Heute loben wir das luxemburgisch-amerikanische Erbgut. Ach, hätten wir doch nur geduldig abgewartet, statt die wackere Luxembourg American Cultural Society gleich im Säurebad der Satire zu versenken! Vor genau einem Jahr machten wir uns gar lustig über den heiligen Hintergrund dieser beispielhaften Kulturinitiative. Als das sogenannte Cultural Center in Belgium (Wisconsin) eingeweiht wurde, gaben ein paar frömmelnde Marienlandhäuptlinge bei einem einheimischen Bildhauer eine Madonnen[-]skulptur in Auftrag. Diese hübsche Gottesmutter wurde nach Amerika verfrachtet und vor dem neuen Zentrum aufgepflanzt, zum Zeichen unserer durch und durch klerikalisierten Nationalkultur.
Nun, unser Spott war nicht angebracht, das wollen wir freimütig bekennen. Reuevoll klopfen wir uns heute an die eigene Brust. Denn die exportierte Madonna hat soeben ihr erstes Wunder vollbracht. Sie hat die Nachfahren der Luxemburger Amerika-Auswanderer auf einen wahren Gipfel der Hochkultur geführt. Die entsprechende Veranstaltung im Rahmen des Luxembourg Fest of America heißt First annual ‘minute to win it’ Treipen eating contest 2011. Es geht hier um nichts Geringeres als luxemburgische Kultur in ihrer explosivsten Form.
Beschreiben wir also das malerische Großereignis. 16 Kandidaten treten gegeneinander an, um den Titel des World Treipen eating champion 2011 zu erringen. Wer binnen einer Minute die meisten Träipen verschlingt, hat gewonnen. Auf den schönen Fotos im Internet sehen wir schwitzende Amerikaner mit hochroten Köpfen, die hektisch mit beiden Händen Blutwurst in die weit aufgerissene Gabber stopfen. Umrahmt sind sie von begeisterten Damen, die T-Shirts mit der Aufschrift Let me weigh your sausage tragen. Allein dieser Spruch zeigt die intellektuelle Tragweite des Wettkampfs. Das ist luxemburgisch-amerikanische Erotik vom Feinsten. Treffender kann man die innige Verbindung von Sex und Kulinarik nicht auf den Punkt bringen.
Diese hellsichtigen Amerikaner haben die drei Säulen der luxemburgischen Identität, also unsere kulturelle Dreifaltigkeit, genau erfasst: Vielfraß, Trunksucht und Lëtzebuerger Sprooch. Die Träip ist buchstäblich fleischgewordenes Luxemburgertum. Außen schwarz und innen ein blut- und fetttriefender Schlamassel, unser ganzes Erbgut im handlichen Wurstformat. „Our dream for a Cultural Center reflecting Luxembourg heritage and culture in the United States recently became reality“, schreibt Kulturministerin Octavie Modert am 26. Oktober 2009 ihren amerikanischen Freunden aus Belgium. Wie wahr! Wie wunderbar formuliert! Und sie fährt fort: „The mission of the Luxembourg American Cultural Society and Center is global in its vision and symbolized as ‘roots and leaves’.“ Auch hier können wir nur zustimmen. Seit der tapfere Blutwurstvertilgungsweltmeister mitsamt Blutwursttrophäe und Blutwurstmedaille gekürt wurde, ist die Vision in ihrer Globalität nicht mehr zu übertreffen. Ob nun roots and leaves in den Träipen verarbeitet wurden, ist eigentlich zweitrangig. Leaves auf jeden Fall, und zwar Kabesblieder.
Selbstverständlich muss diese kulturelle Euphorie auch stilgerecht in Sprache gegossen werden. „Let’s learn some Lëtzebuergesch“ hieß die Begleitveranstaltung zum globalen Träipen-Kampfsport. Dazu wurden eigens „five outstanding language teachers direct from the Grand Duchy“, also „professional instructors“ eingeflogen, unter ihnen die herausragenden Linguistik-Koryphäen Maggy und Guy Dockendorf. Sogar ein echter Linguistik-Doktor – „Cédric is brought to you by Luxembourg’s Ministry of Culture“- durfte die Blutwurstathleten sprachlich auf Hochtouren bringen.
D’Gladder opgerappt bis hannert d’Oueren an dann dee schwaarze Schmorri mat de Gräpp erageschëppt. Ja, unsere Sprache ist Musik in den Ohren der wackeren Exil-Luxemburger (sofern der Träipebulli ihnen nicht schon zu den Löffeln herausquillt). Fir ‘t éischt gutt gemäscht an da mam Hënneschte ge-knaddert, dass de mengs, et géifen drësseg Trakteren duerch d’Gaass rabbelen. Übrigens stand dieses „amazing, gut-wrenching, unthinkable“ Kulturfestival „under the High Patronage of His Royal Highness Grand Duke Henri of Luxembourg“. High, higher, am highsten! Natürlich freut uns die markante Blutwurstaffinität unseres Herrscherhauses. Dat ass dach emol eppes anescht wéi deen éiwege fade Kascht am Schlass! Gut-wrenching heißt übrigens darmabreißend. Womit die anale Qualität unserer heimischen Kultur in Amerika subtil gewürdigt wäre.
Dürfen wir zur Wiedergutmachung unseren amerikanischen Kulturverbündeten mit den abgerissenen Därmen einen würdigen Blutwurstweltmeister 2012 wünschen? An elo huel deng Troater, Batti, für den finalen Blutwurst-Tusch: Stars and Träips forever! Hoch lebe die „gross Luxembourg blood sausage“-Kultur! Wie wir hören, soll die Madonnenskulptur vor dem luxemburgisch-amerikanischen Blutwurst-Center in Belgium inzwischen ihren Heiligenschein durch einen Träipekranz ersetzt haben. Aber das ist reine Spekulation.