Erbgroßherzog Henri und Ehrenstaatsminister Pierre Werner waren im Dezember 1988 zum französischen Weltraumbahnhof in Kourou am Rande des Amazonas geflogen, um den Start des ersten SES-Satelliten Astra 1A mitzuerleben, während Staatsminister Jacques Santer zu Hause um seine mit dem Erfolg des Starts verbundene politische Laufbahn bangte. Heute hat SES mehr als ein halbes Hundert Satelliten im Angebot und der Start eines Satelliten ist fast Routine.
Doch für nächsten Dienstag soll wieder ein politisches Großaufgebot nach Cape Canaveral in Florida fliegen, um einen historischen Augenblick mitzuerleben: Wie der Satellit Govsat 1 auf seine Umlaufbahn geschossen wird. Denn Govsat 1 – nicht „Statesat“ – ist der erste einer geplanten Reihe Militärsatelliten und soll eine neue Etappe der heimischen Rüstungsindustrie einläuten.
Der für vergangenes Jahr geplante und bereits mehrfach aufgeschobene Start ist für nächsten Dienstag zwischen 16.24 Uhr und 18.46 Uhr Lokalzeit, 22.24 Uhr und 0.46 Uhr Luxemburger Zeit, vorgesehen. Eine Falcon-9-Rakete der Firma Space X soll den 4,23 Tonnen schweren Satelliten nach einer halben Stunde Flugzeit freisetzen. Dann wird er auf seine endgültige Umlaufbahn manövriert, um in 36 Kilometer Höhe über dem Äquator synchron mit der Erde zu kreisen. Nach einer Testphase soll er Anfang März seine auf 15 Jahre ausgelegte Aktivität aufnehmen.
Der Kommunikationssatellit Govsat 1 soll neben einer flächendeckenden Verbindung auf der amtlichen X-Frequenz auf der militärischen Ka-Frequenz Einsatzleitungen in Europa mit fünf Regionen von strategischem Interesse in Afrika und Afghanistan verbinden, um dort Erkundungs- und Gefechtseinsätze im Gelände zu leiten. Die hohe Leistung des Satelliten erlaubt es, große Datenmengen mit beweglichen Sendern und kleinen Antennen aus den Einsatzgebieten zu übertragen. Hohe Sendeleistung ist vor allem auf die afrikanische Mittelmeerküste gerichtet, um die Bekämpfung von Einwanderern aus Afrika zu organisieren. Andere „Einsatzstrahlen“ sind auf die westliche Sahara gerichtet, wo Frankreich seinen nachkolonialen Einfluss gegen aus Nordafrika verdrängte islamische Gotteskrieger verteidigt, auf das Horn von Afrika, wo Gotteskrieger, Piraten und der Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und Iran den Erdöltransport gefährden, auf das rohstoffreiche Angola und auf Afghanistan, wo die USA den längsten Krieg ihrer Geschichte mit und gegen wechselnde Gotteskrieger führen.
Die Regierung steht seit mehreren Jahren in der Nato unter Druck, damit sie die Militärausgaben des Landes erhöht, und DP, LSAP und Grüne haben nun eine der massivsten Erhöhungen in der Geschichte beschlossen – um 42 Prozent dieses Jahr, ohne die Kosten für die Renovierung des Herrenberg. So dass der Anteil der Militärausgaben auf 0,52 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigt, wie Verteidigungsminister Etienne Schneider (LSAP) am Montag vorrechnete. Doch will die Regierung, wie die anderen Nato-Staaten, dass das viele Geld nicht in fremde, sondern in die heimische Industrie fließt. Deshalb versucht sie, die heimische Rüstungsindustrie auszubauen (d’Land, 16.12.2016). Da kommt es natürlich gelegen, dass die Ressorts Wirtschaft und Verteidigung in der Hand desselben Ministers sind.
Etienne Schneider hat als Vereidigungsminister von dem „riesigen Bedürfnis der Nato an Satellitenkapazitäten“ gehört und weiß als Wirtschaftsminister vom Erfolg der SES im Satellitengeschäft. Wenn Luxemburg parallel zum Asteroidenbergbau auch in den Krieg der Sterne investiert, fühlt er sich wieder ein wenig als „first mover“ in einer neuen Souveränitätsnische. Das Parlament klatschte seinen Plänen vor zwei Jahren mit 58 von 60 Stimmen Beifall, und SES-Präsident Karim Michel Sabbagh freute sich am Montag, dass der Markt für Militärsatelliten „jährlich um sieben Prozent wächst“. Der Minister erkennt ein „triple win“: für die Verteidigung, für die Wirtschaft und für den Staat als Aktionär.
