Der Bericht des Rechnungshofes über die Armee stellt fest, dass die Bemühungen der letzten Reform von 2007 das Kernproblem Personal nicht gelöst hätten: Die angestrebte Erhöhung der Personalstärke wurde nicht einmal ansatzweise erreicht. Die Beschaffungspolitik der letzten Jahre müsse ebenfalls als suboptimal gewertet werden – wenngleich das jedoch zum Teil technischen Problemen, etwa beim Großraumtransportflugzeug A400M, zuzuschreiben ist, oder geänderten Einsatzszenarien, wie im Falle des als Aufklärungsfahrzeug genutzten Patrouillenfahrzeugs Dingo, wobei hier die hohe Zahl beschaffter Fahrzeuge wohl auf menschlicher Fehleinschätzung beruht.
Erfreulicherweise zeitigte die parlamentarische Debatte vom 14. März 2017 keinerlei parteipolitische Grabenkämpfe. Divergenzen gab es wohl sicherheits-, aber nicht militärpolitisch, wenn man von der vordergründig grundsätzlichen Opposition der Lénk absieht, die man erwarten konnte. Dies scheint in einem besonderen Licht, hat doch die schwedische Linkspartei laut Zeit vom 3. März 2017 die Wiedereinführung der Wehrpflicht durch die rot-grüne Regierung begrüßt. Unklar bleibt, ob das Verhalten der Lénk auf besonderer Prinzipientreue oder simpler Schlafmützigkeit beruht. Demgemäß dürfte auch die Verwunderung des ADR-Abgeordneten Fernand Kartheiser über die ausbleibende reflexartige Ablehnung einer Armee-Reserve durch die Grünen auf der Ignoranz der Aktualität beruhen: Die Zeiten, in denen das Thema militärische Sicherheitsvorsorge an den großen Bruder USA ausgelagert werden konnte, sind seit Trump Geschichte. Sein getwittertes Credo des militärischen Beistands nur gegen Vorkasse hinterlässt bei vielen westlichen Verbündeten den Beigeschmack einer Schutzgelderpressung.
In der Debatte in der Abgeordnetenkammer fand der schwedische Beschluss zur Wiedereinführung der Wehrpflicht und Finnlands Erhöhung der Personalstärke des Militärs im Konfliktfall um 50 000 Mann noch keinen Widerhall. Beide Länder dürften kaum unter die Rubrik „bekannte Kriegstreiber“ fallen. Fast parteiübergreifende Einigkeit besteht über Existenzberechtigung und Reformbedarf der Armee. Hinsichtlich der Ausrichtung der Armee erwähnte Staatssekretärin Francine Closener (LSAP) den Bereich ISR (Intelligence, Surveillance, Reconnaissance), das heißt Informationsgewinnung, Überwachung, Aufklärung. Dies sind die traditionellen Fähigkeiten, die die Armee im Bündnis zur Verfügung stellen kann. Die Ausrichtung auf Drohnen und Satelliten im großherzoglichen Arsenal lassen erkennen, dass die Truppe im 21. Jahrhundert angekommen ist.
Hinzu kommt, dass klassische Aufklärung im Gefecht, zumal mit unzureichend geeigneten Fahrzeugen, ein überaus verlustreiches Unterfangen ist. Ein weiteres Gefechtsfeld stellt die Cyber-Dimension dar. Die Armee hat sich auch hier Fähigkeiten zugelegt, die der Absicherung der vorerwähnten Kommunikationstechnik dienen. Erwähnenswert ist auch der Verweis der Staatssekretärin auf Gedankenspiele, der Armee Luftbeweglichkeit durch gemeinsam mit Bel-
gien anzuschaffende Hubschrauber zu verleihen. Ein Kernelement der neuen Ausrichtung soll die Militärmedizin werden. Hierzu sollen Krankenhauskapazitäten geschaffen werden, die auch zivil nutzbar sind. Das nötige Personal, bei dem man anscheinend von der bisherigen Voraussetzung der luxemburgischen Staatsbürgerschaft absehen möchte, soll im zivilen Sektor über ein besonderes Statut an die Armee angebunden werden. Diese Personen, Ärzte und hochqualifiziertes Intensivpflegepersonal, sollen lediglich im Bedarfsfall einrücken und ansonsten ihrer zivilen Tätigkeit nachgehen.
