Leitartikel

Keinen Einblick, keinen Durchblick

d'Lëtzebuerger Land vom 14.06.2019

Was steht im Fichier central der Polizei, der einem Kandidaten in einem Bewerbungsverfahren offenbar zum Nachteil wurde? Und handelt es sich dabei um dieselben „illegalen Datenbanken“, die ein Ex-Polizist via Facebook beanstandet hat? Ein Mann hatte an sich bei der Staatsanwaltschaft beworben, mit einem sauberen Strafregister – dachte er. Im Vorstellungsgespräch kamen dann Vorwürfe der Beleidigung und der Körperverletzung auf den Tisch, die aber nie zu einem Ermittlungs- oder Strafverfahren geführt hätten. Wurden ihm Einträge in besagter Datenbank zum Verhängnis?

Die Aufregung, die jetzt insbesondere CSV und Piratenpartei ergriffen hat, ist verständlich, scheint der Eintrag weitreichende Folgen für den Mann gehabt zu haben. Dass geheime Daten über die berufliche Zukunft eines Bürgers entscheiden, ohne dass dieser sie kennt, er sie überprüfen, eventuelle Fehler richtigstellen beziehungsweise gegebenenfalls deren Löschung verlangen kann, ist an sich ungeheuerlich.

Die Problematik ist indes nicht neu. Sollten die Daten, die zur Ablehnung des Bewerbers führten, aus dem Fichier central stammen, gibt respektive gab es dafür eine Rechtsbasis: Ein Reglement von 1992 und das inzwischen reformierte Polizeigesetz. Demnach dürfen solche Datenbanken von Ermittlungsbehörden angelegt, geführt und auch konsultiert werden. Allerdings war die entsprechende Verordnung zeitlich befristet – sie galt bis Juni 2018.

Noch wichtiger zu klären wäre, ob derlei Verordnungen nicht gegen Datenschutzgrundsätze verstoßen, wie das in der Europäischen Grundrechtecharta verbriefte informationelle Selbstbestimmungsrecht. Die Datenschutzkommission hatte in der Vergangenheit wiederholt Bedenken über die Art und Weise geäußert, wie das Polizeigesetz von 1992 den Umgang mit polizeilichen Datenbanken regelt: Die meisten beruhten auf zeitlich begrenzten Verordnungen. Auch die geplante Ausdehnung des polizeilichen Kameraüberwachungsprogramms Visupol bis weit in Wohnquartiere hinein und bis vor Redaktionsräumen ist der Regierung kein eigenes Gesetz wert.

Warum der Missstand den Abgeordneten der Mehrheitsparteien sowie der Opposition nicht früher aufgefallen ist, etwa bei den Beratungen zur Polizeireform oder zur EU-Direktive zur Datenerfassung bei Polizei und Justiz im Frühjahr 2018, wissen nur sie selbst. Die CSV erwähnte die erhebliche Rechtsunsicherheit polizeilicher Datensammlungen in ihren Reden damals im Parlament jedenfalls nicht. Tatsächlich stimmten dieselben, die jetzt die Grundrechte in Gefahr sehen, in der Vergangenheit oftmals für erweiterte Polizeibefugnisse, die datenschutzrechtlich mindestens ebenso bedenklich sind, siehe die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, die der Europäische Gerichtshof wegen ihrer Unvereinbarkeit mit Grundrechten 2016 kippte, die in Luxemburg aber immer noch nicht neu geregelt wurde.

Für die Regierung muss nun gelten, dass sie schnellstmöglich und gründlich Aufklärung schafft und die rechtliche Absicherung von Polizeidatenbanken grundsätzlich überdenkt. Der Fall ist zu wichtig, stellt er doch prinzipielle Fragen, weil er tief in die Grundrechte eines Einzelnen eingreift, als dass es mit einer zweiseitigen Antwort auf eine parlamentarischen Anfrage getan wäre, die zudem ihrerseits mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Dass so etwas unter Blau-Rot-Grün geschieht, dass der zuständige Minister François Bausch in einem Interview sogar zugibt, „keinen Durchblick“ bezüglich der Rechtslage zu haben, demonstriert einmal mehr, dass der Regierungskoalition kaum ernsthaft an Transparenz gelegen ist. Oder nur an der, die sie arrangiert?

Ines Kurschat
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