Feldbegehung Dienstagnachmittag im Gewerbegebiet Capellen. Der Parkplatz vor der neuen Baumarktfiliale von Bauhaus ist gut besucht. In der Fischer-Bäckerei am Eingang sitzen einige Rentner, manche mit, andere ohne Enkel, und trinken Kaffee. Das Warenangebot im Eingangsbereich ist saisonal inspiriert: Öfen und Kamine sind ausgestellt, dazu, was man so braucht, um sie zu befeuern. Die Auswahl richtet sich sowohl an schmale Brieftaschen als auch an gut gefüllte Portemonnaies. Für die einen gibt es Holzklotz und Axt, für die anderen eine elektrisch betriebene Holzscheitspaltmaschine für mehrere Hundert Euro. Ähnliche Varianten auch bei den Gerätschaften zur Bewältigung eventueller Schneemassen. Das Angebot reicht von der einfachen Schaufel bis zur Schneeraupe mit Kettenantrieb, mit der die Lawinengefahr in der Garageneinfahrt effektiv gebannt und deren Verwandlung in ein Krisengebiet verhindert werden kann.
Fast 1 800 Leute passierten am Eröffnungstag zwischen 7.00 und 8.00 Uhr früh, zur Tombola mit Schubkarren bewaffnet und vom karnevalsliedersingenden RTL-Mitarbeiter Camille Ney animiert, die Türen des Baumarkts. Am ersten Tag, schätzt Geschäftsführer Markus Lohmar, kamen 10 000 in den neuen Do-It-Yourself-Tempel. Ob es daran liegt, dass die Gebietsansässigen besonders mit ihrem Eigenheim verbunden sind, dass sich zur Eröffnung des Baumarkts noch größere Völkermassen in Bewegung setzten als zu der der ersten Starbucks-Kaffeeketten-Filiale?
Zwei Wochen nach der Ouvertüre wandern in den von meterhohen Regalen flankierten Gängen immer noch Schaulustige umher. Eine Frau inspiziert Küchenarbeitsflächen aus Granit, die von Bauhaus auf Maß zugeschnitten werden. Ihr Mann hält einen Blumenübertopf aus Plastik in der Hand. Sie treffen Bekannte, ein älteres Ehepaar. Alle vier sind froh, die Festtage hinter sich gebracht zu haben. Das viele Essen, das viele Trinken. Den Besuch bei den Verwandten am Neujahrstag, der verhindert, dass man das Neujahrskonzert der Dorfmusik besuchen kann. „Immer hat man Verpflichtungen“, klagt die ältere und lebenserfahrenere der beiden Damen. „Schönen Gruß an die Jugend“, sagt der jüngere der beiden Männer. Beide Paare ziehen weiter ihre Bahnen durch die Regalgassen. Sie haben sich bis zu den Fenstern und Garagentoren vorgearbeitet, mehr als den Übertopf haben sie an Einkäufen nach einer weiteren halben Stunde nicht gesammelt.
An der Information wartet ein junges Pärchen auf Bedienung. Die Ängstlichkeit ob der anstehenden Entscheidung über die Auswahl der Fliesen fürs Bad steht der jungen Frau ins Gesicht geschrieben. Ihr Partner hält sich an einer Packung bunter Kabelbinder fest. 650 Stück in verschiedenen Längen für 9,95 Euro. Das muss reichen, um ein Leben lang alles Mögliche festbinden zu können.
Eine junge Mutter schiebt in einem Einkaufswagen ihr Neugeborenes im Kindersitz an der Beleuchtungsabteilung vorbei. Daneben ein verchromter kombinierter Halter für Toilettenpapier und Klobürste, Modell Venus. In gefühlten hundert Meter Entfernung am anderen Ende der Halle erbringt ein Mähroboter den Beweis für die Sinnlosigkeit aller Existenz, indem er nach dem Zufallsprinzip und völlig unbeachtet das immer gleiche Stück Kunstrasen abfährt, auf dem es nichts zu mähen gibt. Über die Lautsprecher wird ein Radiosender übertragen, in den Nachrichten berichtet der Sprecher von Leid aus allen Teilen der Welt. Dann singt Justin Timberlake Can’t stop this feeling – „dance, dance, dance“ – vielleicht kommt im Frühling, wenn sich die Natur regt und alles sprießt, der große Auftritt des Mähroboters.
