Als der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 sein Leben voller Armut, Demütigungen und Schikanen nicht mehr für lebenswert hielt und ihm in der tunesischen Kreisstadt Sidi Bouzid ein Ende setzte, konnte niemand die Folgen absehen. Die Selbstverbrennung war das Signal zur tunesischen Revolution, die binnen weniger Tage zum Sturz von Diktator Zine el-Abidine Ben Ali führte. Ben Ali hatte zwei Jahrzehnte lang gewaltsam für Ruhe und Ordnung und damit auch dafür gesorgt, dass sich Tausende Urlauber aus Luxemburg an den Stränden von Monastir und Djerba sorgenfrei bräunen konnten.
Während der tunesische Präsident aus dem Land gejagt wurde, begann der Aufstand in Ägypten, der Mitte Februar 2011 zum Sturz von Diktator Husni Mubarak führte. Mubarak hatte 30 Jahre lang gewaltsam für Ruhe, Ordnung einschließlich eines Nahost-Abkommens und damit auch dafür gesorgt, dass sich Tausende Urlauber aus Luxemburg an den Stränden von Sharm El Sheikh, Hurghada und Marsa Alam sorgenfrei bräunen konnten.
Doch mit dem Einbruch der Wirklichkeit in das Pauschalparadies der Reisekataloge war der Spaß vorbei. Die Urlauber bekamen es mit der Angst zu tun: Plötzlich war die Unsicherheit der armen und schmutzigen Welt bis an die Schwelle ihrer blitzblanken Bettenburgen und Swimmingpool-Gehege gekommen. Sie trauten sich nicht einmal mehr zum Souvenirkauf in den Suk, sondern wollten bloß noch nach Hause oder gar nicht mehr hin.
„Um die Sicherheit der Kunden nicht zu gefährden, hatte Luxair-Tours angesichts der Unruhen in Tunesien und Ägypten den Reiseverkehr in beide Länder bereits frühzeitig gestoppt“, meldete der nationale Reiseveranstalter im April 2011. „Nach Aufhebung der Reisewarnung für Tunesien und Ägypten haben sich Luxair-Tours-Mitarbeiter vor Ort ein Bild von der Lage gemacht und festgestellt, dass die erforderliche Sicherheit und der gewohnte Komfort in den touristischen Gebieten wieder gewährleistet sind. Luxair-Tours hat daraufhin den Flugverkehr zu den tunesischen Flughäfen Enfidha (bei Monastir) und Djerba am27. Februar 2011 wieder aufgenommen. Die ägyptischen Flughäfen Hurghada, Sharm El Sheikh und Marsa Alam werden seit dem 8. April wieder nach regulärem Flugplan angeflogen. Zudem bietet Luxair-Tours jetzt Sonderaktionen für Tunesien, Ägypten und Marokko an.“
Luxair-Tours kämpft seither verzweifelt um seine tunesischen und ägyptischen Reiseziele. Denn das afrikanische Ufer des Mittelmeers hatte sich zu einer wichtigen Ergänzung der traditionellen Reiseziele am europäischen Ufer, von Portugal über Spanien, Frankreich und Italien bis nach Griechenland, entwickelt. Die nordafrikanischen Touristenzentren bieten nicht nur Strandwetter bis zum Weihnachtsgeschäft, sondern auch niedrigere Löhne und einen zusätzlichen Hauch Exotik im Vergleich zur Costa del Sol und Riviera. Anders als teurere Fernreiseziele sind sie zudem ab Findel binnen weniger Stunden mit den Mittelstreckenflugzeugen von Luxair erreichbar.
Aber die Reisenden zögern. Der gegen den Pauschalpreis verlangte unbeschwerte Urlaubsspaß will auch nicht aufkommen, wenn am Strand schwer bewaffnete Soldaten im Kampfanzug zwischen den im Bikini Badenden patrouillieren. Die politische Entwicklung führte, Sonderaktionen und Preisnachlässe hin oder her, immer wieder zu Rückschlägen im Urlaubsgeschäft.
Als in Ägypten der Versuch scheiterte, das Mubarak-Regime ohne Mubarak fortzusetzen, und die Muslimbrüder die Wahlen gewonnen hatten, putschte das Militär im Juli 2013. Luxair-Tours musste erneut Hunderte Kunden vorzeitig nach Hause bringen oder ihnen anbieten, gebuchte Reisen ohne Kosten abzusagen. Weitere Flüge nach Ägypten mussten eingestellt werden.
Nach dem Scheitern fast aller nordafrikanischen Revolutionen und nicht zuletzt nach dem Militärputsch gegen den zum ägyptischen Präsidenten gewählten Muslimbruder Mohammed Mursi nahmen die Terroranschläge auf Touristenzentren zu. Die Urlauber wurden vertrieben, die lokale Wirtschaft geschwächt.
Am 18. März vergangenes Jahres stürmten Islamisten nach einem gescheiterten Angriff auf das tunesische Parlament das Nationalmuseum Bardo und brachten 21 Touristen um. Am 26. Juni desselben Jahres erschoss ein Attentäter drei Dutzend Urlauber auf dem Hotelstrand im tunesischen Port El Kantaoui bei Sousse. Im März dieses Jahres kamen bei einem Angriff auf einen tunesisch-libyschen Grenzposten bei Ben Guerdane über 50 Menschen ums Leben. Nach Angaben des tunesischen Innenministeriums handelten die Urheber jedes Mal im Auftrag des Islamischen Staats.
