Séizenter Ënsber

Große Erwartungen

d'Lëtzebuerger Land vom 12.08.2010

Die Anlegestelle des Solarbootes in Insenborn an der „Plage 1“ ist wegen der idyllischen Umgebung und der Stille eine eher untypische Touristenattraktion. Doch auch die minimalen Einrichtungen unterscheiden den Stausee von anderen Sehenswürdigkeiten im Land. Dies soll sich nun mit dem multifunktionellen Projekt des Séizenter Ënsber ändern.

Die Idee einer Bühne am Ufer des Stausees gibt es bereits seit ungefähr 15 Jahren, die Asbl Séibühn Ënsber hat dazu vor einigen Jahren einen konkreten Plan erstellt. Der wird nun vergrößert: Da das bestehende Kulturzentrum in Ningsen geschlossen wird, entschied man sich, nicht nur eine Seebühne, sondern ein ganzes „Séizenter“ zu errichten. Die Konstruktion wird also voraussichtlich aus einer Bühne, einem Restaurant, einen Festsaal und Umkleidemöglichkeiten bestehen.

Die atemberaubende Kulisse des Stauseeufers soll hier für einmalige Erlebnisse sorgen. „Wir wollen das Element Wasser und die Natur in den Vordergrund bringen und somit Veranstaltungen bieten, die man so nicht in anderen Veranstaltungsräumen zeigen kann“, so Christine Lutgen von der Séibühn Ënsber asbl. Die genaue Programmierung der Bühne steht noch nicht fest, das Projekt ist jedoch für unterschiedliche Kultur-events geeignet. „Die Bühne kann für Konzerte oder Theater benutzt werden, alles ist möglich. Wir wollen auch, dass regionale und lokale Vereinen von ihr Gebrauch machen können“, so Christine Lutgen von der Séibühn Ënsber asbl.

Doch das Séizenter bietet nicht nur eine Kulisse für kulturelle Ereignisse: ein Restaurant und die Möglichkeit, Familienfeste am Stauufer abzuhalten, sollen das ganze Jahr über für Besucherzahlen sorgen. François Valentiny, Architekt der Firma Hermann [&] Valentiny, die für den Entwurf des Zentrums zuständig ist, erklärt, warum dieser Aspekt für ein modernes Kulturzentrum wichtig sei. „Der Erfolg einer Einrichtung wie dieser hängt größtenteils vom gastronomischen Angebot ab. Es sind die Restaurants, die zu einem großen Teil dazu beitragen, dass Besucher an einen Veranstaltungsort zurückkehren.“, so François Valentiny. Der Festsaal soll ebenfalls das Jahr über für Einkünfte sorgen. „Im Festsaal können Hochzeiten, Kommunion und andere Feste stattfinden. Der Saal soll sich in wenigen Stunden gemäß der Nutzung umgebauen lassen“, so François Valentiny.

Der Architekt sagt auch, dass eine Bühne alleine nicht lukrativ wäre, da der Tourismus rund um den Stausee saisonbedingt ist. Nur Wassersportler nutzen das Naturgebiet auch in kälteren Monaten. Die StauDivers Stroossen zum Beispiel treffen sich zweimal pro Woche am Stausee. Sie beschweren sich seit längerem über die fehlende Infrastruktur. „Wir ziehen uns sozusagen auf der Straße oder neben den Containern um. Wenn es dazu noch regnet – und das kommt bekanntlich öfters vor – wird es sehr unangenehm,“ stellt Fabio de Colle, Vize-Präsident des Vereins, fest.

Das Zentrum wird den Tauchern das Leben leichter machen: Unter der Tribüne werden sanitäre Anlagen gebaut, die Taucher, Angler und Segler das ganze Jahr über benutzen können. Sport und Kultur sollen sich so im Zentrum ergänzen. „Ich denke, dass Kultur und Sport auch im Stauseegebiet sehr gut miteinander klarkommen werden“, so Fabio de Colle, der zugleich Sekretär der Mamer Theaterkëscht ist. Der Verkehr jedoch macht de Colle Sorgen: „Für Tauchclubs wäre es bedauernswert, wenn wegen der Kulturevents Straßensperren aufgestellt werden müssten.“ Hier scheinen bis jetzt keine Vorkehrungen getroffen zu sein. „Das Projekt wird sicherlich nicht mehr Verkehr anziehen. Doch wie man weiß, herrscht wegen den Tausenden Badegästen an heißen Tagen oft völliges Chaos am See. Da können wir uns im Sommer leider nicht gegen wehren“, so Pierre Bormann, Bürgermeister von Ning­sen. Die Straße zum Parkplatz an der „Plage 1“ soll nächstes Jahr durch eine Ausbesserung an Breite gewinnen. Die Boote, die in der Straße zur Anlegestelle des Solarbootes liegen, müssen in Zukunft in Lultzhausen oder Liefringen abgestellt werden. Ein alternativer Stellplatz wurde offenbar noch nicht gefunden.

