Das Ensemble um Regisseur Frank Hoffmann drückt bei Shakespeares Lustspiel Was ihr wollt auf die Tube – nach allen Regeln komödiantischer Groteske
Dieser Will hat doch’n Knall!? Selten boten sich bei der Wahl einer Rezensionsstruktur ähnlich viele Herausforderungen wie zu Frank Hoffmanns deutschsprachiger Trierer Inszenierung von William Shakespeares Was ihr wollt (engl.: Twelfth night or What you will). Im gewohnten Versuch, von einer einzelnen Mimik, einem Regie-Einfall oder einem musikalischen Momentum aufs Ganze zu schließen, stellt sich die Frage: Wo beginnen?
Seit Jahrhunderten ist das dramatische Werk des britischen Barden eine Fundgrube für linguistische Corpus Analysis, Historiker der frühen Neuzeit, Literatur- und Theaterwissenschaftler. Auch. Dazu gesellen sich clowneske Intermezzi, actiongeladene Degenduelle, Besäufnis, heiße Liebschaft und feinstes Wortspiel. Auch für den Flachwitz war sich Shakespeare nicht zu schade.
Dieses Verständnis für Shakespeare als „Theater für alle“, als süffiges „Kino pur“, bietet nicht nur seine Comedy of errors um gesuchte und verpasste Liebe im märchenhaften, antiken Großherzogtum Illyrien, dessen Volk sich über alle Klassen hinweg der Liebestrunkenheit und Maßlosigkeit hingibt. Es sind auch Hoffmanns Regiearbeit und Florian Hirschs Dramaturgie, die sich dieses Prinzip zu eigen machen und ein Feuerwerk abfackeln. Es blubbert nur so vor schräger Choreografie (Paul Hess), schrillen Kostümen (herrlich: Jasna Bosnjak) und vor Narr Festes (Jan Plewka) überzogen vorgetragenen Liebesliedern von Jennifer Rush bis Noir Désir, begleitet am Keyboard von Manuel Krass. Die Regie steht mit dem Publikum in ständigem Dialog.
Gleich zu Beginn platzt die Bühne. Auf die weißen Papierwände im vorderen Bereich ist ein Video projiziert, das den hohen Wellengang an der Küste Illyriens illustriert. Die Lautsprecher dröhnen ein heftiges Rauschen im Dolby Surround heraus. Von der Gischt umspült reißen Nora Koenig und Martin Geisen das Papier im Sturz mit sich zu Boden. Der Schiffbruch wird inszeniert und lässt erahnen: Das Ensemble wird hier aus dem Vollen schöpfen.
Im späteren Verlauf der Handlung wird aus der Not eine Tugend. Das hohe C aus Chris Isaacs Wicked game will der scharfzüngige Hofnarr so nicht mehr schaffen. Ein phantasiereicher Regie-Kniff löst das Problem und hebt die Komik auf die Metaebene des V-Effekts: Bevor der Darsteller die Bühne durch die hinteren Durchbrüche betritt und sich auf die vorne herabhängende Holzschaukel setzt, wird ein goldener Luftballon sichtbar, den der Narr nach dem jämmerlichen Erstversuch an die Lippen setzt. Er enthält Helium. Problem gelöst. Überraschung garantiert.
Im Bereich der darstellerischen Künste zeigt sich neben der offensichtlichen Spielfreude auch so manche Szene, in der etwa Ulrich Gebauer als Sir Andrew und Jacqueline Macaulay als Gräfin ihr Können beweisen. Sir Andrews Auftritt als tölpelhafter Liebesnarr, der sich als steifer Puritaner liebestrunken zum schief grinsenden Gelbstrumpfträger verstellt, zeigt, dass auch anspruchsvolle Komödien nicht immer nach Feinheit rufen, um Großes zu schaffen. Hier wird herrlich und passgenau auf die Tube gedrückt. Im Detail, doch nicht weniger grotesk, spricht Olivia über die „Glieder und Falten“ ihres Geliebten und schafft es dabei, so getimed zu glucksen, als überschlage sich die Stimme ihrer Rolle in Echtzeit und Natur.
Sinngemäß heißt es in einer Szene aus dem Munde Marias: „Wenn ein solches Geschehen je den Weg auf die Bühne fände, das würde niemand glauben.“ Hoffmanns Inszenierung birgt die Gefahr, manchen Überschwall, zu viel Groteske, zu viel des Guten zu bieten. Shakespeares Vorlage aber erlaubt diese Lesart. Hier ist alles wahnsinnig, hier sind alle wahnsinnig und wie so oft ist es der Hofnarr, der die Lage durchblickt. Twelfth night ist weit entfernt von den schwermütigen Tragödien und Historiendramen und doch ist es nicht frei von nachdenklichen Momenten, deren Gewicht jedoch vorwiegend von komischen Details aufgefangen wird. Bei 170 Minuten (Pause inklusive) gibt es auch Längen. Als Anhänger des dramaturgischen Minimalismus müsste ich diese Produktion ablehnen. Die Bildersprache aus Liedtexten, Wortwitz und Spiel aber verleiht dem Drama über den maßlosen Rausch nach Leidenschaft und den Irrungen der Liebe ein unterhaltsames, komisches und spektakuläres Theatervergnügen, dessen zahllose Facetten nicht in diese Zeilen passen wollen.