Romain Garys Geschichte bietet alles für einen guten Film. Um das Leben des zweifachen Preisträgers des Prix Goncourt (1956 für Les Racines du ciel unter seinem Künstlernamen „Romain Gary“, 1975 für La Vie devant soi als Emile Ajar beziehungsweise Paul Pavlowitch) ranken sich Mythen. Ein Jahr nach dem Suizid seiner Geliebten Jean Seberg sollte auch Gary den Freitod wählen und der Nachwelt nur eine kurze Notiz hinterlassen: „Aucun rapport avec Jean Seberg“, unterzeichnet mit „Romain Gary“. Ein letzter Streich oder nur der letzte Akt der Selbstbestimmung eines lebensmüden Überlebenskünstlers?
Die Lebensgeschichte Garys, La promesse de l’aube (1960), bleibt bis heute ein Kultroman. Nach Jules Dassin (1970) hat nun Eric Barbier Garys autobiografischen Roman verfilmt, mit alten und neuen Stars: Charlotte Gainsbourg spielt die (Über-)Mutter Nina Kacew, in der Hauptrolle sieht man Pierre Niney, dem melancholische, altmodische Filmrollen auf den Leib geschrieben zu sein scheinen (etwa François Ozons Frantz, 2016). Akribisch, aber vor allem poetisch beschreibt Gary seine Kindheit und Jugend unter dem Erwartungsdruck seiner Mutter, die vielen Anstrengungen, die sie für seine Erziehung unternimmt, damit aus ihm ein großer Künstler wird. „Es gibt drei Gründe, um die es sich lohnt zu kämpfen: die Ehre, die Frauen und die französische Republik!“, schärft sie ihm immer wieder ein, selbst, wenn der von einer Prügelei zerschundene Junge mit hängendem Kopf nach Hause kommt und im Bett liegen muss, weil er für seine erste Liebe Schuhsohlen gegessen hat.
Den Traum der Mutter von einer ruhmreichen Zukunft für ihren einzigen Sohn schreit Nina Kacew (Charlotte Gainsbourg) in Barbiers Verfilmung wie eine Prophezeiung in den Hof ihrer armseligen Unterkunft in Vilnius: „Mein Sohn wird ein großer Künstler werden: Verführer, Kriegsheld und Botschafter Frankreichs!“
Das frühe, in doppelter Hinsicht „Versprechen“ des Sohnes an seine Mutter, eines Tages berühmt zu werden, um die Demütigungen, die seine Mutter in Polen als Näherin erfuhr, sowie antisemitische Anfeindungen ein Stück weit zu kompensieren, gelobt der Sohn zu erfüllen; ein Versprechen, das sein Leben lang auf ihm lasten wird. In Barbiers Filmfassung wird das in einer Szene symbolisiert, in der der kleine Romain Gary die Mutter zum Tango bittet. Schauspielerisch glänzt Pierre Niney in der Hauptrolle, aber auch Charlotte Gainsbourg überzeugt in der Rolle der störrischen jüdischen Mamme, die bis zuletzt an ihrem Sohn festhält. Einige der gefilmten Fliegerszenen wirken zudem authentisch, ohne viel auf Computersimulation zurückzugreifen.
Über die Schwächen des Films (ein recht gekünstelt wirkender Einstieg, in dem man den verletzten Gary als alternden, in Mexiko gestrandeten Autor sieht, dem seine erste Frau Lesley Blanch das Leben rettet; oder eine plakative Szene, in der Gary bei der Luftwaffe von einem Kameraden eine antisemitische Karikatur mit dem Kommentar zugeschoben wird: „Bist Du das?“) schmälern nicht die insgesamt gelungene Verfilmung Barbiers.
Ansehen sollte Gary freilich erst spät beschieden sein, die Wünsche der Mutter, die ihn sein Leben lang geprägt hatten, in Erfüllung gehen: Er wurde ein berühmter Schriftsteller und später Generalkonsul Frankreichs. Unter den Pseudonymen Shatan Bogat, Fosco Sinibaldi und Emile Ajar hat sich der geniale Schriftsteller einst die Finger wund geschrieben.
Doch wirklicher Ruhm wurde dem Mann, der fast erstickt an der Mutterliebe, wohl keine Frau je so hat lieben können wie sie, und der nur zwei Ziele im Leben hatte, Hitler zu bekämpfen und ein berühmter Schriftsteller zu werden, freilich erst posthum zuteil. Eric Barbiers Verfilmung von La promesse de l’aube ist freilich nicht frei von Klischees, schafft es jedoch, einen zu verzaubern ohne den Mythos um Romain Gary zu entzaubern.