Marktanalyse Mit 15 000 Quadratmetern ist Bauhaus der flächenmäßig größte Baumarkt in einem Land, das von Baumärkten übersät ist; Cactus Hobbi, Hornbach, Batiself, Globus, Brico. 15 000 Quadratmeter, das sind so viel wie der Auchan-Supermarkt in Kirchberg plus alles Läden in der Verkaufsgalerie zusammen, erklärt Thierry Nothum, Noch-Direktor der Handelskonföderation CLC. Zehn Jahre hat es gedauert, bis Bauhaus eröffnen konnte, zu lange als dass der Firmengründer den Tag noch miterleben konnte, erzählt Markus Lohmar. Als der erste Antrag zur Genehmigung gestellt wurde, verlangte das Gesetz noch eine Marktanalyse, die belegen sollte, dass der Markt ausreichend groß für einen neuen Wettbewerber ist. Bauhaus legte eine Studie vor, die dies bestätigte. Die Konkurrenten legten eine Gegenanalyse vor, die dies bestritt. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit vor den Gerichtsbarkeiten, der schließlich eine Genehmigung für 10 000 Quadratmeter folgte. Der Streit dauerte so lange, bis das Gesetz geändert wurde, weil im europäischen Binnenmarkt Wettbewerb und Niederlassungsfreiheit herrschen. Vergangenen Dezember, kurz vor der Eröffnung, wurde die Handelsermächtigung ausgestellt, die nun 12 620 beziehungsweise 2 520 Quadratmeter für den Baumaterialbedarf einerseits und den Gartenbedarf andererseits vorsieht.
Die große Verkaufsfläche erlaubt es Bauhaus, sich von der Konkurrenz abzusetzen. Die größere Warenauswahl mache den Unterschied, meint Markus Lohmar. Wenn die Wettbewerber von einem Produkt zwei bis drei Modelle anbieten, hat Bauhaus vier bis fünf im Angebot. Bauhaus ist in Deutschland die zweitgrößte Baumarktkette hinter Obi und lässt viele Produkte eigens für sich herstellen. Was Aldi die Nudeln ist Baumarkt der Fliesenkleber. Darüber hinaus hat Bauhaus aber viele Markenprodukte im Angebot. Geräte von Bosch oder Makita, Massivholzparkett von Hako, neben den Armaturen von Grohe auch die teureren von Hans Grohe. Es gibt Fliesen zu sehr günstigen Quadratmeterpreisen, aber auch die gemusterten Zementfliesen im Retro-Look für 7,50 Euro das Stück. Das Risiko dabei ist, dass der Kunde die Übersicht verliert.
Claude Wagner, E&Y-Unternehmer des Jahres, der unter anderem die Baustoffhändler Bati C, Batiself und Hoffmanns betreibt, sieht das Vorgehen und Auftreten von Bauhaus verständlicher Weise äußerst kritisch – es war Batiself, damals noch Mitglied der inzwischen verschwundenen Praktiker-Gruppe, der gegen die Niederlassung von Bauhaus in Luxemburg vorgegangen war, und die Batiself-Märkte in Ingeldorf, Strassen und Foetz sind, neben Hornbach in Bartringen und Globus in Junglinster und Bettemburg, aufgrund ihres Angebots diejenigen, die durch die Bauhaus-Niederlassung die größten Einbußen zu befürchten haben. Cactus-Hobbi hat sich in den vergangenen Jahren auf elektronische Haushaltsgeräte spezialisiert, vor allem auf Küchengeräte, was Marc Hoffmann von Cactus damit erklärt, dass die Gruppe an erster Stelle Lebensmittelhändler ist. „Küche, Garten und Deko“, lautet sein Credo. Gibt es bei Hobbi noch eine Basis-Auswahl an Schrauben oder Geräten, um die Kunden zu bedienen, die ohnehin im Supermarkt sind, verkauft Cactus keine Badezimmer-Armaturen mehr, sondern nur noch die dazu passenden „Handtücher und die Duftkerzen“.
