Die kleine Zeitzeugin

Fausti. Ein Augenblick Glück.

d'Lëtzebuerger Land vom 26.02.2021

Dass er einmal traurig sein würde, wenn Fausti sterben würde, das hätte er nie gedacht, postet ein luxemburgischer Künstler, das Posting kriegt viele Likes, in meiner Facebook Bubble weinen die Emojis, bald weine ich auch. Dabei bin ich schon ewig aus Fausti-Land weg, war noch nie auf einem Fausti-Konzert, noch nicht mal auf einem Fausti-Faschingsball, darf so eine sich zu dem großen Event im Leben eines Menschen, dem Tod, überhaupt äußern?

Kulturbürger_innen, Hochsensible, Kunstschaffende drücken ihre Betroffenheit aus. In meiner Bubble, die gute langweilige algorithmische FB-Gouvernante sorgt ja bekanntlich dafür, dass wir blutdruckschonend von Artgenoss_innen umgeben sind, die meisten meiner FB-Freund_innen sind wohl eher nicht die, die pünktlich zu Pfingsten mit Landsleuten auf einem postkartenblauen Meer Zwou Bulle Mocca grölen, grenzt das an ein Outing. Ganz ohne Trigger-Warnung, mitten in den Safe Space, in dem selbst die Corona-Fehden schon lahm geworden sind, babbelt die Todesnachricht rein: Fausti hat das Zeitliche gesegnet! In meinem Bläschen ist Trauer ausgebrochen.

Echt jetzt? Fausti, der Bierzeltblödler und Sänger von Songs, die Zartbesaitete das Grauen lehrten, Revolutionäre in Trübsal versinken ließen angesichts des unbelehrbaren und unbekehrbaren Volkes und über die das gehobene und überhebliche Bürgertum schon reflexhaft die Nase rümpfte? Fausti, der auch in der Bubble, in der ich es mir in den Siebzigern gemütlich machte, verpönt war. Wer damals seine Tage mit The end, my only friend verbrachte, schwang kaum die Tanzbeine zu Eng Moss am Bic. Das Schweigen von Bergman vertrug sich nicht mit der lärmenden Lebenslustigkeit, die auf Karneval-Kommando ausbrach. Und in der strengen Szene der Weltverbesserer_innen waren Faschingsbälle schon in den Siebzigern NoGo, kümmerliche Veranstaltungen von armseligen Ersatzbefriedigten, ein groteskes Ventil, in dem die Bestandteile neurotischer Kleinfamilien im Spätkapitalismus ihren Frust abließen. Wir waren dafür, immer befriedigt zu sein. Was sich leider als extreme Herausforderung erwies.

Als der greise Großherzog starb, gab es auch so ein Aufwallen der Gefühle. Die Zähren rannen über die Wangen altgedienter Anti-Monarchist_innen, er war auf dem Frang, der Jang! Unzählige Erinnerungen sprangen ungebeten aus irgendeiner Schublade, Großherzogsgeburtstag, diese roten gefrorenen Nasen während in der Polarnacht, ganz nah beim Pôle Nord, der Sternstaub explodierte! Das Herz wird getriggert, wie oder warum auch immer, plötzlich tut es weh, oder es schlägt komisch. Es hat mit Kindheit zu tun, mit Jugend, ob Mensch Fan_in war oder nicht oder vielleicht sogar Anti-Fan_in. Dieser Mensch, der plötzlich nicht mehr da ist, zumindest nicht mehr hier, war ein Teil von. Wovon? Wir sind mit ihm aufgewachsen, schreibt Xavier Bettel nach dem Tod von Fausti, mit ihm geht ein Stück unserer Kindheit, twittert Corinne Cahen.

Auf RTL werden die Menschen gebeten, ihre Erinnerungsfotos mit Fausti zu schicken. Unzählige sind eingetrudelt. Sie sind alle schön. Sie erzählen von einem schönen Augenblick. Sie zeigen einen Menschen, manchmal auch ein paar, mit Fausti. Alle strahlen. Fausti strahlt aus, auch wenn seine Augen oft ernst blicken, tief. Er strahlt auf die Menschen aus. Er legt den Arm um sie, manchmal küssen sie ihn. Ein Augenblick Glück wird festgehalten.

Der großartige Musiker und Jazzer, der er jenseits von Knopfdruck- Clown, Blödelbarde und Marathon-Entertainer war, wird posthum gewürdigt. Er habe sich auf der Bühne total verausgabt, heißt es. Fausti sagt, es habe ihn glücklich gemacht, die Leute glücklich zu machen. Wenn sie lachten, habe es ihn glücklich gemacht. Natürlich ist er ein Profi, ein Glücksprofi dann eben, einer der professionell Menschen glücklich macht. Aber auch das ist nicht gerade wenig. Sich selber nannte Fausti einmal Hofnarr. Aber vielleicht war ja gerade er freier, weiser, lustiger als so manche Kulturcoole?

Michèle Thoma
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