Happy End statt Hiobsbotschaft

d'Lëtzebuerger Land du 25.12.2020

Die ersten Jahres-Rückblicke sind da, Medien haben ihre Best of 2020-Beiträge veröffentlicht. Die kann der oder die Kund/in über die Feiertage erneut genießen und sich der Meinung der Redaktion anschließen. Oder auch nicht.

Dieses Pandemiejahr ist ein besonderes. Ein besonders mieses, möchte manch eine/r hinzufügen. Das Coronavirus, das Ende Februar seinen Lauf um die Welt begann, ist immer noch unter uns. Seit einigen Tagen halten uns Berichte in Atem von neuen, noch schneller streuenden Mutationen des Sars-CoV-2-Virus. Ob diese wirklich bis zu 70 Prozent ansteckender sind als der Vorgänger, wird sich zeigen. Klar ist aber – aus den Corona-Schlagzeilen sind wir alle noch immer nicht heraus. Das wird im nächsten Jahr so bleiben, denn nun geht es erst einmal in einen erneuten Lockdown. Wenn die Schule nach Silvester wieder beginnt, starten die Schüler/innen im Homeschooling, während sich verzweifelte Eltern die Haare raufen, wie Familie und Beruf in Einklang zu bringen sind – wenn sie noch einen Job haben.

Außergewöhnlich war das Jahr auch in politischer und menschlicher Hinsicht: Im Frühjahr erschütterte die Nachricht von DP-Fraktionschef Eugène Berger, der aus dem Leben schied. Die Umstände seines Tods führten die menschliche Zerbrechlichkeit mit einer Schärfe vor Augen, die im Alltag oft untergeht. Das Burnout von CSV-Generalsekretär Félix Eischen zeigt indes: Der hektische, erfolgsorientierte und anspruchsvolle Lebensstil im reichsten Land Europas verursacht Stress und gesundheitliche Probleme. Und das ist nur die eine Seite davon.

Eine andere ist der fortschreitende Raubbau an Natur und Umwelt. Zu Jahresbeginn erreichten uns Bilder der Buschbrände in Australien. Auf der anderen Seite merken wir wegen Corona, wie frisch und klar die Luft sein kann, wenn die Maschine einmal, Lockdown-bedingt, zum Halten kommt, wenn tausende Autos auf dem Weg zur Arbeit nicht mehr die Luft verpesten.

Die Wahl des US-Präsidenten ging knapper aus, als Beobachter/innen gedacht haben. Jetzt steht fest: 2016 war kein Versehen, Millionen Menschen haben bewusst einen narzisstischen rassistischen Psychopathen gewählt, der nur an eigene Vorteile denkt und alles daran setzt, die Demokratie in den USA zu Fall zu bringen.

Derweil sieht es in Europa nicht viel besser aus: In mehreren Ländern sind Rechtsextreme und rechte Populisten auf dem Vormarsch. Weiße Männer, die autokratisch regieren und mit ihren Attacken auf Medien und auf die Justiz vormals unabhängige Institutionen untergraben und für ihren Machterhalt und für ihre erzreaktionäre rassistische Ideologie langsam, aber sicher die Rechsstaatlichkeit aushebeln. Die Reaktionen aus Brüssel sind zu verzagt und sowieso steht es der EU schlecht zu Gesicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen, siehe die Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos. Europäische Werte werden dort mit den Füßen getreten.

Terroristische Anschläge und Amokläufe sind ein weiteres menschengemachtes Übel; diesmal traf es mit der Amokfahrt in Trier direkte Nachbarn.

Über all das und mehr hat das Land berichtet, mal mehr, mal weniger ausführlich, nach bestem Wissen und Gewissen. Nicht immer hat ein Beitrag den Geschmack aller Leser/innen getroffen. Einer beschwerte sich, die Berichterstattung sei ihm insgesamt zu negativ, zu wertend, Artikel würden vorrangig „bedenkliche“ Themen aufgreifen, schrieb er frustriert.

Nun ist Aufgabe der Medien, die Realität zu beschreiben, Journalismus funktioniert nach der Regel „Bad news is good news“: Tragische oder katastrophale Ereignisse machen eher Schlagzeilen als eine Aktion gegen den Klimawandel.

Manche Journalist/innen versuchen, gezielt gegen Newsroom-Negativismus anzuschreiben, verstärkt über Positives zu berichten. Konstruktiver Journalismus nennt sich das. Plattformen wie goodnews.eu oder perspective-daily.de bieten Artikel zu technologischen Neuerungen, wie einem neu entwickelten Rollstuhl, der Treppen steigen kann, oder Tipps, wie die Einsamkeit im Lockdown zu vertreiben ist.

Der konstruktive Ansatz will kein Zuckerwatte-Journalismus sein, sondern Lösungen aufzeigen. Nur: Journalist/innen haben selten die Expertise, zu bewerten, welcher Ansatz besser zur Bekämpfung der Armut oder gegen die Monopolisierung des World Wide Web durch Internet-Giganten taugt. Derselbe Leser, der lieber Lösungsorientiertes lesen möchte, lehnt einen „subjektiven“ Stil ab. Aber wer sagt denn, was eine gute Lösung ist? Komplexe nachdenkliche Fragen sind das zum Jahresausklang. Um dann mit neuer Energie ins Jahr 2021 zu starten, vielleicht sogar mit einer Lösung? Oder ist das jetzt zu positiv?

Ines Kurschat
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