Transport- und Tankflugzeuge, Helikopter, Satelliten, Dronen, Truppenfahrzeuge – die Armee ist auf ihrer größten Einkaufstour

Boombranche Rüstung

d'Lëtzebuerger Land du 20.10.2017

Einen Staatshaushalt der „Lebensqualität, Wettbewerbsfähigkeit und Beständigkeit“ nannte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) vergangene Woche den Budgetentwurf, den er im Parlament hinterlegte. Insgesamt sollen die Staatsausgaben nächstes Jahr um 6,5 Prozent zunehmen. Doch die Ausgaben eines Ministeriums steigen sogar um 42,0 Prozent: Die Mittel des Verteidigungsminsteriums werden binnen eines Jahres von 184,8 auf 262,4 Millionen Euro erhöht – die Baukosten auf dem Herrenberg nicht eingerechnet.

Mit einer Viertel Milliarde Euro gibt das Verteidigungsministerium nächstes Jahr mehr Geld aus als das Gesundheitsministerium, das Wohnungsbauministerium, das Wirtschaftsministerium, das Ministerium für innere Sicherheit, das Landwirtschaftsministerium, das Kulturministerium und andere. So dass die DP/LSAP/Grünen-Koalition nicht bloß in Erinnerung bleiben wird mit der Reduzierung der Privilegien des Bistums oder ihrem missglückten Referendum. Sie wird auch die Regierung sein, die nächstes Jahr für den steilsten Anstieg der Militärausgaben seit Jahrzehnten sorgt.

Der größte Teil der zusätzlichen Militärausgaben entfällt auf den Fonds d’équipement militaire, den Investitionsfonds, der jährlich gespeist wird, um mit diesen Rücklagen mehrjährige Investitionsvorhaben zu finanzieren. 2018 soll die Speisung des Fonds verdoppelt werden und von 60 auf 120 Millionen Euro steigen. Gleichzeitig soll dem Fonds mehr Geld entnommen werden, als in diesem Jahr eingezahlt wird, 132,9 Millionen Euro. In den Jahren danach soll die Speisung weiter auf 140 Millionen, 160 Millionen und 180 Millionen Euro steigen.

Zu den über den Rüstungsfonds finanzierten Ausgaben gehört als größte die Beschaffung des um die 200 Millionen Euro teuren Militärtransporters A400M. Das im Jahr 2001 von einer CSV/DP-Koalition bestellte Flugzeug wurde bis heute nicht ausgeliefert. Dafür stieg der Preis beständig, passierten dem Hersteller Airbus technische Pannen und wird ihm nunmehr auch noch vorgeworfen, Kunden bestochen zu haben. Neben den Kosten des Flugzeugs selbst muss der Ausbau eines belgischen Luftstützpunkts mit 17 Millionen Euro mitfinanziert werden. Die Armee ist dabei, Piloten und Lademeister für den Betrieb des Flugzeugs ausbilden zu lassen. Zu diesem Zweck wurde auch ein 28 Millionen Euro teurer Flugsimulator gekauft.

Trotz der schlechten Erfahrungen mit dem Militärtransporter legt die Regierung besonderen Wert auf den Aufbau einer Luftwaffe, für die eine militärische Zone auf dem Findel eingerichtet werden soll. Beschlossen ist der Kauf der Multi-Role Tanker Transport A330. Die Tankflugzeuge von Airbus sollen Langstreckenflugzeuge in der Luft betanken können. Vor drei Jahren hatte die Regierung noch gefunden, dass die Armee keine Flugzeuge besitze, die während des Flugs betankt werden müssten; vergangenes Jahr bewilligte das Parlament 172 Millionen Euro, um zusammen mit Belgien und vielleicht auch den Niederlanden Tankflugzeuge zu kaufen. Neben den eigentlichen Kosten begleicht Luxemburg dieses und in den beiden nächsten Jahren auch noch Vorauszahlungen zugunsten Belgiens in Höhe von 38 Millionen Euro.

Der Rüstungsfonds wird aufgestockt, um ab übernächstem Jahr wahrscheinlich drei NH-90 Helikopter zu kaufen. Die Militärhelikopter wurden von Airbus, der italienischen Rüstungsfirma Leo­nardo und der niederländischen Fokker im Auftrag der Nato für den Einsatz auf dem Schlachtfeld entwickelt. Ihr Stückpreis beträgt 32,5 Millionen Euro. Zu dem gemeinsam mit Belgien beschlossenen Helikopterprogramm der Armee soll auch der Polizeihelikopter gezählt werden.

Die dieses Jahr aufgestellten neuen Richtlinien der Verteidigungspolitik bis 2025 sehen vor, dass Aufklärungsflugzeuge gekauft werden, wie sie der Staat derzeit bei einer Privatfirma auf dem Findel mietet, um Flüchtlinge im Mittelmeer oder in Luxemburg zugelassene Schiffe am Horn von Afrika zu überwachen. Vielleicht springt auch eine Maschine heraus, die in Friedenszeiten benutzt werden kann, um den Premier- oder den Außenminister zu transportieren, statt dass sie belgische Militärflugzeuge für Auslandsbesuche mieten.

