Etwas Schönes wünscht sich Menschenkind, jetzt, zum Schluss, jetzt, da das Jahr sich seinem Ende entgegen neigt, ins Schwarze kippt, durch das alle tappen, wo steht das Auto? Es drückt auf alle möglichen Knöpfe und Schalter, um die ewige Nacht zu entzünden, es hängt sich Lichterketten um den Hals, pflanzt sich rote Zipfelmützen mit Glühbirnen auf den Schädel, es trinkt Glühwein. Es steigt ein ins Riesenrad des Lebens, das sich über dem rabenschwarzen Abgrund dreht. Das goldene Kalb leuchtet wie verrückt, überall gibt es goldene Kälbchen, wie süß.
Das von nachtschwarzer Nacht umwucherte Menschenkind verkriecht sich in seiner Höhle, zu den flimmernden Rettungsschirmen. Es kann aber keinen Nahen Osten mehr sehen, er ist so nah, er ist schon da. Es kann keine Flüchtlinge mehr sehen, sie lösen einen Fluchtreflex aus. Wohin? Vielleicht zum Weihnachtsmann, Menschenkind beißt in einen Keks, der wäre vielleicht eine Option, die einzige. Der Bulle von Tölz als Weihnachtsmann, das wäre die Rettung. Er kommt aber nicht, immer wenn man ihn braucht ist er nicht da.
Menschenkind landet auf einem Gipfel, schon wieder. Die treffen sich jedes Jahr dort, hypnotisiert schauen sie in den Abgrund, mit Exot_innen geschmückt. Weg mit ihnen, Menschenkind gähnt. Menschenkind landet bei Patrioten, es kriegt Schüttelfrost. Es sieht Fahnen und hört Hymnen, es kriegt einen Ausschlag. Es sieht Männer in Schals, die mit wichtigen Mienen aus Autos steigen. Es sieht Männer in schwarzen Jacketts und weißen Hemden, den oberen Knopf geöffnet, das Haar weiß und zerrauft, die Hornbrille schwarz. Sie sagen so fürcherlich intelligente Dinge, Menschenkind kriegt Zuckungen.
Es muss sie ausschalten, alles ausschalten, es ist nicht zum Aushalten, all das, all die. Es läuft zu den Bäumen, vielleicht haben die ja etwas parat, einen Rat. Trost der Bäume heißt es schließlich. Menschenkind steht im zähen Nebel, die Bäume schütteln ihr schütteres Haupt, Menschenkind steht inmitten von Flugblättern. Wenn Menschenkind spricht, steigen Wölkchen auf, indianische Rauchzeichen. Ein ernster Herr mit einer Holztellerlippe erscheint Menschenkind plötzlich, er war vor kurzem zu Besuch. Mit der knallgelben Federkrone auf dem Häuptlingshaupt thronte er in der Mitte des Bildschirms. Leider hing das Menschenkind nur kindisch an den Lippen des Herrn. Was genau hat er eigentlich gesagt? Was Ernstes, das war klar, was Klimakatastrophales.
Blümchen blinzeln Menschenkind zu, Menschenkind blinzelt zurück. Hallo, was macht ihr da? Ihr solltet doch längst schlafen. Oder noch immer, und zwar unter einer Schneedecke.
In der Stadt steht ein käuflicher Wald auf der Straße. Driving home for Christmas, ein kleiner, gemeiner Schmerz bohrt sich ins Ohr, ein in Schmalz getauchter Pfeil bohrt sich ins Herz der Heimatlosen, die überall sind. Menschenkind irrt durch den Sauf- und Kaufrausch, durch die schrille Nacht, in der es diesem und jener zuprostet, alles ist brutal erleuchtet.
Es gibt aber jede Menge Schönes, denkt es sich trotzig, man muss nur die Augen öffnen. Man muss nur die Augen schließen, einen Augenblick lang. Man darf sich nicht so fertig machen lassen, wir gestalten schließlich unsere eigene Realität, ermahnt Menschenkind sich selbst. In kleinen Buden kann man Dinge erstehen, die echt sind, von echten Menschen hergestellt, aus echtem Bienenwachs, echtem Leder, echten Kartoffeln, sogar von hier. Man schleppt einen authentischen Zweig nach Hause mit echten Nadeln, sogar einen einheimischen. Man hängt Kugeln dran, die keine Gewehrkugeln sind.
Es schleppt Zeug, das in Papier mit Sternen und Bäumchen gewickelt ist, mit Schleifchen in seine Höhle, in der ein Baum steht. Es entschuldigt sich bei ihm, wegen all den Engelchen und Herzen. Dass es ihn so auftakelt. Es dekoriert die Höhle, hier eine Kerze, da was Goldiges. Kann nicht schaden, denkt es, fühlt es.
Freu dich doch!, stupst es sich an, freut euch!, stupst es seine Mitmenschenkinder an.
Es buddelt die Krippe aus, das Kind in der ewigen, erstarrten Pose.
Es staubt das Kind ab.