Die SES liefert seit langem insbesondere den USA militärische und paramilitärische Dienste. Doch damit ihre Militärsatelliten nicht bloß als Privatgeschäft, sondern als nationale Rüstungsausgaben anerkannt werden, wurde die Gesellschaft Govsat gegründet, die zur Hälfte dem Staat und zur Hälfte der SES gehört. So werden die 50 Millionen Euro, die der Staat laut Gesetz vom 19. Dezember 2014 für seine Beteiligung ausgibt, über den militärischen Investitionsfonds verbucht. Hinzu kommt eine staatliche Bürgschaft für Kredite der Firma. Denn ihr erster Satellit kostet insgesamt 225 Millionen Euro, wenn man die Kosten für den Satelliten, die Rakete, die Versicherung und für die Bodeninfrastruktur zum Betrieb des Satelliten zusammengerechnet.
Ziel von Govsat ist es, Militärsatelliten zu betreiben und deren verschlüsselte Übertragungskanäle an fremde Armeen, Regierungen und internationale Organisationen zu vermieten. Wobei die SES weniger auf das staatliche Kapital angewiesen ist als darauf, dass „der Staat für die Seriosität“ der Firma bürgt, so Etienne Schneider.
Allerdings sorgte sich der Rechnungshof schon vor zwei Jahren in einem gegenüber den Militärausgaben sehr kritischen Sondergutachten, dass der Staat über keine eigenen Satellitenfachleute verfüge und deshalb von Mitarbeitern oder ehemaligen Mitarbeitern der SES abhängig sei, die in Interessenkonflikte geraten könnten. Gar nicht zu reden von Fachleuten, die zu kotrollieren verstünden, ob Govsat-Kunden ihre Frequenzen nur für die vertraglich abgemachten Zwecke benutzten, dass sie beispielsweise nur unbewaffnete Drohnen einsetzen. Die Firma, die über einen militärischen Ansprüchen gehorchenden Kontrollraum in der Bodenstation in Betzdorf verfügt, um Militärsatelliten mit verschlüsselten Signalen zu steuern und vor Störsignalen zu schützen, hat bereits das Geschäft aufgenommen, auch wenn sie Satellitenkapazitäten bei der Konkurrenz mieten muss, bis ihr eigener Govsat 1 funkt.
Wenn der Satellit nun auf seine Umlaufbahn gesetzt wird, sind lediglich „15 bis 25 Prozent“ der 68 Transponder vermietet, genau will sich die Firma lieber nicht festlegen. Wobei es der Staat selbst ist, der durch Gesetz vom 18. Dezember 2015 für 120 Millionen Euro Transponder für die militärische Ka-Frequenz gemietet hat, die er dem Programm Alliance Ground Surveillance der Nato überlässt, das Dronen für die Beobachtung von Konfliktgebieten in Echtzeit betreibt. Findet Govsat nicht genug Kunden, droht dies zum Problem für die interministerielle Arbeitsgruppe zu werden, die über die Govsat-Verträge befinden muss. Denn bevorzugt sollen Kunden aus der Europäischen Union, der Nato und Efta werden. Gibt es davon nicht genug, muss man politisch weniger wählerisch werden, damit die Dividende stimmt.
Für den Verteidigungsminister ist es aber verständlich, dass potenzielle Kunden „erst einmal den gelungenen Start abwarten, bevor sie unterschreiben“. Hatte man nach dem Ende des Kalten Kriegs zuerst eine „Friedensdividende“ versprochen, erwartet sich der Minister nun eine Kapitalrendite von mindestens zwölf Prozent.
Wenn Govsat schnell genug Kunden für seine 68 Transponder findet, wird bereits an Govsat 2 gedacht. Davon unabhängig beschloss die Regierung am vergangenen Freitag die Anschaffung eines weiteren Militärsatelliten. Im Gegensatz zum Kommunikationssatelliten Govsat 1 soll es ein Aufklärungs- und Spionagesatellit werden, der nicht zur Govsat-Flotte gehören, sondern von der Armee in Eigenregie beschafft und betrieben wird. Auch wenn an eine Zusammenarbeit mit Govsat gedacht wird, etwa was die Bodenstation anbelangt. Der Satellit, der laut Etienne Schneider im „Auftrag der Nato“ betrieben werden soll, knüpfe an die Aufklärungsmissionen der Armee an, die bisher unter Gefahr für Leib und Seele mit Dingos auf dem Grund durchgeführt werden müssten.