Vertreter von Déi Gréng wie auch der DP haben sich der Schaffung einer Reservekomponente der Armee nicht grundsätzlich verschlossen. Die CSV scheint das Thema noch nicht bearbeitet zu haben. Somit haben alle Regierungsparteien in der Aufwuchsfähigkeit der Armee eine Möglichkeit erkannt, dem erhöhten Personalbedarf in Zeiten verstärkter Präsenz und Bereitschaft gerecht zu werden. Insbesondere die Terrorlagen der jüngsten Vergangenheit im benachbarten Ausland lassen eine gewisse Aufwuchsfähigkeit der Armee notwendig scheinen. Staatasekretärin Closener wies ausdrücklich darauf hin, dass die Armee auch als zusätzliches Instrument zur Bewältigung von Naturkatastrophen und technischen Großschadenslagen in der Pflicht sei und auch bleiben werde. Mehrfach wurde diesbezüglich die letztjährige Unwetterkatastrophe im Ernztal erwähnt und der Armee wurde ausdrücklich und mehrfach für ihr Eingreifen gedankt.
Dieses Ereignis und die aktuelle Reform der Rettungsdienste (d’Land, 10.02.2017) geben Gelegenheit zu einem konkreten Vorschlag mit dem Potenzial einer wesentlichen Steigerung dualer, das heißt sowohl zivil wie militärisch nutzbarer Kapazitäten. Zur flächendeckenden Stabilisierung und Verbesserung des zivilen Rettungswesens sollen die kommunalen Feuerwehren und der staatliche Zivilschutz unter dem Dach des Corps grand-ducal d’incendie et de secours (CGDIS) gebündelt werden und neben den Freiwilligen auch 600 bis 800 hauptamtliche Rettungskräfte in 24 Wachen und verschiedenen zentralen Diensten umfassen. Die Ausbildung entspricht der der Berufsfeuerwehr. Soweit scheint das Vorhaben überaus anspruchsvoll. Allein das leidige Personalproblem schlägt hier genauso zu wie bei Armee und Polizei. Alle drei Korps rekrutieren fast gänzlich aus dem begrenzten Pool der 250 000 autochthonen Luxemburger. Das heißt, dieser kleine Pool muss das Sicherheitspersonal für bis zu 900 000 Menschen, die sich täglich im Großherzogtum aufhalten, hervorbringen.
Das Problem liegt auf der Hand. Ein Teil der Lösung zumindest genauso. Dies umso mehr, als die historischen Wurzeln der sapeurs-pompiers im militärischen Bereich liegen. Waren die Sappeure doch eine Truppengattung, die im Falle von Belagerungen sowohl offensiv wie defensiv zum Einsatz kam. Aufgabe der Sappeure (franz. sapeur – Steinhauer) war die Erstellung von Angriffs- und Laufgräben sowie die Unterminierung von Bastionen, um diese zum Einsturz zu bringen. Als Verteidiger hatten sie die gegnerischen Tunnelgräber abzuwehren und die feindliche Waffenwirkung in der belagerten Festung oder Stadt zu minimieren, das heißt vor allem Brände zu löschen. Daher die Bezeichnung sapeur-pompier.
Das britische Militär bezeichnet seine combat engineers als sapper, und in der Schweizer Armee werden allgemein die Pioniere als Sappeure bezeichnet. Eine gewisse Prominenz erlangten die sapeurs in der Fremdenlegion, da sie am 14. Juli stets vor dem Hauptkontingent der Legion marschieren und sich durch lange Bärte, Äxte und Lederschürzen deutlich vom Rest der Truppe abheben.
An dieser Stelle soll nicht vorgeschlagen werden, die Luxemburger Armee am Nationalfeiertag ähnlich ausstaffiert aufmarschieren zu lassen. Vielmehr sollte im Rahmen der Armee eine teilaktive Sanitäts- und Sappeur-Einheit geschaffen werden. Nach Durchlaufen ihrer mehrjährigen Dienstzeit könnten die als Sanitäter und Sappeure ausgebildeten Soldaten ins zivile CGDIS übernommen werden und verblieben im Status von Reservisten. Der große Reiz der Vorstellung liegt in der weitgehenden Deckungsgleichheit der Tätigkeiten sowohl auf militärischer wie auf ziviler Ebene. Es würde sich also um eine regelrechte Dual-Use-Einheit handeln.