Claude Wagner hingegen beschreibt den Markteintritt der Bauhaus-Kette, die wie ein „Bismarck-Kriegsschiff“ vorgehe, als „existenzbedrohend“. Ganze Verkaufsmannschaften habe Bauhaus bei ihm abgeworben, mit Headhunter (was Lohmar bestreitet). Und sie überrumple die Kunden mit irreführender Werbung. Wagner hält den Werbeprospekt in der Hand, den Bauhaus diese Woche an die Haushalte verteilen ließ. Darin wird ein Makita Akku-Bohrer angepriesen, mit Niedrigpreisgarantie. Was Wagner aufregt: Die Maschine verfügt über weniger Ampere als die, die er in seinen Läden für mehr Geld verkauft. Doch da dies im Kleingedruckten steht, befürchtet er, dass den Kunden nur der Preis- und nicht der Leistungsunterschied auffällt.
Das Angebot von Bauhaus richtet sich an Geschäftskunden, die mit dem Kastenwagen in die „Drive-In-Arena“ zum Aufladen fahren können, wie auch an Privatleute. Letzteren bietet Bauhaus zudem die Installation der verkauften Waren an. Auch darin unterscheidet sich Bauhaus von der Konkurrenz. Hornbach bietet ebenfalls Montagedienste und das Verlegen von Pflastersteinen oder Fliesen an. Doch Bauhaus kann laut Lohmar „eine komplette Haussanierung“ gewährleisten, durch die Zusammenarbeit mit Handwerksunternehmen, wobei Bauhaus immer der alleinige Ansprechpartner für den Kunden bleibe. Der Baumarkt tritt quasi als Entreprise générale auf. Das kann eine Kundschaft ansprechen, deren tatsächliche Fähigkeiten weit hinter ihren handwerklichen Ansprüchen zurückbleiben, das Konzept lautet eher Do-Not- als Do-It-Yourself.
Die Partnerfirmen, bemängelt Claude Wagner, seien vor allem deutsche, er befürchtet deshalb im Handwerk eine Aktivitätsverlagerung Richtung Deutschland. Laut Bauhaus-Geschäftsführer sind derzeit bereits acht Luxemburger Handwerksbetriebe fest unter Vertrag, mit weiteren sechs sei sein Handelskoordinator in Verhandlungen.
Auch die Batiself-Gruppe ist dabei, sich neu aufzustellen. Sie möchte den Kunden künftig ebenfalls mehr Installationsdienste anbieten. Dass das mit den Luxemburger Handwerksbetrieben nicht ganz so einfach ist, die weniger reaktionsschnell als viele deutsche Wettbewerber seien, räumt Wagner ebenso ein, wie dass Konkurrenz das Geschäft belebt. Obwohl die Bevölkerung in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen ist, wie beispielsweise Thierry Nothum einwendet, bleibt Wagner dennoch bei der Marktanalyse von vor zehn Jahren: „Der Markt hatte ein Gleichgewicht gefunden und das wird nun torpediert.“
Markus Lohmar bleibt ebenfalls bei der alten Bauhaus-Position: „Klar gibt es in Luxemburg noch Potenzial.“ Hätte man bei Bauhaus investiert und 130 Mitarbeiter eingestellt, ohne daran zu glauben? Der faltbare Bauhaus-Holzzollstock von zwei Metern Länge mit der Aufschrift „Luxembourg“ kostet 1,95 Euro.