Luxemburg im UN-Sicherheitsrat

Klappsitz

d'Lëtzebuerger Land vom 26.10.2012

Vergangene Woche wurde Luxemburg zum ersten Mal für zwei Jahre in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gewählt. Ob in der Welt dadurch der schöne „Zustand eines öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung, wirklich zu machen“ sein wird, bleibt abzuwarten. Aber die Wahl ist zweifelsfrei ein Erfolg für die Luxemburger Diplomatie. Denn ihr oberstes Ziel ist es seit jeher, das Großherzogtum nicht als Operettenstaat und Steuerparadies, sondern als vollwertiges Land mit allen Attributen nationaler Unabhängigkeit und Selbstständigkeit erscheinen zu lassen. Nur so lassen sich mit mehr als beschränkten Mitteln seine politischen und auch wirtschaftlichen Interessen in der Welt vertreten. Zu diesem Zweck werden Offiziere dorthin geschickt, wo einst der Rand der zivilisierten Welt vermutet wurde, werden im Verhältnis beträchtliche Summen für die Entwicklungshilfe ausgegeben und wurde eben eine Million Euro in eine Kampagne für einen zeitweiligen Sitz am Runden Tisch in New York investiert, als hieße es, wieder eine europäische Présidence zu stemmen. Dass die Regierung diese Kandidatur seit einem Jahrzehnt vorantrieb, zeigt aber auch, dass sie nicht erst heute von der Vorstellung abgerückt ist, in einer globalisierten Welt alle Außenpolitik der Europäischen Union zu überantworten.
Der Erfolg bei der Abstimmung in der westeuropäischen Ländergruppe, zu der kurioserweise auch Australien zählt, übertraf viele Erwartungen. Wer hätte schließlich schon vorausgesagt, dass Luxemburg im ersten Wahlgang nur um eine Stimme die nötige Zweidrittelmehrheit verpasste, dass es im zweiten Wahlgang doppelt so viele Stimmen wie der Konkurrent Finnland erhielt? Schließlich manövrierte das neutrale Finnland während des Kalten Kriegs geschickt zwischen den Blöcken und genoss dadurch ein ungleich höheres diplomatisches Ansehen in der Dritten Welt als Luxemburg, das gerade seine Neutralität aufgegeben hatte und europaweit Krügerrand-Münzen vertrieb.
Den Erfolg verbucht vor allem Außenminister Jean Asselborn, indem er die bewegende Geschichte erzählt, wie er unter hartem Körpereinsatz bis ans Ende der Welt die Stimme jedes einzelnen Inselstaats sammeln ging und sie gegen eine nicht näher beschriebene politische Gegenleistung eintauschte. Für den sozialistischen Vizepremier stellt das Votum vielleicht den Höhepunkt seiner diplomatischen Karriere dar, während CSV-Premier Jean-Claude Juncker gerade dabei scheint, sich von seinen internationalen Ambitionen zu verabschieden.
Während der Kampagne für den Sitz im Weltsicherheitsrat vertrat Luxemburg mit Leidenschaft nicht immer kohärente Positionen. So dass bei der Frage, wo die internationale Staatengemeinschaft gerade Frieden und Demokratie herbeibomben sollte, der Eindruck aufkam, als ob seine Diplomatie vor allem um das Ausschöpfen des jeweils größeren Sympathie­reservoirs bemüht gewesen wäre. Das zeigte sich ähnlich bei der palästinensischen Bewerbung um die Mitgliedschaft bei den Vereinten Natio­nen vor einem Jahr, die nach ersten Sympathiebekundungen bald nur noch als Testfall für die europäische Einheit interessant war.
Nun, da Luxemburg seinen Klappsitz zwischen den Atombombenmächten hat, braucht es aber auch die dazu passende Außenpolitik für die nächste oder übernächste Krise. Wenn im Sicherheitsrat beispielsweise der Außenminister eines US-Präsidenten Mitt Romney eine von Israel zur Verfügung gestellte Phiole hochhält, um die Existenz diesmal iranischer Massenvernichtungswaffen zu beweisen. Oder mit dem Segen des Sicherheitsrats die Militärintervention im Norden des „pays cible“ Mali gegen die Halsabschneider und Gotteskrieger beginnen soll, die von Luxemburgs „strategischem Partner“ Katar so großzügig finanziert werden wie die Bil und Cargolux.

Romain Hilgert
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