Slystaps

Ein Smartphone für den Hufschmied

d'Lëtzebuerger Land vom 18.12.2015

Ein wenig ähnelt sie einem Rubbellos der Lotterie Nationale. Wegen des Hufeisens und der angestaubten Grafik. Dabei ist die Hufschmied-App der Software-Firma Slystaps ein Erfolg. Viele französische Hufschmiede nutzen Sly Maréchalerie, um ihre Buchhaltung in den Griff zu bekommen. Auch die Termine von helvetischen Pferden werden über die App verwaltet, erzählt Partner Sylvain Beck. Weil französische Schmiede in Dubai oder Saudi-Arabien teuere Araberpferde versorgen, wird sie im Mittleren Osten eingesetzt. Eine kanadische Version ist in Arbeit.

Die App erlaubt dem Schmied Zugang über den Namen des Stalls, des Besitzers oder des Pferdes, über die Arbeit, die er durchgeführt hat, über den Terminkalender; über den kleinen Drucker, den Slystaps entwickelt hat, können die Rechnungen gleich beim Kunden ausgedruckt werden. Die Daten befinden sich auf Servern der Firma, zugriffsbereit, sobald es Internetverbindung gibt – so hat Slystaps den Schmieden ins Cloud-Zeitalter verholfen. Ähnliche Programme hat die Firma für Bäcker und für Automechaniker entwickelt. „Die verstehen ihr Handwerk“, sagt Beck, „aber sie sind nicht unbedingt geübt im Umgang mit Computern.“ Das könne durchaus zum Scheitern eines Betriebes führen.

Dabei entwickelt Slystaps keineswegs nur Programme für Mikro-Unternehmen. Zu den Kunden der Firma gehört unter anderem auch Arcelor-Mittal. Für den Stahlproduzenten haben die Informatiker ein Statistikprogramm zur Überwachung der Materialdichte von Blechen entwickelt, das auch die Autokonstrukteure nutzen, die die Bleche zu Karosserieteilen weiterverarbeiten. Die Nähe zum Kunden war eine der Ursachen für den Umzug der Firma nach Luxemburg vor zwei Jahren. Der Wunsch, die Firma internationaler aufzustellen, aus einem französischen ein europäisches Unternehmen – und irgendwann ein globales – zu machen, stand dabei an vorderster Stelle, erklärt Beck in seinem kleinen Büro in Roedt.

Auf dem Tisch vor ihm liegt sein Telefon, ein schwarzes Smartphone, Modell Sly Tap. Seit dem Umzug nach Luxemburg hat die Firma darin viel Zeit und einiges an Kapital investiert. Denn Slystaps entwickelt außer Soft- auch Hardware, auf der die Applikationen laufen. „Unser erstes Tablet kam sechs Monate vor dem ersten I-Pad heraus“, erzählt Sylvain Beck. Das Sly Tap sieht aus wie jedes Smart-Phone, das nicht von Samsung oder Apple stammt. Es hat ungefähr die gleiche Größe, ist schmal, hat ein großes Display, unter dem sich ein Knopf für den Menü-Zugang befindet, und es läuft auf Android. 149 Euro würde das Sly Tap den Endkunden im Laden kosten – der günstige Preis ist die hervorstechende Charakteristik –, wenn es die Kunden denn kaufen könnten. Denn obwohl die Luxemburger Mobilfunkoperateure das Sly Tap technisch für einwandfrei erklärt haben, hat sich bisher keiner von ihnen bereit erklärt, es ins Sortiment aufzunehmen. Deshalb riskiert das Smartphone von Slystaps zum Rohrkrepierer zu werden. Slystaps fehlen die Bestellungen, um, nach einer ersten Serie von mehreren hundert Stück, die Produktion zu lancieren.

