten aus den jeweiligen Familien.
Das Nachtmahl, das sie dann mit der Großmutter und dem Großonkel verzehrte, war nicht spektakulär. Es bestand wie so ziemlich immer aus Brach und gebootschten Gromperen mit Gréiwen. Wenigstens gab es keine schleimigen Austern wie zuhause.
Wahrscheinlich warfen sich die Eltern zuhause gerade in Schale, die Mutter entblätterte sich ein bisschen, sie trug vor allem ein Dekolleté. Sie war in einen Königinnenduft gehüllt. Außerdem trug sie Schwarz und Platinblond, oder Wasserstoffperoxydblond, und Perlen, wie sie in den schleimigen Austern zuhause waren. Die Eltern waren aus Hollywood. Der Vater hatte eine Filmfrisur und eine Filmfigur. Wahrscheinlich gingen sie dann in diesen Nordpol, obschon in dem Nordpol überhaupt nichts mehr los war, nicht so wie früher, wie die Hollywood-Mutter etwas geringschätzig sagte. Auf dem Kolonnenofen blubberte der Kaffee, er blubberte immer, im Kolonnenofen stocherte ich.
Ich legte Scheite nach, die ich vor Dunkelheit aus dem Schuppen angeschleppt hatte, sie durften nicht feucht sein, ich war schon eine Expertin. Ich starrte statt in die Finsternis auf die Feuerzungen, wie sie die zähen Scheite verschlangen. Wenn ich aus der Zeitlosigkeit aufwachte, ging ich zur Abwechslung raus und machte Pipi vor der Baakes, die noch viel früher eine Backstube gewesen war. Jetzt schrubbte die Großmutter dort ihre Wäsche, da sie keineswegs gewillt war, diese Fron gegen eine Waschmaschine einzutauschen. Das Wichtigste in der Baakes war aber das Plumpsklo, auch eine Art Altar des Widerstands der beiden Fundis. Ich wusste das noch nicht zu schätzen, in der schwarzen Winternacht graute mir vor dem schwarzen Loch, dem klammen Brett, dem dumpfen Plumpser aus der Tiefe. Lieber pinkelte ich über dem Gitter vor dem Haus, hörte dem kleinen Rauschen zu, die Sterne sahen zu, der liebe Gott, aber das war okay. Hoffentlich die Nachbarn nicht.
Nach all dem Vorspiel kam dann endlich der Höhepunkt, der absolute Höhepunkt jeder Silvesternacht. Dann kamen de Mischi an d’Emmeli an d’Tata Sidoni in das Kolonnenofengeblubber, zu dem verschrumpelten, altersfleckigen Apfel, den die Großmutter gerade kunstvoll schälte. Eine lange Girlande, eine Apfelschalenschlange zierte dann den Tisch. Und Pir Kremer rollte wundersam das R.
Was wir nach diesem absoluten Höhepunkt noch trieben – nicht mehr viel. Der Großmutter fielen schon die Augen zu in ihrem Ohrensessel, bis Mitternacht hielt sie garantiert nicht durch, ich glaube, es fehlte die Motivation. Wir gingen den hölzernen Berg hinauf, in den Federn wurde ich mit Weihwasser besprengt, dann kamen die vierzehn Nothelfer. Morgen war auch noch ein Tag.
An dem stapfte ich dann neben dem Großonkel in die Kirche. Am Friedhof mit seinen tiefgekühlten Toten vorbei, einmal lag Schnee, es knirschte wie bei Peter Rosegger. Die Männer warteten auf den Segen, bevor sie das neue Jahr begossen und sich viele hinter die Binde gossen. Die Witwen- Weiblein wackelten zum Altar, beseufzten sich dann gegenseitig, ein gutes neues Jahr.