Arbeitslosigkeit

Schluss mit lustig!

d'Lëtzebuerger Land du 10.07.2003

Ein Drittel der bei der Adem registrierten Arbeitslosen hat nach sechs Monaten noch keine neue Anstellung gefunden, 20 Prozent auch nach einem Jahr noch nicht. Besonders schlecht gestellt sind über 50-Jährige und schlechter Qualifizierte. Das ist der soziale Hintergrund, vor dem das Arbeitsministerium den Begriff „soziale Arbeitslosigkeit“ geprägt und einen Entwurf für ein Gesetz über den „Kampf“ gegen diese verfasst hat. Arbeitslose, die sechs Monate nach ihrer Aufnahme in die Adem-Kartei weder eine Arbeit, noch einen Lehrvertrag gefunden haben und weder in Orientierungsmaßnahmen wie CAT oder Betriebspraktika untergekommen sind, noch in einer von der Adem geförderten Weiterbildung, sollen an „activités d’insertion ou de réinsertion professionnelle“ teilnehmen. Ihre Dauer soll sechs bis 18 Monate betragen, aber bis auf 24 Monate verlängerbar sein. Für RMG-Empfänger sollen „activités de mise au travail“ eingerichtet werden, die zu einer Festanstellung in einer „structure définitive“ führen.
Hauptziel des Gesetzentwurfes ist freilich, den bestehenden Beschäftigungsinitiativen einen legalen Rahmen zu geben. Der Weg für sie wurde 1995 durch einen Tripartite-Beschluss über „pactes territoriaux pour l’emploi“ geebnet. Doch bis heute ist nirgendwo geregelt, wie die Effizienz der Initiativen bei der Platzierung der von ihnen Betreuten in den freien Arbeitsmarkt kontrolliert werden soll. Stattdessen bestätigte das PAN-Gesetz von 1999, dass der nationale Beschäftigungsfonds 75 Prozent der Funktionskosten der Initiativen im weitesten Sinne trägt. Darunter fallen die Kosten für das Betreuungspersonal, die Lohnkosten der Betreuten sowie die unmittelbar mit den Aktivitäten verbundenen Kosten - und das ist der Stein des Anstoßes für die seit Jahren insbesondere von Handwerksbetrieben vorgetragene Kritik, Initiativen wie die OGB-L-nahe asbl Objectif plein emploi suchten auf kommunaler Ebene gezielt nach Arbeit, die jedoch nur dank öffentlicher Subvention auf der Nachfrageseite durch den Beschäftigungsfonds bezahlbar würde. Und die obendrein Handwerksbetriebe von der Auftragsvergabe ausschließe. Wenn das Arbeitsministerium feststellen muss, dass in den asbl im Juni an die 1 200 Leute beschäftigt waren, sich aber nur für 450 eine Registrierung bei der Adem nachweisen lässt, scheint sich ein weiterer Vorwurf aus Patronatskreisen zu bestätigen: Es gibt Überwechsler in die asbl, weil dort der Leistungsdruck kleiner ist.  
Angesichts des hohen Regelungsbedarfs verwunderte es nicht, dass der Gesetzentwurf der Regierung seinem Charakter nach eher retrospektiv ausgefallen ist. Eine Vision über den Umgang mit der Langzeitarbeitslosigkeit enthält er kaum; er versucht, der bestehenden Situation pragmatisch zu begegnen. Damit es keine Klagen über Wettbewerbsverzerrungen mehr gibt, sollen nicht nur asbl, sondern auch Privatbetriebe „mesures de insertion ou de réinsertion“ anbieten können und vom Beschäftigungsfonds die Lohnkosten der Betreuten sowie die für psychosoziale Begleitung erstattet erhalten. Eine Finanzierung pro Projekt soll es künftig nicht mehr geben. Als asbl verfasste Initiativen, die „structures définitives“ für RMG-Bezieher einrichten wollen, sind gehalten, diese spätestens zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes in privatwirtschaftlicher Form organisiert zu haben.
Welche Qualität die neuen Strukturen haben werden, und ob „soziale Arbeitslosigkeit“ nicht als Synonym für „Schwache oder Faule“ missverstanden werden könnte, für die irgendwann in einem geschützten Bereich Endstation ist - dies wird entscheidend von einer Tripartite-ähnlichen Kontroll- und Beratungsinstanz abhängen. Dem ständigen Beschäftigungsausschuss der Tripartite soll ein gemischtes „comité de suivi“ aus Vertretern von Regierung, Adem und Sozialpartnern in der Frage zuarbeiten, welche durchaus sinnvollen Arbeiten für den ersten, den freien Arbeitsmarkt zu wenig lukrativ sind, um zu lohnabhängigen Beschäftigungen zu führen. Dass die beiden Gremien damit überfordert sein könnten, scheint das Arbeitsministerium nicht ganz auszuschließen, und sagt, der Gesetzentwurf sei nur ein erster Schritt hin zur Regelung einer „économie solidaire“  auch hier zu Lande. Die Diskussion darüber dürfte allerdings erst nach den nächsten Wahlen einsetzen, denn einem „zweiten Arbeitsmarkt“ hatten CSV und DP in ihrem Koalitionsabkommen 1999 noch eine ausdrückliche Absage erteilt.

Peter Feist
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