Gott bewahre, ist schon Stress genug mich selber zu erhalten, mag sich komische Künstlerin zuraunen. Beschämt, aber auch irgendwie erleichtert. Hat sich ja herumgesprochen, dass Systemerhalter_innen, jetzt eher Systemrelevante genannt, Menschen sind, die Sinnvolles für unser Zusammenleben leisten, v.a. das, was so sinnvoll ist, dass keine_r es tun will. Sich über verstopfte Klos beugen, zum Beispiel. Was mit Betreuung zu tun hat, Regale betreuen, oder, noch schlimmer, Menschen. Kleine anstrengende Menschen. Alte anstrengende Menschen, die streng riechen. All das, was bei Influencer_innen nicht vorkommt. Etwas für hard core Idealist_innen. Oder für welche, denen nichts anderes übrigbleibt, ratlose Teenager, die plötzlich vor einer alten Dame stehen, um sie intim zu pflegen. Eigentlich wollten sie Topmodel werden.
Im Sommer haben wir die Systemerhalter_innen aus den Augen verloren, die im Dunkeln sieht man nicht, die im Neonlicht der Spitäler auch nicht. Wir hatten Sommer, Gnade, bitte geht weg, ihr Spitalsphantome! Wurde kurz zur Kenntnis genommen, dass sie auf die Straße gingen, weil sie Cash statt Klatschen wollten, jaja, recht haben sie. Muss wirklich was geschehen. Die großen Massen schlossen sich ihren Demos nicht an. In Frankreich wurden Systemrelevante von Systemrelevanten verdroschen, Letztere auch Polizist_innen genannt.
Jetzt sind sie wieder da, in allen Nachrichten, immer bandagierter, immer verschanzter treten sie auf, manchmal direkt vor die Kamera, mit allzu menschlichem Blick. Flehentlich. Wobei sie immer professioneller werden, wie lobend betont wird. Besser ausgestattet. Besser ausgerüstet. Für Wellen und Tsunamis und Kriege. In dieser Montur, die immer ausgetüftelter wird und in der sie beinahe untergehen, nur diese menschlich flackernden Augen, erschöpft, unruhig. Sie flehen uns an, Dinge zu tun, die nervig und deprimierend sind, aber doch machbar und aushaltbar für die meisten von uns. Die das Glück haben, die ominöse Maske nur zwischendurch überzustreifen. Die ihre Flegelinnenjahre längst hinter sich haben, das Glück haben nicht mehr von Hormonschüben terrorisiert werden. Für die es auch okay ist, mit einem guten Buch, einem guten Wein in der guten Stube. Die diesen Luxus eben haben. Während die Systemrelevanten hamsterradeln um das System, um das sich immer schrecklichere Mythen ranken, am Laufen zu halten. Manchmal kollabieren sie.
Nein, ich bin keine Systemerhalterin, sagt sich tragikomische Künstlerin bescheiden, und ein bisschen erleichtert. Wobei … sind nicht all die Wunderlichen auch systemerhaltend, sogar supersystemerhaltend? Wie uns Träumer Frederick von Leo Lionni so tröstlich lehrt. Der Unbrauchbare, nicht mal fähig Körner zu sammeln, der in der Mäusehöhle seine Mitmäuseriche davor bewahrt, vor Langeweile zu sterben. Eine Hommage ist dieses Kinderbuch an alle Kreativen, auch an die ohne Lorbeerkranz. Ohne die wäre ein langer Höhlenwinter kaum durchzustehen.
Systemerhalter_in, hm, darf das, geht das, System, das muss ja weg, ist ja mit Kapital? grübelt wohl der eine oder der andere Schöpfer. Nur irgendwie nervig, dass die Rechten auch dauernd dieses Wort im Mund führen, mit Hitler in einer Höhle in der Arktis.
Europa versinkt mehr und mehr im Winterschlaf, wie es mancherorts etwas euphemistisch heißt. Die stillste Zeit des Jahres schickt sich an, ihrem etwas aus der Mode geratenen Namen alle Ehre zu machen. An vielen Orten ist alles abgeschaltet außer dem Systemrelevanten. Die sich selber so nennende Kulturnation Österreich etwa hat Waffengeschäfte als systemrelevante Orte erkoren, sperrt Museen, Büchereien, Galerien. Die lässt Luxemburg weise offen. Bekanntlich sind Menschen dort meist in Zwiesprache mit einem Bild, einem Buch, selbst Bücherratten benehmen sich. Während die, die jetzt im Schweiße ihres unsichtbaren Angesichts im weißen Rampenlicht der Intensivstationen stehen, vermutlich gar nicht dazu kommen sich den Kopf zu zerbrechen. Über das System. Dass es faul ist, wissen sie.