Mit Biltgen kommt die Samstags-Post: Ginge es nach dem Kommunikationsminister, dann sollen ab dem 1. Januar 2013 Postsendungen bis zehn Kilogramm auch samstags zugestellt werden. So steht es in dem Gesetzentwurf zur Regulierung des Postwesens, der am Freitag vergangener Woche vom Regierungsrat gut geheißen wurde.
Mit einem kleinen Dissens allerdings: Wirtschaftsminister Jeannot Krecké (LSAP) hält von der Samstags-Idee nichts. „Ich sehe nicht, was das dem Verbraucher bringen soll“, erklärt er dem Land. So viel Briefpost gebe es gar nicht mehr. „Da würden die Leute im Gegenzug montags weniger erhalten.“ Der Post bringe eine Sechs-Tage-Zustellung nur Extrakosten: geschätzte 14 Millionen Euro im Jahr. Was nicht gerade wenig ist gegenüber den Einnahmen von 124,6 Millionen Euro, die die Entreprise des postes et des télécommunications (EPT) 2008 im Postdienst verbuchte.
Aber über der Frage der Briefzustellung gerät die Koalition nicht in die Krise – dafür gibt es derzeit geeignetere Anlässe. Weil François Biltgen (CSV) als Kommunikationsminister das Vorschlagsrecht zur Post-Regulierung zukommt, hat Krecké dessen Entwurf zugestimmt. Und ist überzeugt: „Wenn der Gesetzentwurf erst einmal beim Parlament eingereicht ist und die öffentliche Diskussion darüber begonnen hat, dann werden sich genug Gründe finden, um bei fünf Tagen Briefpostzustellung zu bleiben.“
Damit dürfte der Wirtschaftsminister Recht behalten. Biltgens Ansatz klingt zwar plausibel: „Eine Postzustellung an sechs Tagen statt nur an fünf wäre ein Qualitätszuwachs“, erklärt der Kommunikationsminister dem Land. Und was vor einer Woche grünes Licht vom Regierungsrat erhielt, ist kein „Postgesetz“, das sich allein auf die EPT bezöge, sondern die Marschrichtung, die Luxemburg bei der Umsetzung der letzten Phase der EU-weiten Postliberalisierung gehen soll.
Bis Ende 2012 darf Briefpost bis 50 Gramm für den nach EU-Lesart „traditionellen Monopolisten“ EPT reserviert sein. Ab 1. Januar 2013 darf im Postbereich jeder alles machen – die EPT genauso wie ihre gegenwärtig an die 20 Konkurrenten. Dafür legt François Biltgens Entwurf die Spielregeln fest. Auch an Samstagen Post zuzustellen, würde vom Anbieter des so genannten „Universaldienstes“ verlangt – der Post-Grundversorgung für jedermann an jedem Ort. Dem Gesetzentwurf nach soll der Universaldienst bis Ende 2019 von der EPT erledigt werden. Dass dann mehr geboten werden soll, klingt natürlich gut.
Aber schon gehen – über den Wirtschaftsminister hinaus – alle wichtigen Beteiligten auf Distanz zur Samstags-Idee: Die EPT-Generaldirektion habe damit nichts zu tun, erklärt ihr Pressesprecher Olivier Mores. Und weder Jean-Marie Heyder vom CGFP-Postsyndikat noch Eugène Kirsch, der Präsident der Bréifdréieschgewerkschaft, können sich vorstellen, welche Postsendungen zusätzlich befördert werden könnten.
Wie sich im Zeitalter von E-Mail und Web 2.0 das Postaufkommen in Luxemburg entwickeln könnte, hat auch François Biltgen nicht untersuchen lassen. Stattdessen führt er an, dass eine erweiterte Postzustellung sogar als eine Art Zugangshürde zum Universaldienst verstanden werden könnte: „Schon als CSV-Präsident habe ich stets darauf hingewisen, dass einem Briefträger auch eine soziale Funktion zukommt.“ Die werde durch eine Sechs-Tage-Zustellung gestärkt. Was nichts anderes hieße, als Konkurrenten der EPT den Universaldienst nicht interessant genug erscheinen zu lassen.
Das Problem ist nur, dass auch für die EPT der Universaldienst nur schwerlich interessant sein kann. 70 Prozent ihres Briefpostvolumens stammen von lediglich 100 Kunden, wie eine vor drei Jahren angefertigte Studie ergab (d’Land, 22.06.2007). Sollte die EPT den für sie reservierten Bereich bis 50 Gramm verlieren, könnte der Preis für einen Standardbrief im Inland von 50 Cents auf kostendeckende 2,50 Euro erhöht werden müssen, hieß es in der Studie noch. Da es ab 2013 keinen reservierten Bereich mehr gibt, scheinen Preiserhöhungen geradezu programmiert – und Auswirkungen auf das Aufkommen an Briefpost ebenfalls. In diesem Zusammenhang erscheint der bloße Gedanke an eine Sechs-Tage-Zustellung absurd.
Womit sich die Frage stellt, wie der Postdienst der EPT überhaupt auf die liberalisierte Zukunft ausgerichtet werden soll. Am Mittwoch haben darüber Diskussionen zwischen den Gewerkschaften und der Postdirektion begonnen. Sie sollen endgültig über die Zukunft des öffentlichen Beschäftigten-Statuts im EPT-Postdienst entscheiden. Kein Briefträger, kein Schlaterbeamter mit Statut soll arbeitslos werden, lautet die wichtigste Prämisse. Doch das heißt im Gegenzug Versetzungen, Umschulungen – und dass künftig vermutlich nur noch Personal mit Privatstatut eingestellt wird. Für diesen Fall legte am Mittwoch die Postdirektion Entwicklungsszenarien für den Postbetrieb bis zum Jahr 2030 vor. Aus den Verhandlungen mit den Gewerkschaften soll ein Branchen-Kollektivvertrag abgeleitet werden. Der Arbeitsmminister soll ihn für allgemeingültig erklären, um Sozialdumping von Konkurrenten der EPT auszuschließen.