Die Produktion hätte Slystaps am liebsten in Luxemburg angesiedelt. „Aber die Grundstücke sind rar“, sagt Beck. Deshalb sah sich die Firma in der Großregion um, hat mit französischen Schulen an einem Konzept für den Zusammenbau gearbeitet. „Die Idee dahinter war, eine neue lokale Herstellungskette aufzubauen. Beispielsweise für die Hülsen, aus recyceltem Materialien, aus Plastik oder Aluminium.“ Damit sich das lohnt, müssen große Volumen hergestellt werden. Um die nötigen Bestellungen dafür zu generieren, ließ die Firma auf Basis ein sehr detaillierten Lastenhefts eine erste Serie des „Luxemburger“ Smartphones in China bauen.

„Das Problem ist, dass das ganze Wissen sich seit 30 Jahren in China befindet“, sagt Beck mit Blick auf die Elektronik-Branche. Für einige Komponenten, beispielsweise die Bildschirme, gebe es ohnehin nur vier Produzenten weltweit. Die Fertigung in China hat nicht nur Vorteile, wie Beck erklärt. Der Umgang mit den Fabriken sei mitunter umständlich, während der Fertigung musste ein Mitarbeiter vor Ort die Ausführung überwachen. Auch aus diesen Gründen würde Slystaps eigentlich gerne in der Großregion produzieren.

Dass es auf den ersten Blick ein aussichtloses Unterfangen scheint, ausgerechnet in Luxemburg, wo Apple- und Samsung-Geräte fast zur Standard-Ausrüstung von Schulkindern gehören, ein Billig-Smartphone verkaufen zu wollen, dessen Kamera und Speicherkapazität mit denen der Konkurrenz nicht vergleichbar sind und das auch nicht durch besonderes Design besticht, sieht Beck ein. Dennoch glaubt er, dass es auch hier einen Markt für sein Produkt gibt. „Unsere Kunden sind vor allem Professionelle, denen wir Software verkaufen.“ Unternehmen, die eine Vielzahl von Mitarbeitern mit Geräten ausstatten, könnten durchaus Interesse an einem funktionellen Gerät haben, das ihren Anforderungen entspricht, aber statt 700 nur 150 Euro kostet, so Beck. Solchen Firmenkunden könnte Slystaps einen doppelten Mehrwert bieten, ist er überzeugt. Software und Geräte. Und, hebt er hervor, ins Sly Tab können zwei Sim-Karten eingefügt werden. Das bleibe ein Argument, meint Beck, weniger wegen hoher Roaming-Gebühren, sondern vielmehr um private und professionelle Mobilfunknummern auf einem Gerät laufen zu lassen.

Weil die Luxemburger Operateure das Gerät nicht in ihr Angebot aufgenommen haben, sucht die Firma anderswo nach dem nötigen Absatzvolumen, um eine neue Serie herstellen zu lassen. Über alte Kontakte hat die Firma die Hälfte der ersten Generation von mehreren hundert Stück in Afrika abgesetzt. Unter anderem im Kongo wird mit Sly Taps telefoniert. Während die Firma weiter nach dem nötigen Auftragsvolumen sucht, entwickelt sie das Modell weiter. Und arbeitet an anderen Geräten.

Neben Becks Sly Tap liegt ein Tablet von der Größe eines I-Pads, das dem Apple-Modell, abgesehen von der Knopfform und der Dicke, sehr ähnlich ist. „Gleicher Bildschirm“, bemerkt Beck. Es ist der zweite Prototyp, den Slystaps nach den spezifischen Anforderungen französischer Behörden entwickelt hat. Denn in Frankreich sollen Schulkinder künftig per Gesetz mit Tablets ausgestattet werden, deshalb ist das Département Moselle seit zwei Jahren mit Slystaps in Verhandlungen. Das Gerät verfügt über große Batterie-Autonomie, erklärt der Informatikingenieur, damit könne einen Tag lang gearbeitet werden. Das Hauptproblem, sagt Sylvain Beck, seien allerdings die fehldenen digitalen Inhalte, didaktische Programme, anhand derer die Schüler auf ihren Tablets unterrichtet werden sollen, und die erst noch von Psychologen und Schulbuchverlagen entwickelt werden müssten. Kontakt zu den Luxemburger Schulbehörden hat Slystaps bisher keinen.

Michèle Sinner
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