Luxemburgensia

Bubble in Außenansicht

d'Lëtzebuerger Land vom 26.07.2019

Roland Harsch gehört sicher nicht zu denen, die die zuweilen zweifelhafte Bekenntniskultur und den mäßig interessanten Exhibitionismus von Facebook mit dem öffentlichen Raum verwechseln. Er gehört vermutlich auch nicht zu denen, die die Facebook-Blase für den Untergang jeglicher zivilisierten öffentlichen Diskussion halten. Vielmehr sieht der Autor mit einer Mischung aus Befremden und Erstaunen auf diese „Bubble“, diese Blase, in der sich Tag für Tag Millionen Nutzer einkapseln, und kann offenbar nicht an ihrem seltsamen Namen vorbeidenken. Der für seinen satirischen Blick und seine Freude am Sprachwitz bekannte Autor hört aus „Facebook“ das „Féissbuch“ heraus – und bleibt dabei. Für Quatsch ist schließlich jeder Ausgangspunkt Recht, das weiß schon die klassische Logik. So lässt Harsch dann auch gleich eingangs das Ex falso quodlibet mit zwei einander widersprechenden Zitaten anklingen („Remember to look up at the stars and not down at your feet.“ und „Blick auf zu den Sternen, gib acht auf die Gassen.“). Wenn man aus einer falschen Prämisse beziehungsweise aus einen Widerspruch Beliebiges ableiten kann, dann beispielsweise auch aus einer Verwechslung von Wörtern das Konzept für ein Buch. Oder nach dem Gesetz der Serie: Auf einen Kalauer müssen weitere folgen. Einmal Füße, lauter Füße.

Ergebnis dieser Unternehmung ist ein von zahlreichen Illustrationen aus dem Stift Michel Geimers bebildertes Coffee Table Book, gesetzt, man findet den Gedanken an Füße mit dem an Cucumber Sandwiches und Kekse vereinbar, oder was sich sonst noch auf „Coffee Tables“ ansammelt. Die Spannweite reicht von Aphorismen, Reflexionen und humoristischen Gedichten über (hoffentlich größtenteils erfundene) Anekdoten bis zu berühmten Füßen in Literatur, bildender Kunst und Musik. So richtig ernst und methodisch geht Harsch bei seiner Katalogisierung von Wegen und Füßen allerdings nicht vor. Verständlich! Ansprüche auf Vollständigkeit wären bei einem solchen Sujet auch übertrieben (oder mit den Worten des Autors: „e Fouss ouni Buedem“). Die Frage, ob „Füße“ überhaupt ein geeignetes Thema für eine längere Auseinandersetzung darstellen, wird durch die gebrochene Systematik dieses Buches müßig (darf man dem Autor unterstellen, er schriebe an dieser Stelle „füßig“?). Dat grousst Féissbuch präsentiert eine zwar in Kapitel gegliederte, aber letztlich sehr lose Ansammlung von unterschiedlichen Texten und Textarten zum Thema; eine vorgegebene Reihenfolge gibt es nicht und daher auch keine Notwendigkeit, die rund zweihundertfünfzig Seiten in einem Durchgang zu lesen.

Eine weitere Frage, die angesichts des Aufhängers naheliegt, betrifft den Umgang mit Facebook, „dem Original“. Formal nähert sich Harsch diesem Original stellenweise an, indem zum Beispiel heitere Dialoge zu einem fußverwandten Thema ausgeführt werden, wie man sie unter den „Posts“ auf einer „Facebook Wall“ finden könnte. Auch könnte man die Art, ganz offensichtlich Erfundenes als Faktuelles darzustellen, als Nachbildung des Phänomens der „Fake News“ verstehen, etwa wenn es heißt: „Iwwregens huet den Otto Pedester de Circuit duerch rengen Zoufall erfonnt.“ (S. 33). Doch trotz einiger kabarettistischer Ansätze und polemischer Spitzen lässt sich von einem medien- oder gesellschaftskritischen Werk nicht sprechen. Der Verblödungs- und Verrohungsfaktor von Facebook kommt hier nicht vor, weil es um Facebook letztlich gar nicht geht. Das mag man aus zwei Gründen bedauern: Erstens ist der Face/Féiss-Witz, den Harsch als Auslöser für das Buch bemüht, so neu und originell nun nicht und zweitens wäre Medienkritik aus der Feder eines ehemaligen Lehrers um einiges interessanter gewesen als ein von einem großväterlichen Wir-Erzähler vorgeführtes – zum Teil ganz witziges, zum Teil aber auch wirklich harmloses Sammelsurium von Beobachtungen und Wortspielereien (von der Art: Maspalomas und Maspalopas auf Gran Canaria). Einige „Lieblingseinfälle“ geraten dem Autor zu lang, etwa die Geschichten um den „Reflexologen“ Drucker und seine wechselnde Klientel, oder ein Kommentar zu einer Aufführung von Die schöne Müllerin, der ein ganzes Kapitel in Anspruch nimmt und keinen zwingenden Bezug zum Fuß-Thema aufweist. Gelegentlich, aber eigentlich zu selten blitzt Harschs Rang als Satiriker zwischen dem ganzen Fuß-Wust hervor, so zum Beispiel, wenn er meisterhaft Goethe parodiert:

Iwwer Daach a Giewel
ass Rou,
bal jiddwer Schniewel
hält zou:
Kal Séil am Leif;
de Guckuck an der Auer.
Waart, op kuerz Dauer
bass du och steif.

Dafür jedenfalls ein großes Like.

Roland Harsch: Dat grousst Féissbuch. Mat Illustratioune vum Michel Geimer. 256 S. Éditions Guy Binsfeld, Luxembourg 2019.

Elise Schmit
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