Miteinander reden? Das sieht die Kommodo-Prozedur nicht vor
Paradebeispiel
d'Lëtzebuerger Land vom 23.08.2013
Von den drei Schöffenratsgutachten zur Asphaltanlage ist das Schifflinger mit 13 Seiten das ausführlichste. Das mag daran liegen, dass man sich in Schifflingen bereits zum dritten Mal mit dem Dossier beschäftigt. Aber auch daran, dass sich die Gemeindeverantwortlichen bemühen, den Fakten mehr Gewicht als den Emotionen zu geben. In seinen ersten beiden Gutachten hatte der Schöffenrat seine Zustimmung zum Projekt – geplant ist eine Asphaltanlage, eine Brecheranlage für das Recyclingmaterial, das in der Asphaltanlage verarbeitet wird, Materiallagerstätten und ein wenig Bürofläche – von zehn technischen Verbesserungsmaßnahmen zum Schutz der Anrainer vor Lärm, Geruchs- und Staubbelästigung sowie zur Verhinderung von Schadstoffemissionen abhängig gemacht, die er im dritten Gutachten nun überprüft. Dabei ist die Asphaltanlage von Lisé & fils ein Paradebeispiel dafür, dassdie Kommodo-Prozedur in ihrer aktuellen Form kaum einer der involvierten Parteien gerecht wird. Weder den Antragstellern, noch den Gemeinden und ihren Einwohnern, noch den Verwaltungen, die sie durchführen. Denn wie der Schifflinger Schöffenrat in seinem Gutachten anmerkt, soll sich dieses dem Gesetz zufolge eigentlich darauf beschränken, zu prüfen, ob das jeweilige Projekt konform zum Bebauungsplan und den geltenden Gemeindereglements ist. Dass die Gemeinden Forderungen zum Schutz ihrer Bürger stellen, wie das ihre Aufgabe ist, ist darin nicht vorgesehen. „Tous les autres éléments sont vérifiés par les administrations étatiques. Du moment où le dossier est transmis aux communes il est censé être conforme aux normes et prescriptions en vigueur et la commune n’a aucune compétence à contester le verdict des administrations“, so der Schöffenrat. Die Befragung von Gemeinden und Bürgern, eine reine Pflichtübung? Zumal das Beispiel Asphaltanlage zeigt, dass der gesetzliche Rahmen viel Raum für Interpretation darüber offen lässt, wonach sich ein Antragsteller richten soll. Im Fall Lisé & fils geht es konkret um die Filteranlage, ein Punkt, den auch die Gemeinden Esch und Schifflingen bemängeln. Das Kommodo-Gesetz sieht vor, dass ein Antragsteller in seinem Projekt die „bestmögliche Technologie“ einsetzen muss, eine Auflage, welche die Gemeinden im vorliegenden Fall für nicht erfüllt halten. Denn der Betreiber schlägt eine einfache Filteranlage vor, während die Gemeinden den Einsatz eines dreifachen Filters, mit Aktivkohle- und Denox-Element als bessere Technologie verlangen. Die Umweltverwaltung, für die Prüfung dieser Aspekte zuständig, hat die Projektakte inklusive einfachem Filter weitergereicht und damit für vollständig befunden. Präzise Normen über die Emissionen einer solchen Anlage, die rechtskräftig sind, gibt es nicht, muss auch der delegierte Umweltminister Marco Schank auf Nachfrage einräumen. „Or“, schreiben die Schifflinger Schöffen über das Kommodo-Gesetz, in dem die „meilleures technologies disponibles“ definiert werden, „la même loi n’exige nulle part qu’il y ait lieu de recourirà l’utilisation de ces meilleures technologies disponibles. Il s’en suit que les demandeurs, pour des raisons économiques, choisissent les techniques économiquement plus avantageuses et les autorités compétentes n’ont aucune base légale pour fixer des critères plus exigeants.“ Dennoch versuchen die Schifflinger Schöffen ihren Spielraum zu nutzen, um dem Betreiber Auflagen zu machen. Beispielsweise in Bezug auf die Lärmemissionen. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass die Umweltverwaltung eine Analyse der bestehenden Lärmemissionen – durch die Autobahn und die anderen Firmen – für nicht notwendig befunden hat. So musste Lisé & fils lediglich eine Lärmanalyse der eigenen Anlage vorlegen. Das ist zulässig, so lange die zusätzliche Lärmbelastung 15 Dezibel unter den maximal festgelegten Lärmpegeln, beispielsweise für Wohn- oder Gewerbegebiete, bleibt. Was den Berechnungen der Schifflinger Verwaltungen nach nicht der Fall ist. So versucht die Gemeinde der Umweltverwaltung zu belegen, dass der Antrag der Firma Lisé und ihres Ingenieurbüros von allen anderen Einwänden abgesehen, nicht genehmigungsfähig ist. Dass man so vorgehen muss, wird in Schifflingen bedauert. Dort ist man überzeugt, dass sich die Mehrzahl der Einwände durch gemeinsame Diksussionen zwischen Betreiber, Verwaltungen und Gemeinde hätte ausräumen lassen. „Nous sommes bien conscients que la loi ne prévoit pas cette façon de procéder, mais elle ne l’interdit pas non plus. Ce dossier est synonyme d’une approche non-adaptée qui est à l’origine d’une procédure coûteuse pour le futur exploitant. De plus, les communes concernées se sentent mises à l’écart et réduites au seul rôle de figurant tenu de procéder à l’affichage d’un dossier (...).“ Denn mit dem Betreiber hatte die Gemeinde mehrere Punkte direkt angesprochen und bescheinigt ihm, zumindest teilweise darauf eingegangen zu sein. „Tous les entretiens avec le demandeur ont montré qu’il était ouvert à nos propositions et le dossier le prouve car il a été corrigé de manière consécutive sur certains points et a pu être amélioré considérablement. (...) Une collaboration encore plus étroite entre le demandeur, l’auorité compétente et les communes aurait permis d’éviter les erreurs relevées dans le présent avis.“ Weil jeder neue Antrag aber erst zur Umweltverwaltung und dann erst zu den Gemeinden geht, können die erst relativ spät prüfen, welche Anregungen zurückbehalten wurden oder nicht, ob unabsichtlich, absichtlich, aufgrund der schwammigen Gesetzlage, aus wirtschaftlichen Gründen. Denn auch wenn der Schifflinger Schöffenrat dem Betreiber guten Willen bescheinigt, der eingereichte Antrag lässt viele Fragen offen.
Michèle Sinner
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