Postgebühren

Jeder Cent zählt

d'Lëtzebuerger Land vom 02.09.2010

Keinen allzu guten Eindruck dürften die Verbraucher von der bevorstehenden Liberalisierung des Postverkehrs gewinnen. Denn wenige Wochen, nachdem Kommunika­tions­minister François Biltgen (CSV) den Gesetzentwurf zur endgültigen Liberalisierung des Postverkehrs vorgestellt hatte, teilte die Post am Montag in einer kurzen Pressemitteilung mit, dass sie ihre Tarife erhöhen würde.

Und die am Mittwoch in Kraft getretene Verteuerung bewegt sich, wie immer bei der Post, im zweistelligen Prozentbereich: die Frankierung eines Standardbriefs bis 20 Gramm wurde um 20 Prozent im Inland und um 22 Prozent für das Ausland teurer. Im Inland wurde der Versand eines Päckchens bis zwei Kilo um 27 Prozent teurer. Eine Buchsendung bis drei Kilo ins Ausland kostet 20 bis 23 Prozent mehr. Eine Zeitung bis 250 Gramm im Inland oder in die Europäische Union zu versenden, wurde 33 Prozent teurer. Der Zuschlag für eingeschriebene Briefe wurde um 33 Prozent verteuert, die Pauschale für das Nachsenden der Post sogar um 70 Prozent.

Dass Briefe zwischen 20 und 50 Gramm durch die Abschaffung dieser Gewichtsklasse billiger werden, ist nur ein schwacher Trost. Während Privathaushalte mit Angehörigen im Ausland vor allem die Erhöhung des Paketportos spüren dürften, merken Betriebe, die große Mengen Briefe verschicken, besonders die Verteuerung des Briefportos. Auch wenn das Versenden eines Briefs nur 10 oder 20 Cents mehr kostet, schlägt der Versand von Tausenden von Kontoauszügen oder Rechnungen doch ins Geld.

Der traditionelle Postverkehr ist aber angesichts von Umsatzrückgang und Liberalisierungszwang das Sorgenkind des Postunternehmens. Auch 2009 verzeichnete es einen leichten Rückgang der Postsendungen von 263,6 Millionen auf 262,2 Millionen Stück, und dies trotz des vom Parlament bezuschussten massiven Versands von Propaganda im Wahljahr: Die Verteilung von Werbematerial an alle Haushalte nahm um 11,5 Prozent zu.

Die Zahl der Briefe ging um 2,5 Prozent zurück und machte noch 174,7 Millionen Stück aus. Aber 2007 und 2008 waren ausgesprochen gute Jahre: zum einen, weil die Post begonnen hatte, sämtliche Tageszeitungen auszutragen, zum anderen, weil die Banken viele Mitteilungen über die schwankenden Zinsen verschickten und die neue Gesundheitskasse sich den Versicherten vorstellen musste.

Eine Ursache für den allgemein rückläufigen Trend im Briefverkehr der vergangenen Jahre ist, dass die Post Marktanteile bei den Briefen über 50 Gramm an die ab 2006 zugelassenen privaten Konkurrenten verlor – ab 1. Januar 2013 wird dann der gesamte Postverkehr liberalisiert. Aber ein Teil der Briefe wird auch durch E-Mails ersetzt, die schneller und billiger sind. Außerdem bemühen sich die gewerblichen Großkunden um Kostensenkungen, in dem sie Porto zu sparen versuchen. Selbst die Post legt ihren Kunden inzwischen – selbstverständlich aus Umweltschutzgründen – nahe, sich nur noch in größeren Zeitabständen Kontoauszüge des Postschecks schicken zu lassen.

2006 hatte das Volumen der von der Post verteilten Tageszeitungen sprunghaft um zehn Prozent zugenommen und mehr als 25 Millionen Exem­plare jährlich ausgemacht, als die Post die privaten Zeitungsausträger von Saint-Paul und Editus in den Städten übernommen hatte. Doch seither ist die Zahl der Tageszeitungsabonnements rückläufig, sie nahm 2008 um 0,7 und 2009 um 3,2 Prozent ab.

Das Internet geht zwar auf Kosten des Briefverkehrs, aber die Paketpost profitiert davon. Denn die Paketsendungen nahmen 2009 um 24,3 Prozent zu, was vor allem auf den Erfolg des elektronischen Handels zurückzuführen ist, an dem meist bloß die Bestellung elektronisch ist. Die Post hatte im Herbst 2008 einen Vertrag mit der in hierzulande niedergelassenen Versandbuchhandlung Amazon Europe unterschrieben, um die Bestellungen im Inland mit der heimischen Post ab Luxemburg zu versenden.

Vor diesem Hintergrund beruft sich die Post darauf, dass sie das Inlands­porto nicht mehr seit 2003 und das Auslandsporto nicht mehr seit 2005 erhöht hat. So dass angesichts der gestiegenen Kosten ein Nachhol­bedarf entstanden war. Obwohl die nun erfolgte Verteuerung über dem Niveau der seither fälligen sechs Index-Tranchen liegt, hat die starke Portoerhöhung auch damit zu tun, dass sie so lange hinausgezögert wurde. Dabei hatte es nicht am Bemühen der Post gefehlt, ihre Tarife anzupassen. Doch gleich mehrere Minister wiesen die Vorstöße zurück. Denn meist ist der Postminister auch als Wirtschaftsminister für den Index zuständig, und es ist ihm wichtiger, die allgemeine Preisentwicklung zu bremsen. Obwohl die Posttarife nur mit 0,3 Promille im Indexwarenkorb gewichtet sind.

Die Tripartite hatte sich 2006 auf eine „politique prudente et évitant les à-coups au niveau de l’adaptation des prix administrés“ geeinigt. Angesichts heftiger Kritiken, sie habe kein Konzept zur Inflationsbekämpfung, begrub die Regierung dann zwei Jahre später endgültig das kurz zuvor noch zum Dogma erklärte Prinzip der Kostendeckung bei öffentlichen Dienstleitungen. Im April 2008 beschloss sie, alle verordneten Preise, von den Gebühren der ­Sandweiler Kontrollstation über die staatlichen Taxen bis zum Brief­porto der Post, einzufrieren. Doch die wenige Monate später ausgebrochene Weltwirtschaftskrise dämpfte rasch alle Inflationsängste. Das Einfrieren der verordnen Preise scheint seit dieser Woche ohne viel Aufhebens beendet.

Romain Hilgert
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