Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen macht auf die beginnende Plünderung von Tiefsee und Weltall aufmerksam

Abbau der Zukunft

Erze von Asteroiden? (Mineralproben aus der Installation Mining the Skies von Betha ny Rigby)
Foto: ME
d'Lëtzebuerger Land vom 30.06.2023

Auf eine Faustregel ist Verlass: Je wichtiger ein Thema, je größer und langwieriger seine Auswirkungen – desto weniger schert sich die Menschheit darum. In diesem Juli könnte die UN-Meeresbodenbehörde (Isa) die ersten „provisorischen“ Genehmigungen für Tiefsee-Bergbau in internationalen Gewässern erteilen. Firmen wie TMC aus Kanada, Loke aus Norwegen oder DEME aus Belgien scharren in den Startlöchern. Sonst nimmt kaum jemand davon Notiz, wo Kobalt, Lithium und andere Zutaten für Digitalisierung und Energiewende herkommen sollen. Bislang stören sich nur vereinzelte Kampagnen von Greenpeace und WWF daran, dass das Umpflügen von womöglich der Hälfte aller Meeresböden droht, grob geschätzt einem Drittel der Erdoberfläche.

Unsere Welt werde immer grüner, nachhaltig und entmaterialisiert, verspricht die Werbung. In Wirklichkeit wird es wohl weiterhin auf Raubbau und Ausbeutung hinauslaufen. Das lässt das deutsche Kulturprojekt Mining. Abbau der Zukuft vermuten: Die Völklinger Hütte und sechs weitere Mu-
seen, das Staatstheater Kassel und drei Universitäten befassen sich mit dem Kampf um Ressourcen und seinen Folgen für Mensch und Umwelt. Das Stuttgarter Fraunhofer-Institut IAO baut dazu eine digitale Plattform auf, die dann über mehrere Jahre einen „differenzierten und kritischen Blick“ auf die Gewinnung von Rohstoffen erlauben soll.

Eröffnet wurde der Veranstaltungsreigen im Mai in Friedrichshafen am Bodensee: Das Zeppelin-Mu-
seum für innovative Technik und Kunst zeigt Into the deep. Diese Ausstellung zu den Minen der Zukunft präsentiert Videos, Installationen und andere Stellungnahmen von sechs Künstlern zum gerade beginnenden Tiefsee-Bergbau und zum noch sehr utopischen Space-Mining auf Asteroiden oder dem Mond.

Zur Einstimmung geht es allerdings erst einmal in die Vergangenheit. Mit Teilen von Luftschiffen, einem Leichtbau-Auto von 1925 und anderen Exponaten aus der Sammlung des Zeppelin-Museums wird die Geschichte des Materials Aluminium behandelt: Um aus Bauxit das „Metall des Fliegens“ zu gewinnen, werden riesige Energiemengen verbraucht; pro Tonne Aluminium fallen rund 1,5 Tonnen giftiger Rotschlamm an. Immerhin lässt sich der wertvolle, oft sinnlos vergeudete Rohstoff gut recyceln: Schätzungsweise drei Viertel des seit 1880 produzierten Aluminiums sind heute noch im Umlauf.

Im Abschnitt zum Meeresboden-Bergbau kombiniert die Künstlerin Kristina Õllek in ihrer Videoinstallation Nautilus New Era Werbefilme eines – bereits wieder insolventen – Explorationsunternehmens mit Dokumentationen zur Zerstörung des fragilen Ökosystems unter Wasser. Der Fotograf und Filmemacher Armin Linke hat für seine Installation Prospecting Ocean nicht nur die Internationale Konferenz zur Zukunft der Ozeane in New York besucht und Mitarbeiter der Internationalen Meeresbodenbehörde in Jamaika befragt. Er lässt auch Fischer aus Papua-Neuguinea zu Wort kommen, die keine „Versuchskaninchen“ für unerprobte Risikotechnologien sein wollen.

Die Installation Mining the Skies von Bethany Rigby klärt darüber auf, dass für den Abbau von Seltenen Erden im Weltall nicht unbedingt schweres Gerät verfrachtet werden muss: Bereits heute werden auf der Erde 20 Prozent des Kupfers durch mikrobielle Erzlaugung gewonnen, also mit Bakterien. Nicht wirklich übersichtlich ist die riesige Wandkarte
Astropolitique von Léonore Bonaccini und Xavier Fourt, die „verborgene Realitäten des kapitalistischen Systems und koloniale Logik“ sichtbar machen wollen. Von der Luxemburger Initiative SpaceResources.lu scheint das Pariser Künstlerduo jedenfalls nicht viel zu halten: Sie haben daneben einen Dinosaurier mit Bagger-Kopf abgebildet.

Die Videoarbeit From Mars to Venus hat der Künstler Ignacio Acosta eigens für Friedrichshafen gefertigt. Dass die Aufnahmen von verwüsteten Landschaften in Schweden und Chile „indigenen Widerstand“ beleuchten sollen, erschließt sich leider nur aus den Begleittexten. Informativer ist das „Nachhaltigkeitslabor“, in dem Ausstellungsbesucher ausrechnen können, was sie selbst so alles verbrauchen. Ein einziger kleiner Staubsaugerroboter zum Beispiel enthält neun „kritische Rohstoffe“. Wo die alle herkommen, wollen wir lieber gar nicht so genau wissen.

Into the deep. Minen der Zukunft ist noch bis 5. November in Friedrichshafen zu sehen. Bei Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad oder zu Fuß kostet der Eintritt in diese „klimaneutrale“ Ausstellung 10 Prozent weniger. zeppelin-museum.de

Martin Ebner
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