Zu Besuch bei Global Airlift Solutions

Logistik-Junkies

d'Lëtzebuerger Land vom 27.11.2015

Global Airlift Solutions heißt die Firma, die die erste Etage im Gebäude der Moutarderie du Luxembourg im Gewerbegebiet Münsbach gemietet hat. Betritt man ihr Großraumbüro, schauen alle Mitarbeiter von ihren Computerbildschirmen auf und rufen Hallo. Und ist der Chef noch nicht da, kommt einer der Mitarbeiter herangeeilt, schüttelt dem Besucher die Hand und bietet Kaffee in einer der großen Tassen mit dem Firmenlogo an: einem Globus mit stilisierten Flügeln. Dass Global Airlift mit der Fliegerei zu tun haben muss, ahnt man auch angesichts der vielen Flugzeugmodelle, die auf Schränken und Regalen verteilt stehen.

Firmenchef Joe Hauff sieht in Jeans und kariertem Hemd nicht gerade aus wie der typische Manager. Aber was soll Kleiderordnung in einem Betrieb, der einer aufeinander eingeschworenen Gemeinschaft gleicht? Hauff sagt, „wir tragen Handy und Laptop nicht nur bei uns, sondern nutzen sie auch aktiv“. Soll heißen: Feierabend gibt es nicht wirklich. Keiner in der Firma aber könne sich vorstellen, etwas anderes zu machen.

Noch vor sechs Jahren bildeten Hauff und seine Leute die Charterflug-Abteilung des Schweizer Logistikunternehmens Panalpina. 2009 gingen sie dort weg, zunächst in eine andere Firma, dann machten sie sich 2013 als Global Airlift Solutions selbstständig. Der junge Betrieb zählt heute fünfzehn Mitarbeiter, davon sieben am „operativen Hauptquartier“ in Münsbach, die anderen in Niederlassungen, unter anderem in den USA und China. Was sie tun, könnte man umschreiben mit: auch die ungewöhnlichsten Transporte zu egal welchem Punkt der Erde möglich zu machen.

Kein Wunder, dass Hauff voller Anekdoten steckt. Ganze Flugzeugladungen voller Lämmer nach Saudi-Arabien hat Global Airlift schon fliegen lassen, „aus allen möglichen Gegenden der Welt, denn zum Hadj in Mekka wird sehr viel Fleisch gebraucht“. Oder die beiden Eisenbahnwaggons, die man im Bauch einer russischen Antonow AN 124 unterbrachte. Global Airlift organisiert nicht nur Transporte, sondern konzipiert sie auch. Computersimulation hilft, noch den letzten Winkel einer Frachtmaschine auszunutzen. „Am Ende waren zwischen den Waggons und der Flugzeugwand kaum mehr als zehn Zentimeter Platz“, sagt Hauff stolz.

„Maßgeschneiderte Lösungen“ wie diese zu finden, „ist unsere Geschäftsnische“, erklärt er. Dazu gehöre zum Beispiel auch ein Handkurierdienst: „Da schicken wir einen unserer Leute mit einer Sendung los, wenn nötig, auch in unsichere Gegenden.“ Mit Abenteuer und sich durschlagen habe das aber nichts tun, das sei „ein höchst professioneller Service“. Am Flughafen Frankfurt stünden dafür Kuriere bereit, die extra für solche Zwecke über Einreisevisa auch in Krisenstaaten verfügten und über Genehmigungen, Fracht als Handgepäck mit sich zu führen und den Zollbereichs in Flughäfen zu betreten, damit die Einreiseformalitäten rascher abgewickelt werden können. Und sei in einem unsicheren Staat die Weiterreise riskant, würde der Kurier vor Ort abgeholt und weiterbegleitet: „Dazu verfügen wir über ein Netzwerk von Vertrauenspersonen, das wir seit Jahren pflegen.“

Critical care solutions seien eine weitere Aktivität für sich. „Wir lassen zum Beispiel Fracht mit einem Hubschrauber abholen, wenn ein Flugzeug erreicht werden muss. Das kostet zwar, ist aber vielleicht billiger als auf den nächsten regulär startenden Flieger zu warten.“ Auf diese Weise habe man vor kurzem 8 000 Tonnen Autogetriebe nach Detroit verfrachten lassen, „zwischen 20 und 140 Tonnen am Tag, das war eine ziemlich stramme Nummer“.

Auch Evakuierungen von Personen hat Global Airlift schon organisiert: „Während des Arabischen Frühlings haben wir 200 Mitarbeiter einer Ölfirma aus Ägypten ausfliegen lassen. Das musste derart schnell gehen, dass manche Arbeiter noch in ihren ölverschmierten Overalls steckten.“ Es habe sich um Leute „aus der ganzen Welt“ gehandelt. „Wir ließen sie nach Frankfurt fliegen, machten vorab die Einreise klar, organisierten einen Welcome-Service mit Verpflegung und ärztlicher Betreuung und sorgten für Anschluss-Flugtickets noch am gleichen Tag oder für Hotelübernachtungen.“

Logistik sei, sagt Joe Hauff, zumal wenn Lufttransporte genutzt werden, die Kunst, alle Eventualitäten zu bedenken, um dem Kunden die optimale Lösung anzubieten. Als Global Airlift einmal mehr als 900 Alpaka-Kamele von Chile nach China fliegen ließ, wurde nicht nur die Frachtmaschine aufwändig für den Tiertransport hergerichtet. „Nonstop von Chile nach China zu fliegen, geht nicht, man braucht eine Zwischenlandung, wir wählten Los Angeles.“ Für den Fall aber, dass sich in L.A. herausgestellt hätte, dass das Flugzeug wegen eines technischen Defekts nicht hätte weiterfliegen können, musste dort Ersatz bereitgestellt werden – und zwar ein ebenfalls für die Alpakas präparierter.

Sichtlich gern berichtet der Global-Airlift-Chef, dass seine Firma im vergangenen Jahr als ein Dienstleister für die Deutsche Touringmeisterschaft engagiert war – jenem Motorsport-Event, bei dem Audi, BMW und Mercedes ihre Superfahrzeuge gegeneinander antreten lassen und das 2014 in China stattfinden sollte. „Da sorgten wir neben Luftfracht auch für Seefracht in Containern. Da wird alles nur Denkbare transportiert, nicht nur die Autos und die Ausrüstung, auch Dekorationen und Kleider, und sogar der Sprit wird in Hamburg extra zusammengemischt.“

„Wir sind Logistik-Junkies“, sagt Hauff und gießt Kaffee in einen Pott mit dem geflügelten Globus nach. Deshalb sei es auch ganz normal, wenn jemand aus der Niederlassung in China oder den USA die Luxemburger Kollegen nachts um drei aus dem Schlaf klingele, weil er eine E-Mail eines Kunden empfangen hat, die wegen des Zeitunterschieds in Münsbach nicht gelesen werden konnte. „Dann fangen wir an zu arbeiten. Ohne diesen Kick fehlt uns etwas.“

Peter Feist
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