Derartige Nischenfähigkeiten könnten in Nato, EU und Uno eine sinnvolle Rolle spielen. Im zivilen Kontext könnte diese Einheit mit ihren stehenden beziehungsweise Reserveteilen eine verlässliche, geschlossen einsetzbare Komponente zur schnellen Verstärkung und Ergänzung der Instrumente zur Hilfe bei nationalen oder internationalen Naturkatastrophen oder technischen Notständen darstellen. Frankreich etwa kennt neben den Militärfeuerwehren von Paris und Marseille auch die „Formations militaires de la sécurité civile“, die aus drei „unités d’instruction et d’intervention de la sécurité civile“ bestehen. Das eidgenössische Militär verfügt über das „Einsatzkommando Katastrophenhilfe Einsatzverband“. In allen Fällen handelt es sich um Heeres-Pionier-Einheiten, die sowohl zivil wie auch militärisch eingesetzt werden können.
Im luxemburgischen Kontext dürfte der Schwerpunkt weniger auf einem schweren Maschinenpark liegen, sondern vielmehr auf dem Gebiet der Bergung, Rettung und sanitätsdienstlichen Versorgung. Anhand des Schemas soll dargestellt werden, wie eine solche Einheit sich komplementär in die bestehenden zivilen und militärischen Strukturen integrieren ließe.
Nach der allgemeinen militärischen Grundausbildung (IB – Instruction de Base) von vier Monaten werden die Soldaten in das Peloton 7 (Peloton = Zug) der Compagnie médico-sapeur versetzt, um dort eine spezifische Ausbildung in den Grundlagen des Sanitätswesens und als Sappeur zu durchlaufen. Nach Abschluss dieser fachlichen Ausbildung treten sie in die Einsatzabteilung über, die durch die Pelotons 1 und 2 gebildet wird. Dort wird die Ausbildung weiter vervollständigt und vor allem der Einsatz als geschlossener Verband vermittelt. Diese Einsatzabteilung stünde sofort für Einsätze bereit. Am Ende ihrer Dienstzeit werden die Soldaten nach bestandenem Examen im Status von Reservisten ins CGDIS übernommen. Bei Einsätzen, beziehungsweise zu jährlichen Reserveübungen werden die stillgelegten Reserveeinheiten Peloton 3, 4, 5 und 6 mit einberufenen Reservisten aufgefüllt. Das Peloton Commandement/Logistique hat neben den typischen Führungs- und Verwaltungsaufgaben die Instandhaltung der Reservekomponente sicherzustellen und stellt, zusammen mit dem Stammpersonal von Peloton 7, einen Teil des Führungspersonals für die Reserveeinheiten.
Die beschriebene Einheit stellte sowohl für die großherzoglichen Militärs wie auch für die zivilen Rettungskräfte ein gewöhnungsbedürftiges Novum dar. Zivil-militärisches Zusammenwirken funktioniert beispielsweise in Frankreich und der Schweiz einwandfrei. Der erklärte politische Wille zur Ausrichtung auf auch zivil nutzbare Militärmedizin mit Bettenkapazität und Fachpersonal im Reserve-Status ergänzt sich perfekt mit der angedachten Lufttransportkapazität und zivil-militärischem Sanitäts- und Rettungspersonal. Es wäre die Spiegelung der zivilen Realität vom Notarzt (Samu) über den Rettungssanitäter bis hin zu den vielfältigen Aufgaben des Brand- und Rettungsdienstes undwenn man so will, eine um das Sanitätswesen erweiterte Form der eingangs beschriebenen historischen sapeurs-pompiers mit einer natio-
nalen Reservekomponente. Ein zusätzlicher Reiz dieser Lösung dürfte darin bestehen, dass ein Teil der sowieso aufzubringenden Gelder für das Rettungswesen in die vereinbarten erhöhten Nato-Beiträge einfließen könnte. Die Personalkosten fallen sowieso an. Letztendlich ist es der Staatskasse egal, ob die Kräfte grün oder blau uniformiert sind. Tätigkeit und Bezahlung wären praktisch identisch.