Hinzu kommen unbemannte Flugzeuge. In den vergangenen fünf Jahren kaufte die Armee für vier Millionen Euro militärische Dronen. Die Ausgaben für die Alliance Ground Surveillance zur Steuerung der Dronen über große Entfernungen sollen nächstes Jahr von 3,5 auf 14 Millionen steigen und insgesamt 120 Millionen Euro ausmachen.

Die Nato will bis 2035 ihre als Frühwarnsysteme bezeichneten Awacs-Flugzeuge ersetzen. Diese 16 zur Aufklärung und als fliegende Gefechtsstände dienenden Maschinen mit ihren auffälligen Radars fliegen unter Luxemburger Hoheitszeichen. Die Armee prüft, wie sie sich in das Nachfolgeprogramm der Alliance Future Surveillance Capability einkaufen kann.

50 Millionen Euro stellten Parlament und Regierung auch bereit, um zusammen mit der SES eine Firma zum Betrieb von Militärsatelliten zu gründen. Daneben geben sie ab nächstem Jahr jährlich 11,7 Millionen aus, um Übertragungskapazitäten auf dem Govsat 1 zu mieten. Der nächste Militärsatellit, Govsat 2, ist bereits für 2021 geplant.

Nächstes Jahr sollen auch 29,5 Millionen für taktische Fahrzeuge ausgegeben werden. Der Fahrzeugkauf scheint ein besonders heikles Unterfangen der Armee zu sein. Denn in der Vergangenheit hatte sie sich von innen und außen vorwerfen lassen müssen, viel Geld für nicht immer nützliche gepanzerte Mannschaftsfahrzeuge, wie Hummer und Dingo, verpulvert zu haben.

Millionenbeträge sollen in die Datenverarbeitung und -übertragung investiert werden. Hinzu kommen Waffen und Ausrüstungsmittel, wie neue Nachtsichtgeräte, eine Investition von 22 Millionen Euro nächstes Jahr und in den folgenden Jahren dann über 100 weitere Millionen.

Der sprunghafte Anstieg der Rüstungsausgaben kann überraschen. Denn Premierminister ­Xavier Bettel hatte noch 2014 in seiner Erklärung zur Lage der Nation gefordert: „Um die Verteidigungsanstrengung an internationale Standards anzupassen, ist der Fonds für Militärausrüstung kontinuierlich gewachsen. Jetzt ist es an der Zeit, diese Anstrengung auf eine nachhaltigere und dauerhaftere Grundlage zu stellen. [...] Nach Jahren der Investition und Expansion in immer mehr militärische Fähigkeiten muss jetzt eine notwendige Phase der Konsolidierung kommen.“ Doch schon vier Monate später war es vorbei mit der Konsolidierung und Verteidigungsminister Etienne Schneider (LSAP) versprach auf dem Nato-Gipfel im walisischen Newport, die Militärausgaben bis 2020 um 50 Prozent zu erhöhen, von 0,4 Prozent auf 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Die 50-prozentige Erhöhung der Militärausgaben soll weniger die Landesverteidigung verbessern, falls dies überhaupt möglich ist, als das Ansehen des Landes zu korrigieren, das andernorts selten mit Großzügigkeit und Solidarität in Verbindung gebracht wird. Max Weinreichs Diktum „A ­shprakh iz a dialekt mit an armey un flot“ (Eine Sprache ist ein Dialekt mit einer Armee und einer Flotte) gilt auch im Umkehrschluss.

Deshab gibt es, statt der sonst für notwendig befundenen „ges­tion par objectifs“ der Staatsfinanzen, im mehrjährigen Haushaltsplan der Regierung für 2020 und 2021 sogar einen 28 Millionen Euro schweren Posten „Augmentation de l’effort militaire: projets à définir“. Anders ausgedrückt: Wir wollen noch 28 Millionen Euro verbraten, aber wir wissen noch nicht wie.

Damit das viele Geld nicht ganz umsonst ist, arbeitet der Wirtschaftsminister am Ausbau der nationalen Rüstungsindustrie – angefangen bei SES –, die von den Investitionen der Armee profitieren soll. Hinzu kommt, dass die Nato-Armeen dabei sind, ihre Ziele und Mittel neu zu definieren, so dass selbst für die luxemburgische Armee die symbolische Beteiligung an Auslandsmissionen nicht mehr die oberste Daseinsberechtigung bleibt. Alles Umwälzungen, zu deren Durchsetzung der Verteidigungsminister erst einmal eine Säuberung in der Armeeführung vornahm.

Obwohl im Parlament die teuersten Rüstungsausgaben fast einstimmig von Mehrheit und Opposition verabschiedet werden, gibt es auch Zweifel an dieser Politik. Vor genau einem Jahre veröffentlichte der Rechnungshof ein vernichtendes Sondergutachten zu den Militärausgaben, die er konzeptlos nannte und deren Nutzen er wiederholt bezweifelte.

Romain Hilgert
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