Ebenfalls mit diesen Diskussionen verbunden ist die Zukunft der Postämter. Die Pläne der EPT zum Abbau der Ämter hat Jeannot Krecké auf Eis legen lassen. Aber je nach Ausgang der Verhandlungen zwischen Postdirektion und Gewerkschaften könnten sie wieder auf den Tisch kommen. François Biltgens Gesetzentwurf hat damit nichts zu tun: Darin ist zwar die Rede vom „Zugang“ zum Universaldienst. Gemeint sind damit jedoch keine Postämter, sondern Briefkästen.
Was bei diesen Diskussionen für die Post auf dem Spiel steht, illustrierte 2006 eine im Auftrag der EU-Kommission von Pricewaterhousecoopers erstellte Analyse: Sie nannte die bis dahin von der EPT vorgenommenen Auslagerungen im Postbereich „vorbildlich“, um den Wettbewerbsnachteil durch hohe Gehälterkosten auszugleichen, die der EPT durch ihr mit öffentlichem Statut angestelltes Personal entstehen.
Dennoch habe damals das Gehälterniveau im EPT-Postdienst insgesamt um 50 bis 100 Prozent über dem der anderen EU-Staaten gelegen. Viel zu viel, laut Pricewaterhousecoopers, damit die EPT mitbieten könnte in einem eigentlich „interessanten“ Markt: Wegen der hohen Konzentration von Dienstleistungsbetrieben ermittelte die PWC-Studie Luxemburg als Europameister im Pro-Kopf-Briefpostaufkommen: 489 Postsendungen pro Einwohner gegenüber einem EU-Durchschnitt von 195 (d’Land, 27.10.2006).
Das sind Fragen, die den Wirtschaftsminister betreffen, nicht den für die Regulation zuständigen Kommunikationsminister. Jeannot Krecké kann derzeit noch hoffen, dass Postdirektion und Gewerkschaften sich einig werden. Klappt das nicht, müsste er eingreifen. Spätestens dann könnte die Kritik an der Samstags-Idee sehr laut werden. Sie wird freilich schon heute von einer anderen Seite her vernehmbar. Jeannot Krecké wie François Biltgen weisen beide darauf hin, dass es im Gesetzentwurf einige heikle Punkte gebe.
Einer davon betrifft die Finanzierung des Universaldienstes. Denn was die EU-Richtlinie 2008/06 EG wichtig für den „sozialen und territorialen Zusammenhalt in der Union“ und ein „wesentliches Instrument für Kommunikation und Informationsaustausch“ nennt, soll für den Universaldienstleister kein Fass ohne Boden sein. Weshalb die Richtlinie den Mitgliedstaaten erlaubt, aus dem Universaldienst entstehende Mehrkosten entweder aus dem Staatshaushalt zu decken oder über einen Ausgleichsfonds. Erstgenannten Weg will beispielsweise Belgien gehen. Luxemburg dagegen soll einen Ausgleichsfonds erhalten.
Der Ausgleichsmechanismus würde jedoch nicht automatisch wirksam, wie etwa im Energiebereich, wo es einen Fonds gibt, über den die Mehrkosten für Strom aus erneuerbaren Quellen auf die Verbraucher umgelegt werden. Der Postdienst-Ausgleichsfonds träte erst in Funktion, wenn die EPT als Universaldienstleister das beim Institut luxembourgeoise de régulation (ILR) beantragt, erklärt der Kommunikationsminister. Dann müssten alle anderen „in der Nähe“ des Universaldienstes tätigen Konkurrenten der EPT anteilig in den Fonds einzahlen.
Damit wird François Biltgen doch unmittelbar mit der Kostenfrage im EPT-Postdienst als politischem Problem konfrontiert. Denn weil das „in der Nähe“ noch nicht fertig definiert ist, wächst hinter den Kulissen der Druck, den Ausgleichsfonds nicht zu teuer werden zu lassen. Auch die Fedil, der alle Postdienstleister, von der EPT bis hin zu ihren Konkurrenten, angeschlossen sind, sei gegen die Samstags-Zustellung, räumt der Minister ein. Was ja vielleicht daran liegt, dass der Patronatsverband die Festkosten hinter einer solchen Neuerung erkennt.
Doch da von Anfang an schon zwei Regierungsmitglieder zur Samstags-Post verschiedener Meinung sind und François Biltgen betont, die Abgeordnetenkammer werde entscheiden, wird es dieser nicht schwer fallen, die Idee gegebenenfalls zu beerdigen. Etwa dann, wenn sich in den Verhandlungen um Post-Statut und Kollektivvertrag herausstellt, dass höhere Kosten durch Samstags-Post mit prekären Jobs zu tun haben könnten und dies der CSV zu heiß wird.
Oder, falls sich herausstellt, dass die Kosten der EPT so schnell nicht zu senken sind, der Ausgleichsfonds aber nicht zu teuer werden darf und gegenüber heute wesentlich erhöhte Preise sich abzeichnen. Vielleicht ist bis dahin auch klarer, inwieweit im kommenden Jahrzehnt die Briefpost der Haushalte noch aus viel mehr bestehen wird als auch Rechnungen, Postscheck-Kontoauszügen und den Rückerstattungsbelegen der Krankenkenversicherung.
Véronique Poujol
Kategorien: Die Union, Öffentliche Märkte, Post und Postdienste
Ausgabe: 04.03.2010