Wenn die Gebührenordnung der Ärzt/innen, die „Nomenklatur“, um neue Tarife ergänzt wird, ist das meist nur eine Formsache. Jedenfalls, wenn dafür der Entwurf für eine großherzogliche Verordnung den Instanzewee durchläuft. In der Nomenklaturkommission, in der Vertreter/innen von Gesundheits- und Sozialministerium, CNS und Ärzteverband sitzen, kann vorher gestritten worden sein. Doch das bleibt der Öffentlichkeit verborgen.
Manchmal aber sind die Tarifänderungen auch als Verordnungsentwurf keine Formsache. Dem neuen Gebührenkapitel für die Dermatologie bescheinigte der Staatsrat vorige Woche, potenziell verfassungswidrig zu sein. Potenziell, weil der Staatsrat zu Verordnungsentwürfen, im Gegensatz zu Gesetzentwürfen, keine oppositions formelles macht, wenn er Konflikte mit übergeordneten Rechtsnormen entdeckt. Sondern zum Beispiel dezent darauf hinweist, „[que] l’article en question risque d’encourir la sanction de l’article 102 de la Constitution“. Damit ist Angreifbarkeit vor dem Verwaltungsgericht gemeint.
Im Dermatologie-Tarifgebäude sollen Ärzt/innen für bestimmte Behandlungsakte am Patienten auch Materialkosten in Rechnung stellen können. Das ist ganz üblich. Dem Staatsrat fiel auf, dass Ärzt/innen, die keine Fachleute für die Haut sind, verschiedene Mate-
rialkosten nicht abrechnen können sollen, obwohl die Behandlungsakte selbst nicht allein für Dermatolog/innen „reserviert“ sind. Die Materialkosten für die Naht einer Wunde nach der Zerstörung oder der chirurgischen Entfernung eines Tumors auf der Haut etwa könnten nur Dermatolog/innen in Rechnung stellen. Den Eingriff selbst aber könnte jeder Arzt vornehmen und abrechnen, las der Staatsrat aus dem neuen Gebührenkapitel ab. Die Ungleichbehandlung bei der Materialkostenabrechnung verletze das in der Verfassung garantierte Gleichheitsprinzip vor dem Gesetz.
Dass eine Dermatologin einen Tumor auf der Haut entfernt, und nicht ein Psychiater oder eine Ohrenärztin, ist vermutlich sinnvoll. Doch wie der damalige CHL-Generaldirektor Romain Nati vor drei Monaten gegenüber dem Land bemerkte, hat Luxemburg „ein System, das es zum Beispiel mir als Facharzt für Lungenkrankheiten nicht prinzipiell verbietet, Untersuchungen am Herzen vorzunehmen. Oder ein Kind zur Welt zu bringen“ (d’Land, 23.2.2024). Und das ist der Punkt: Wahrscheinlich kann man nicht davon ausgehen, dass Ärzt/innen etwas tun, wofür sie nicht qualifiziert sind. Zumal in Kliniken nicht. Aber wer was darf, legt neben Prozeduren, die es in Spitälern gibt, vor allem die Gebührenordnung mit Bestimmungen darüber fest, wer was auf eine Rechnung schreiben darf. Das kann zu Widersprüchen führen, wie der Staatsrat sie entdeckt hat. Festzuhalten bleibt, dass die Medizin hierzulande sehr frei ist. Und weit davon entfernt, eine „Staatsmedizin“ zu sein.