LEITARTIKEL

Attraktiver als Busse

d'Lëtzebuerger Land vom 16.09.2022

Als am Sonntag weitere 1,2 Kilometer der Hauptstadt-Tram und zwei neue Haltestellen in Betrieb genommen wurden, gab es die schon obligate Einweihungszeremonie mit dem Mobilitätsminister, der Hauptstadtbürgermeisterin und dem Luxtram-Chef. Im Kommentarbereich von rtl.lu wurde vielfach gemeckert: „Kann ee mer soen, wat dat do kascht huet?“ Oder: „Alt erëm eng Geleeënheet wou Politiker sech wëlle profiléieren, am meeschten déi, déi den Tram nii benotze wäerden.“ Aber auch: „Ech fueren eigentlech gären mam Zuch. Wann e géif fueren. Wunnen zu Clierf. Soll mam RGTR Bus (3x emstéigen) bis op Ettelbréck an dann an Stad. Waat mengt dir waat d’Léit do machen?“ Oder: „Den Tram ass 100x besser wei Busser… ken Stau mei op der Busspuer…“ Beziehungsweise: „Wier et nett mol ubruecht , fir bessen an CFL ze investeieren, well wat do oofleeft ass jo fuerchtbar. Pannen, Verspeidung, Zuch fällt aus…“

Wenn in Geknouters ein Stück Wahrheit steckt, kann man folgern, dass die Straßenbahn für eine durchaus gute Sache gehalten wird. Was nicht überrascht: Verkehrsplaner wissen, dass schienengebundene Transportmittel um 30 bis 40 Prozent attraktiver empfunden werden als Busse. Wer über den Tram meckert, drückt auch Neid aus, weil man gerne selber so ein attraktives Transportmittel zur Verfügung hätte. In der Straßenbahn auf einem von der Straße getrennten Gleis am Stau vorbei, das ist schon was. Und eine Tram-Haltestelle noch im kleinsten Dorf, wäre das nicht super?

Doch die Tram ist in erster Linie eine Lösung für die Haupstadt, das wird auch verstanden. In ein paar Jahren wird sie auch ein Angebot für manche ihrer Randgemeinden sein, sofern sie ausgebaut wird, wie geplant. In zehn bis 15 Jahren soll sie in den Süden verlängert werden und Teile von Esch/Alzette erschließen. Das war’s dann, aller Voraussicht nach. Sodass auch im nächsten Jahrzehnt gefragt werden dürfte: Wieso nicht wir? Und: Was kostet das?

Für „mehr Tram“ über Land zu sorgen, ist schwierig. Vor 20 Jahren war es angedacht. Vorgeschlagen wurde etwa eine Querverbindung durch den Süden. Und als die DP 1999 den „Zuch duerch d’Nei Avenue“ politisch abschoss, hielt sie in der damaligen Regierung mit der CSV dennoch daran fest, dass neben klassischen Zügen auf dem Netz der CFL auch „Train-Tram-Züge“ fahren sollten. Ein Vorteil hätte insbesondere darin bestanden, dass eine Strecke für einen leichteren Tram-Zug, der auf derselben Spurweite fährt wie ein klassischer, sich mit weniger Bau-Aufwand in Richtung größerer Gemeinden oder neu geplanter Wohnungsbau-Großprojekte auf der grünen Wiese hätte verlängern lassen. Theoretisch. Denn in der Praxis gibt das CFL-Netz einen Parallelbetrieb von zwei Sorten Zügen nicht her. Ob das mal anders sein wird, ist die Frage. Deshalb sind Tram-Lösungen nur standalone dort möglich, wo eine „kritische Masse“ an potenziellen Fahrgästen wartet. Kommt die Express-Tram in Esch an soll Anschluss an „Bus à haut niveau de service“ bestehen, die dorthin fahren, wohin eine Verlängerung der Tram sich nicht lohnt. Kaum überraschend hat der Mobilitätsminister sich schon vorhalten lassen müssen, das sei aber nicht dasselbe wie eine Tram. Klar, schienengebundene Transportmittel werden als attraktiver empfunden.

Oder ließe sich doch ein schienengebundener Verkehr entwerfen, der weiter reichen würde als die CFL-Züge und die Tram, selbst die zwischen Hauptstadt und Esch? Abgesehen von der technischen Machbarkeit wäre das auch eine politische Frage. 2006 waren die großen Parteien froh, einen Konsens über einen „liichten Tram“ in der Hauptstadt gefunden zu haben. Weiter denken mochte damals keine; das änderte sich im Grunde erst mit dem Entwurf der Tram nach Esch. Ob noch mehr Weiterdenken möglich wird, muss die Zeit ergeben. Je mehr Tram-Verkehr in Betrieb geht, umso mehr wird er akzeptiert und umso mehr dürfte er gewünscht werden. Vielleicht wird in zehn Jahren der Versuch unternommen, ein großes Stück Schienenverkehr hinzu zu konzipieren. So attraktiv, wie er ist.

Peter Feist
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