Das Zentrum soll der Ästhetik der Region angepasst werden, Umfeld und Bühne sollen miteinander harmonieren. „Die Konstruktion wird, wie die Öslinger Architektur, sehr robust und rural sein, es wird kein städtischer Bau werden. Durch gläserne Wände wird die atemberaubende Landschaft von drinnen zu genießen sein, und das Dach der Konstruktion wird überwachsen. Auch die Bäume, die dort stehen, werden nicht gefällt“ verspricht Architekt Valentiny. Das Planschbecken, das zwischen den rund 200 Sitzplätzen und der Bühne gebaut wird, soll Familien mit Kleinkinder eine sichere Badealternative zum Stausee bieten.

Das Séizenter ist eines der ersten Projekte der Fusionsgemeinde, die ab 1. Februar 2012 Esch-Sauer, Ningsen, und Heiderscheid vereint. Die Fusion bringt den Gemeinden 2 500 Euro pro Einwohner ein. Diese zusätzliche Subvention, und Finanzspritzen aus mehreren Ministerien, sollen die Kosten des Projektes decken. Obwohl die Antwort einiger Ministerien noch aussteh, „Es läuft alles sehr, sehr langsam“, findet Pierre Borman, sind einige Größen doch bekannt: „Das Tourismusministerium steuert 1,3 Millionen Euro bei, das Sportministerium sagte 500 000 zu, vom Siden (Syndicat intercommunal de dépollution des eaux résiduaires du Nord) erhalten wir ebenfalls Unterstützung. Die Gemeindefusion bringt uns zwei Millionen Euro ein, die wir integral für das Séizentrum benutzen“, rechnet der Bürgermeister vor. Vom Kulturministerium sollte die Gemeinde bald eine Antwort erhalten, genau wie vom EFRE, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, so Bormann weiter. Das Gemeindebudget für 2010 sieht 500 000 Euro für das Projekt vor, der gleiche Betrag ist für das kommende Jahr geplant. Insgesamt werden die Kosten auf über sechs Millionen Euro geschätzt. „So wird die Gemeinde Ningsen selbst voraussichtlich die Hälfte der Kosten übernehmen.“ Hinzu kommen die Kosten für die Ausbesserung der „Plage 1“, die das Bautenministerium tragen wird. Laut Pierre Bormann sind die Befestigungsmauren des Sees veraltet und für Schwimmer sogar gefährlich. Die Bauarbeiten des Séicenter Ënsber sollen Ende des Jahres beginnen.

Das Zentrum wird laut Bormann nicht nur mehr, sondern auch „eine andere Art von Besuchern anlocken“: Das Stauufer soll nicht mehr als Partybeach gelten, sondern den Mangel an Einrichtungen für Großevents der Region beenden. Die riesigen Müllberge, die sich nach den Grillparties und Picknicks an den Ufern auftürmen, sollen durch das Restaurant schrumpfen. Geschäftsleute im Dorf hoffen zudem auf mehr Umsatz. „Badegäste fahren morgens zum See und abends wieder heim. Keiner macht im Dorf Halt“, so Bormann. Er hofft, mit dem Séizenter das Dorftreiben beleben zu können.

Mit dem Projekt sind also viele Hoffnungen verbunden, nicht nur in Ningsen, sondern im gesamten Ösling. Wer das Seezentrum leiten und wie das Programm aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Eines aber sollten die Betreiber auf gar keinen Fall vergessen: Der Stausee ist ein Naturpark, in dem Besucher von nah und fern sich erholen und entspannen. Auch in Zukunft?

Claire Barthelemy
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