In Ägypten wurde im Februar 2014 am Grenzposten Taba auf der Sinai-Halbinsel ein Anschlag auf einen südkoreanischen Touristenbus verübt. Am 31. Oktober vergangenen Jahres starben weit über 200 russische Touristen, als ihr Flugzeug über der Sinai-Halbinsel gesprengt wurde. Im Dezember starben 16 Menschen bei einem Bombenanschlag auf eine Diskothek in Kairo. Trotzdem meldete Luxair-Tours: „Ab dem 5. Dezember 2015 wird Hurghada non-stop jeden Samstag von Luxemburg aus angeflogen“, weil wegen „der verstärkten Gepäckkontrollen bei der Abfertigung“ die Zwischenlandung in Marsa Alam nach Hurghada aus operationellen Gründen unmöglich“ geworden sei.
Doch dann wurden drei Touristen bei einer Schießerei in dem bei Luxemburger Reisenden beliebten Hurgada verletzt. Mitte Januar dieses Jahres kündigte Luxair-Tours in einer Pressemitteilung deshalb an, dass das Unternehmen beschlossen habe, „seinen Flugplan für den Sommer 2016 hinsichtlich der Sicherheitsrisiken in bestimmten Ländern anzupassen“. Denn „in Tunesien wird sich Luxair-Tours im Sommer 2016 auf die Insel Djerba konzentrieren. Enfidha wird nicht angeflogen. Hurghada in Ägypten wird für den Sommer 2016 nicht mehr angeboten.“
Nach dem Zusammenbruch des Tourismusgeschäfts in Tunesien und Ägypten blieben Luxair-Tours am anderen Ufer des Mare nostrum Marokko und die Türkei als exotischere Urlaubsziele. Auch wenn vor fünf Jahren 17 Touristen bei einem Bombenanschlag auf einer Café-Terrasse in Marrakesch starben, gelang es dem marokkanischen Polizeistaat, mit einer Mischung aus Reformversprechen und brutaler Repression die Kontrolle über das Land zu behalten. Luxair-Tours wirbt weiter für das westlichste Mittelmeerland als „une des destinations orientales préférées d’Afrique“ und fliegt nach Marrakesch und Agadir.
Doch nun geht auch die Angst vor Reisen in die Türkei um. Im Januar dieses Jahres riss ein Selbstmordattentäter nahe der Hagia Sophia in Istanbul ein Dutzend Touristen mit in den Tod. Bei einem Angriff auf den Flughafen Atatürk vor zwei Monaten kamen 41 Menschen ums Leben, 239 wurden verletzt. Nachdem der Reiseveranstalter schon die Zahl der wöchentlichen Flüge nach Antalya mangels Kunden verringern musste, entmutigte der Putschversuch vergangenen Monat und die anschließende Repression auch die verwegendsten Urlauber.
Als Alternative versuchte Luxair-Tours, zusätzliche Hotelkapazitäten in der Europäischen Union zu kaufen, weil immer mehr Urlauber sich in Spanien, auf den Kanarischen Inseln, in Portugal, auf der Insel Madeira, in Italien, Korsika oder Griechenland in Sicherheit bringen wollen. Doch ist in diesen Ländern die Nachfrage aller internationalen Reiseveranstalter sprunghaft angestiegen, und wenn es gelingt, Unterkunftsmöglichkeiten zu sichern, dann scheitert das Unterfangen manchmal an einem Mangel an Landemöglichkeiten für zusätzliche Flüge auf den überfüllten Flughäfen der Ferienorte.
Anfang dieses Jahres meldete der Reiseveranstalter: „Luxair-Tours wird in Urlaubszielen, die bei seinen Kunden besonders beliebt sind, die Frequenzen erhöhen. Eine zweite wöchentliche Flugverbindung wird nach Funchal (Madeira) hinzugefügt sowie eine dritte Flugverbindung nach Teneriffa (Kanarische Inseln) und ein weiterer Flug nach Malaga (Costa del Sol), jeweils unter Vorbehalt der Erhaltung der erforderlichen Airport Slots. Für den Sommer hatte Luxair-Tours die Aufnahme einer Fluglinie nach Chania als zweite Destination auf Kreta geplant. Leider musste diese aus Mangel an Airport Slots aufgegeben werden. Allerdings ermöglicht dies eine Erhöhung der Kapazitäten nach Heraklion.“
Mit Ausnahme der Kapverdischen Inseln endet damit das Abenteuer der Luxair-Tours-Kunden aus der Großregion, sich Sangria und Spritz in kürzester Entfernung von Zuhause in der Dritten Welt zu gönnen. So wird für viele Luxemburger Familien die globalisierte Welt wieder kleiner: Aus Angst vor Revolutionen und Attentaten am afrikanischen und kleinasiatischen Ufer des Mittelmeers ziehen sie sich zurück in die zunehmend gegen von dort ankommende Asylsuchenden abgeschottete Festung Europa und bräunen sich lieber wieder wie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren an europäischen Stränden.